Mist, verdammter! Da leitet mir mein Kollege eine Infomail samt WeTransfer-Link von der Hamburger Surfrock-Kapelle Highcoast weiter und ich Dussel lass die Gültigkeit verstreichen. Ist doof, wenn sich auf der einen Seite Mühe gegeben wird und die andere dies nicht honoriert. Außerdem hätte ich da bestimmt so einiges an Nützlichem erfahren. So muss ich mir nun selber helfen. Ok, Einstieg suchen. Ah ja, das Ding mit der Mühe klingt doch gut. Diese scheinen sich Highcoast nämlich wirklich auf ganzer Linie zu machen.
Finanziell, zum Beispiel. Ich habe hier den Rundling “Sunday Cravings” vorliegen, welcher sechs neue Stücke sowie die vier Songs der EP “Sunnies, Cones & Choppy Waves” enthält und auf eigene Faust released wurde, jedoch mit nichts geizt, was an den Geldbeutel geht. Pink marbled Vinyl, Download-Code, Sticker vorne drauf und Sticker innen drin, schick hergerichtetes Inlay, kunterbuntes Artwork (gut, so was machen dann in der Regel Kumpels), das Ganze auf 250 Stück limitiert, handnummeriert und signiert von den Bandmembers.
Ha, selber die Steilvorlage gegeben. Tauschen wir das Stichwort “Mühe” gegen das eben herbeizitierte Wort “Kumpels” aus, um uns dadurch und damit weiter mit der Materie Highcoast zu beschäftigen. Und gehen wir dabei auch weg vom, aus geschilderten Gründen beeindruckenden Erscheinungsbild, hin zur Musik der Band. Diese klingt nämlich schon beim ersten Hören nach einem Kumpelding. Warum? Nun, vielleicht ist es die Selbstverständlichkeit, die die zehn Songs auf “Sunday Cravings” ausstrahlen. Das klingt locker-flockig und gefühlt so, als ob die Jungs sich schon seit dem Sandkasten kennen. Und als ob sie neben der Musik eine weitere Leidenschaft miteinander teilen.
Was bei den Satanic Surfers einst das Skaten war, ist bei Highcoast das Surfen. Ein Kontext, der die jeweiligen Typen zusammenschweißt und bis zum Exzess besungen wird. Deshalb wohl im Falle von Highcoast auch die Selbstbeschreibung, “Sunsoaked Surfrock” zu machen. Um ehrlich zu sein, war ich deshalb zunächst etwas verdutzt, als die Platte zu rotieren begann. Mit klassischer Surfmusik hat das von Highcoast gebotene Modell aus meiner Sicht zunächst nicht allzu viel am Hut. Da ist kein staccatoartiges Hallgewitter à la Dick Dale und auch keine Sunnyboy-Attitüde à la Beach Boys zu hören.
Gut, der Elbstrand hat vermutlich auch weniger Sonnenstunden als Long Beach zu bieten. Vielleicht deshalb, vielleicht aber auch, weil Highcoast das einfach so wollen, klingt hier fast schon als Leitmotiv diese geniale Mischung aus guter Laune und Melancholie durch, wie sie gerne von Dinosaur Jr. zelebriert wird. Dazu eine leicht grungige Note, nicht nur wegen des Riffings, sondern auch wegen dem gerne eingesetzten Chorus auf der Gitarre. Der dominiert definitiv den Reverb. Dann noch ein wenig Indie der Marke Supergrass und wir haben eine richtig gute Platte, ohne Zweifel. Aber Surfrock? Gut, das Instrumental “See ya” lass ich eindeutig als solchen durchgehen. Die Euroboys und Jancee Pornick Casino lassen grüßen.
Erst beim zweiten Durchgang achte ich mehr auf die Nuancen, vielleicht auch, weil die erste Verwunderung verflogen ist. Und siehe da, da sind sie doch, Elemente aus der Surfmusik, so wie man sie kennt. Sie sind nur gut versteckt und wollen gefunden werden. Die Chöre etwa in Songs wie “No Worries” stehen denen der Beach Boys in nichts nach und für die Band um die Gebrüder Wilson waren diese einst ein wesentlicher Bestandteil für den Erfolg. Und wo wir es gerade von denen haben: Ihr womöglich bestes Werk “Pet Sounds” lebte nicht von Sommer, Sonne, Heiterkeit, sondern von einer, gemessen am sonstigen Output, geradezu düsteren Note. Und so mag sich der Kreis zu oben angesprochener Melancholie schließen.
Bleibt zusammenfassend zu sagen: irgendwie hab ich mich jetzt durchgemogelt und Highcoast veröffentlichen in Eigenregie und unter dem Banner “Surf” eine richtig gute Platte, die allerdings noch einige Genre-Fähnchen mehr am Masten hat. Bitte “Sunday Cravings” direkt bei der Band ordern.