Heute verschlägt es uns bei “Frauen im Musikbusiness” wieder einmal in die DIY-Hauptstadt Berlin. Gitarristin und Sängerin Patsy von PATSY STONE und CUT MY SKIN steht heute Rede und Antwort rund ums Thema Frauen und Musik. Außerdem verrät uns Patsy, wer ihre persönlichen Vorbilder sind. Wer es verpasst hat: Letzte Woche gab es an dieser Stelle ein Interview mit Jolly Goods. Bleibt dran, es kommen noch weitere sehr tolle Frauen-Interviews in den nächsten Wochen!
Hallo Patsy, schön, dass du Teil unserer Interview-Reihe bist! Mit gut 10 Jahren Erfahrung mit deiner Band PATSY STONE bist du ja schon fast ein alter Hase im Musikgeschäft. Erzähl doch mal, wie du überhaupt zur Musik gekommen bist, hattest du vorher noch andere Bands, hast du heute noch weitere Bandprojekte und kannst du dich an dein allererstes Konzert noch erinnern? Was war der Auslöser überhaupt Musik zu machen?
Hi Chrissi, danke für die Einladung bei eurer coolen Interview-Reihe dabei sein zu dürfen. Freut mich sehr, vor allem weil mir das Thema Frauen im Musikbusiness auch sehr am Herzen liegt.
Okay, ich hole mal etwas weiter aus… Ich bin mit 15 oder so das erste Mal mit der Hausbesetzer – und Punkszene und damit auch mit Punkrock in Kontakt gekommen. Ich war wohl gerade mal wieder von zu Hause ausgerissen, hatte keinen Bock auf Schule und bin irgendwie in diesem besetzten Haus gelandet. Ich fühlte mich dort auf Anhieb total wohl und war fasziniert davon, was die Leute da so alles auf die Beine stellten, von Partys über Konzerte und VoKü’s oder Kino. Im Keller gab es einen Proberaum, welcher heute der Backstage vom “Kastanienkeller“ ist, dort probte damals ‘ne Punkband. Ich hing dort oft rum und hörte denen zu. Irgendwann hat mir der Gitarrist und Sänger der Band ein paar Akkorde gezeigt, die typischen 3 Akkorde eben. “Mehr brauchst du nicht“, meinte er. Also hab ich mir eine E-Gitarre besorgt und los gings. Ich hab meine Powerchords hoch und runter geübt bis meine Finger bluteten und angefangen Texte zu schreiben. Meine Gitarre und ich waren von nun an unzertrennlich und ich wollte jetzt auch unbedingt in einer Band spielen. Kurz darauf gründete ich mit ein paar engen Freundinnen unsere erste Band. Eine reine Mädelsband. Mir war damals gar nicht bewusst, dass Punkrock der totale Boys Club ist, das hab ich erst viel später gemerkt, dass da oft nur Kerle auf der Bühne stehen und die Mädels sich eher im Hintergrund halten.
Nach ein paar ersten Konzerten gingen die anderen Mädels der Band dann leider doch wieder andere Wege. Für mich stand jedoch seither fest, dass ich genau das machen will. Schnell folgten neue Bandprojekte und es gab eigentlich seitdem kaum eine Zeit wo ich nicht in Bands aktiv war. Seit gut 10 Jahren bin ich nun schon mit PATSY STONE unterwegs und seit 2018 spiele ich auch Gitarre bei CUT MY SKIN. Musik ist mein Leben und ich denke nicht, dass sich das nochmal ändern wird.
Cooler Einstieg 🙂 Kommen wir dann doch gleich zum Kern der Interview-Reihe: Wie sieht du die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Musikbusiness? Fühlst du dich manchmal aufgrund deines Geschlechts benachteiligt oder nicht ernst genommen? Spezielle Erlebnisse?
Ich denke in Sachen Gleichberechtigung ist da noch viel zu tun. Ich habe zwar in all den Jahren viele coole Frauen im Musikbusiness getroffen und kennengelernt aber trotzdem ist es ja immer noch so, dass es weniger Frauen als Männer in der Branche gibt. Ich habe es selber oft genug erlebt, dass ich an einem Abend mit 5 oder 6 Bands die einzige Frau auf der Bühne war. Oder es gibt auch immer mal wieder Situationen, wo du das Gefühl hast, du wirst als Gitarristin nicht ernst genommen, vor allem wenn du so Sprüche hörst wie: “Nicht schlecht für ‘ne Frau” oder “Du spielst ja fast so gut wie die Kerle.” Ich steh’ da auf jeden Fall drüber, trotzdem sind solche Sprüche ja wohl absolute sexistische Kackscheisse!
Mir hat auch mal jemand gesagt, Frauen würden sich einfach nicht so viel Mühe geben und deshalb könnten Kerle eben besser Gitarre spielen. Aha! 😉
Oh man. Das kann ich nachempfinden. Was denkst du sind die Gründe dafür, dass immer noch weniger Frauen als Männer auf den Bühnen zu sehen sind? Wie kann man das ändern?
Ich habe mich das auch schon oft gefragt, ich weiß es nicht, warum das so ist. Vielleicht fehlt manchen einfach der Mut oder der Wille sich in diesem von Männern dominierten Business zu behaupten. Und die dummen Sprüche oder Blicke die du als Frau manchmal erntest, machen es ja nun auch nicht gerade leichter. Ich versuche manchmal auf unseren Konzerten die Mädels zu motivieren, nach vorne zu kommen, mitzusingen oder selber Bands zu gründen, weil Frauen das ja wohl genau so gut können wie Männer. Oft stehen dann plötzlich die Mädels mit einem Lächeln im Gesicht vor der Bühne, das freut mich immer sehr zu sehen, wenn unsere Message ankommt. 🙂
Was hälst du von Begriffen wie “femal fronted punkrock” und “girls to the front”?
“Female fronted punkrock” was genau soll das sein? Ein Genre? Oder der Versuch mehr Leute auf ein Konzert zu bekommen weil eine Frau in der Band mitmacht? Ich weiß nicht was ein Veranstalter oder eine Band damit bezwecken möchte. Ich finde es schade, dass es solche Begriffe braucht. Es sollte doch eigentlich egal sein, wer da auf der Bühne steht, denn letztendlich geht es doch um die Musik. Mich würde mal interessieren, ob tatsächlich mehr Leute auf ein Konzert gehen, wenn eine Band so angekündigt wird und wenn ja, warum? Diese Begriffe zeigen doch einfach nur, dass wir noch weit davon entfernt sind, dass Frauen auf der Bühne genau so häufig vertreten sind wie Männer, und es anscheinend immer noch etwas besonders ist und extra betont werden muss.
Den Begriff “Girls to the Front” finde ich gut. Er stammt ja aus der “Riot Grrrl” Bewegung Anfang der 90er Jahre. Schon damals führten Bands wie Bikini Kill oder L7 den Kampf um Raum, Respekt und Anerkennung für Frauen innerhalb der Punkszene. “Frauen in die erste Reihe” aber auch “Frauen an die Instrumente von Rock und Punk” war die Message damals. Eine Aussage die bis heute nicht an Bedeutung verloren hat, und die es auf jeden Fall gilt weiter zu verbreiten.
Hast du persönliche Vorbilder in Sachen Frauen-Punkrock? Wen und warum?
Ja, da gibt es einige… 🙂 Jetzt alle hier aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, deshalb beschränke ich mich mal auf die wohl zwei bekanntesten: Laura Jane Grace (die Frontfrau von Against Me) und Joan Jett. Ich mag Laura’s Musik sehr, und wer mich kennt weiß auch, dass ich ein riesen “Against Me” Fan bin. Ich finde ihre Ausstrahlung und Bühnenpräsenz einfach super. Ich mag Leute, die auf der Bühne authentisch und sie selber sind. Eine meiner größten Vorbilder ist sicherlich auch Joan Jett. Als sie in den Siebzigern startete hieß es noch “Girls don’t play Rock’n Roll, or electric guitars”. Sie ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Joan Jett wusste was sie wollte und hat sich von niemanden aufhalten lassen. Sie ist immer noch aktiv und weltweit mit ihrer Band unterwegs. Ihre Attitüde und ihre Leidenschaft zur Musik finde ich sehr inspirierend.
Na dann freu dich schon mal auf die kommenden Interviews 😉 Nächste Frage: Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, wie setzt du das in deinem täglichen Leben um?
Wenn Feminismus heißt sich für Gleichberechtigung einzusetzen, die Klappe gegen Sexisten aufzumachen und sich gegen gesellschaftliche Normen in der Geschlechter-Rollenverteilung aufzulehnen, dann bin ich Feministin, ja.
Wie findest du die Idee Jam-Sessions für “Girls Only” zu veranstalten? Grund zu einer größeren Diskussion?
Ich finde die Idee gut, so können junge Mädels die vielleicht noch nicht so viele Erfahrungen sammeln konnten sich ausprobieren, zusammen Musik machen und sich austauschen und kennen lernen. Das gilt natürlich auch für ältere und erfahrene Musikerinnen. Ein Austausch ist wichtig, damit du merkst du bist nicht allein, und es gibt da draußen noch mehr Mädels die rocken wollen. 😉 Da wären wir wieder zurück bei dem Thema, dass bei Jam-Sessions oder Open-Stage Veranstaltungen auch meistens nur Kerle anzutreffen sind und du dich als einzige Frau dort vielleicht unwohl fühlst. Deshalb würden viele Mädels solche “Girls only ” Sessions sicher sehr begrüßen.
Kommen wir zu einem heiklen Thema: Was hat Corona für dich als Musikerin verändert? Ist die “Zwangspause” Fluch und Segen zugleich? Was denkst du, wie es danach weitergeht? Wird es überhaupt ein “Danach” geben?
Oh ja, ein sehr heikles Thema. Naja, wie bei allen anderen auch, fallen jetzt natürlich die Konzerte und das Touren weg. Ich vermisse das sehr. Auf der anderen Seite ist jetzt aber auch viel Zeit kreativ zu werden. Wir arbeiten mit Patsy Stone gerade an neuen Songs, die wir auch bald aufnehmen werden. Wir haben da einiges geplant. Weitaus tragischer sieht es ja wohl bei den Läden aus, die durch Corona in ihrer Existenz bedroht sind. Ich hoffe, dass so viele wie möglich das irgendwie überleben werden, sonst wird es ja hier irgendwann eng für die Subkultur. Diese Freiräume sind wichtig. Da haben Leute jahrelang Arbeit, Zeit und Herzblut investiert und es kleinen Bands wie uns möglich gemacht Konzerte zu spielen. Wir stehen das irgendwie zusammen durch. Hoffen wir das Beste.
Ja, Daumen drücken! Dann kommen wir auch schon zur letzten Frage: Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Ja, an alle Mädels da draußen, lasst euch nicht einreden Frauen könnten irgendwas nicht so gut wie Männer oder ihr könntet irgendwas nicht tun! Egal was andere sagen oder denken: Always follow your dreams and never give up!
Ansonsten liebe Leute, unterstützt die Läden und Leute die es gerade am dringensten brauchen damit wir irgendwann wieder alle dort zusammen sein können. Und wenn der Tag kommt, werden wir lauter singen und feiern und tanzen als je zuvor… 🙂
Danke Chrissi für die spannenden Fragen und diese tolle Interview Reihe. Es ist schön zu sehen, dass so viele tolle Frauen in der Musikbranche unterwegs sind. Rock on Girls! Wir sehen uns hoffentlich irgendwo da draußen!
Danke für das tolle Interview Patsy und bis bald!