Hach wie freue ich mich als Kind der 90er doch über diese Platte. “Mountains Of Madness” war der letzte Release von H.P. Zinker aus dem Jahre 1994 und genau da befinde ich mich imaginär beim Hören der Platte auch. Als die Welt noch in Ordnung war und ich die Musikwelt für mich zu entdecken begann. Neben den damals unvermeidlichen Green Day und Offspring gab es da ja auch noch diesen anderen Hype, diesen Grunge. Zwar gefühlt irgendwie weniger partytauglich, dafür aber um so, sagen wir mal, persönlicher. Dafür geeignet, auch alleine gehört zu werden und einen in eine andere Welt zu entführen. Funktioniert beim Hören von H.P. Zinker auch noch heute, was der Band unisono das Prädikat “Zeitlos” verleiht. Klar, als Teenager damit beschäftigt, erst mal die großen Formate abzugrasen, ging H.P. Zinker Mitte der 90er natürlich völlig an mir vorbei. Und all die Jahre danach leider auch. Da muss nun also satte 26 Jahre später das feine Label Noise Appeal Records mit dem Re-Release der Platte ums Eck kommen, um mich mit H.P. Zinker bekannt zu machen. Das war keine Sekunde zu früh, das kann ich euch sagen!
In ihren rockigen Momenten erinnert mich die Platte direkt an Soundgardens Meisterwerk “Superunknown”, sowohl in Sound, als auch in ihrer Intensität. Wobei H.P. Zinker spätestens beim letzten und neunminütigen Song “Fortress Of Fear” weitaus mehr Hang zur Improvisation und zum Zufallsmoment zelebrieren. Womit die Überleitung zur zweiten Referenz doch ganz gut gelungen scheint, denn H.P. Zinker haben durchaus dieses verträumt-melancholische Moment von Dinosaur Jr. verinnerlicht. Und noch einen oben drauf: in den eher ruhig gehaltenen Nummern erinnern H.P. Zinker mich an die ruhig gehaltenen Songs von Seven Mary Three. Die wiederum waren ähnlich unbekannt, ebenso zu Unrecht. Ein bisschen Punk-Attitüde gibt’s dann auch noch, etwa im kurz und schmerzlos vorgetragenen “Woman Is Away”. Und Seite vier des Doppelalbums dann erst mal bisschen funky und groovy (“Waz”), ein bisschen wie Primus. Der mittlerweile ja doch etwas verpönte Begriff Crossover trifft unterm Strich und im wörtlichen Sinn doch schon sehr zu auf dieses über und über abwechslungsreiche Album. Und ’94 war das ja auch noch okay!
Soundtechnisch scheinen H.P. Zinker nichts dem Zufall überlassen zu haben. Da macht sich bei mir doch ein wenig der Eindruck breit, dass die Musiker der Gattung “Soundnerds” angehören. Vermutlich kann man mit den Jungs abendfüllend und bierselig über das richtige Mischverhältnis von Gain, Reverb, Delay und Co. quatschen. Und das altehrwürdige WahWah musste bei den Aufnahmen von “Mountains Of Madness” ganz schön schuften. Somit ist die Platte eben auch was für Soundästheten.
Textlich reihte sich die Platte 1994 in den damaligen Zeitgeist und den Geist der Grunge-Ära ein. In dieser Mischung aus Zweifel, Verzweiflung und Selbstzweifel bietet “Mountains Of Madness” einen kritischen Blick auf die Menschheit, das Versagen der Menschheit und des Einzelnen, letztlich auch des eigenen Ichs. Unweigerlich muss ich an die literarischen Ergüsse des Layne Staley von Alice in Chains denken.
Graphisch gibt’s hier auch so einiges zu bestaunen. Und verdammt noch eins, ich find sie nicht mehr, meine Papp-3D-Brille. Ist vermutlich irgendwo in den 90ern hängen geblieben? Womöglich gäbe es hier so einiges räumlich zu betrachten. Na ja, zumindest lassen sich die Bilder dank des roten Plastikschubers schon ganz schön verzwirbeln, bzw. verändern. Da wird dann aus ner Hand der Stinkefinger. Erinnert mich an diesen “Ich zahl nicht mehr” – Sticker. Kennt den noch wer? War so ein Ding in den 90ern. Oder war das damals der Zwirbeleffekt, den die Brille konnte? Sei’s drum, auch so macht das Artwork in seiner Schlichtheit der Bilder schon einiges her. Hat auch den ein oder anderen Designpreis abgeräumt. Zu Recht! Und überhaupt lässt sich das komplette Musikprodukt nicht lumpen. Eingepackt in besagten roten Plastikschuber enthält das Album neben roter und grüner Platte ein großformatiges und mehrseitiges Booklet, das sich dank angenehmer Schriftgröße und unaufgeregter Gestaltung auch ohne Lesebrille schmökern lässt. Und dann gibt’s da tatsächlich noch was, was die Neuauflage vom Original unterscheidet: den Downloadcode! Wäre ’94 vermutlich ‘ne CD gewesen?!
An alle Nostalgiker, Gitarrenmusikfreunde, Kinder der 90er und Post-Millenium-Kids, die ihr wissen wollt, wie das damals war: greift zu und genießt H.P. Zinker. Das mach ich jetzt nämlich auch!
Euer Riedinger
no images were found
Zugreifen könnt ihr u.a. hier: jpc oder https://store.noiseappeal.com/