Ein Interview mit Andy (Bass und Gesang) von den Dödelhaien verspricht immer unterhaltsam zu werden, er hat nämlich so einiges zu erzählen. Einige Punks riefen ihm bei Konzerten schon öfter zu, er solle nicht so viel reden, die Band solle lieber spielen. Nun, hier ist Platz!
Eines der ersten Interviews außerhalb der Reihe “MusInclusion” oder “Musik trifft Literatur” in diesem kleinen Sender. Wir geben dem Kind sicher auch noch einen Namen, denn in Zukunft wird es immer wieder Interviews mit Bands und Künstlern geben. Andy und ich, Felix, versuchen also die messbare Skala schon ziemlich hoch zu legen – hoffentlich.
DÖDELHAIE macht spaßigen Punk mit ernsten Inhalten. Kann man das so sagen?
Die Leute denken immer wir machen Spaß. Wenn die wüssten…
DÖDELHAIE also. Meine erste Frage kann und muss also sein: wie überlebt man mit diesem Namen die Jahrtausendwende? Fühlte sich das bei eurem Neustart noch “zeitgemäß” an?
Nun ja, für uns ist es ja kein Neustart. Wir haben uns nie aufgelöst, nie reformiert, nie über die Leichtigkeit des Seins nachgedacht. Für uns hat der Name ja auch mittlerweile eine fast religiöse Abstraktion. Du darfst nicht vergessen, dass wir zu den wenigen Zeitzeugen gehören, die den mächtigen Dödelhai ca. 1985 am Strand von Cannes in Frankreich live gesehen haben. Glaub mir, Felix, wenn vor dir aus dem Meer ein riesiger Hai auftaucht, groß wie ein Hochhaus und mit donnernder Stimme Anweisungen erteilt, wie du die nächsten Jahrzehnte in seinem Namen musizieren sollst… das hinterfragst du auch später nicht mehr.
Punk ist also, wenn man den Dödelhaien Glauben schenken mag, eine religiöse Abstraktion? Wie kann man sich denn von euch erleuchten lassen? Reicht das simple Erhören eurer Musik?
Ich springe kurz zurück in der Zeit und gleichzeitig vorwärts: was war denn der Grund, Ende der 80er mit Punk-Musik anzufangen und welchen Grund gibt es in 2021 ein so üppig ausgestattetes Album herauszubringen wie “Linksextreme Hassmusik”?
Die Dödelhaie haben sich ja durch die Erscheinung des mächtigen Hais an der Côte D’Azur im Jahre des Hais 1985 gegründet. Der Auftrag war damals klar. Wir sollten in kurzer Zeit mit Texten und Musik die Menschen bekehren, läutern und zu einem friedlichen, aber auch fröhlichem Miteinander bewegen. Wir waren in unseren jungen Jahren noch recht naiv und dachten, dass würden wir doch in ein paar Jahren locker hinbekommen. Umso größer unser Erstaunen, dass es immer noch nicht gelungen ist. Die Konsequenz daraus ist mit schweren Geschützen, wie eben das neue Album “Linksextreme Hassmusik” unsere Anstrengungen zu intensivieren. Ich sag mal so, die Menschheit wäre gut beraten, diesmal auf den von uns propagierten Pfad einzuschwenken. Stell dir mal vor, was wir sonst in weiteren 12 Jahre auffahren…
Ich mag es mir (fast) nicht ausmalen!
1990 kam euer erstes Album raus, bis Ende der 90er recht regelmäßig Neuerscheinungen, bis es dann etwas abebbte und ihr in immer länger werdenden Abständen neue Alben rausgebracht habt. Wieso diese langen Zeitspannen, was hält euch davon ab, Musik zu machen?
Ja, darüber haben wir auf der letzten Dödelhai Probe auch nachsinniert. Die Antwort, auf die wir gekommen sind, ist eigentlich recht einfach. Wir melden uns nur zu Wort, wenn wir auch wirklich was zu sagen haben. Wir machen halt keine “Lückenfüller” Stücke oder Alben, weil man schon so lange nichts von uns gehört hat. Es muss etwas passieren, was uns auf den Plan ruft. Aber wenn der Ruf an die mächtigen Haie ergangen ist, dann gibt es kein Erbarmen und kein Zurück in eine heile Welt mehr. Es hat in eurer Realität (wir haben hier eh eine andere, aber dies zu erklären würde zu lange dauern) ca. 12 Jahre gedauert, bis unser neues Album fertig wurde. Aber die meisten Stücke sind in den letzten Jahren entstanden. Man muss sich das so vorstellen: Dödelhai Proberaum vor 12 Jahrem: “Hui Junx, wir machen ein neues Stück.” komponier, komponier… dumdidum… Stück fertig… dann plätschert die Zeit und das Leben vorbei… alles irgendwie ok… kleine Höhen, kleine Tiefen und dann ZACK: Spinner, Querdenker, Nazis im Verfassungsschutz, Pandemie, Fake News, Internet Stress, Trump…!
“Wie soll man denn mit diesen Herausforderungen ohne die Dödelhaie fertig werden?”, fragt sich das Volk zurecht. Und SCHWUPPS… sind die Haie da!
Hattet ihr in den letzten 12 Jahren seit “Hai Alarm” denn Kontakt miteinander (und hat sich das Lineup verändert)?
Die Haie sind wie eine eingeschworene Familie mit sektenähnlichen Strukturen. 🙂 Wir haben uns in den letzten 12 Jahren immer wöchentlich gesehen und ja auch geprobt. Oft waren die Proben, aber auch therapie-ähnliche Sitzungen, wo über Alltagsprobleme, Stress mit der Arbeit usw. geplaudert wurde. Es kam durchaus vor, dass wir auf einer 3-stündigen Probe nur ein Lied gespielt haben und den Rest verplauderten. Einmal Dödelhai, immer Dödelhai.
Das Line-Up haben wir in den letzten 12 Jahren nicht verändert. Warum auch?
Du, Andy, und dein Bruder Hardy (Drums) betreiben ja noch das Label Impact Records. Ihr habt das sicherlich, wie einige andere Bands in der Zeit damals, aus einer “Not” heraus gegründet. In Ermangelung von Labels, die dem Output der spriessenden Punkgemeinde Herr werden konnte. War Duisburg eine größere Szene? (Wie waren die Verbindungen nach Düsseldorf bspw. oder wohin habt und / oder hattet ihr die “besten” Verbindungen)
Impact war am Anfang wirklich eine kleine Trotzreaktion. Nachdem wir unser erstes Demotape an verschiedenen Plattenfirmen geschickt hatten und nur von einem rechtslastigen Label ein Angebot bekamen, war für uns klar: Dann machen wir es eben alleine!
Wir haben uns wirklich von Freunden, Verwandten, unbeteiligten Passanten usw. die Kohle zusammen geschnorrt, um unsere erste Platte aufnehmen und produzieren zu können. Dann standen wir aber plötzlich am Liefertag mit 1.000 LPs des ersten Dödelhai Albums in meinem alten Kinderzimmer (ich wohnte damals noch mit Hardy bei unseren Eltern) und merkten, dass wir eine eklatante Frage nie gestellt hatten: Wie verkaufen wir 1.000 LPs? Man muss sich ja vorstellen, dass wir damals noch nicht diese berühmte Boyband mit etlichen Chart-Hits und zahlreichen Gold-Alben waren. Kaum jemand kannte in jenen Tagen die Dödelhaie. Außer natürlich unsere Eltern. Diese kauften uns auch die ersten Platten ab und zwangen die Verwandtschaft ebenfalls zu Unterstützungskäufen. Ich weiß noch wie mein konservativer Onkel die frisch erworbene Dödelhai Platte auflegte und aus den Boxen: “Brenn Bulle, brenn… brenn, brenn Bulle, brenn!” klang. Ein Fest für die ganze Familie!
Nach einigen Wochen kamen wir auf die Idee uns von den Rückseiten anderer Punk Platten Adressen von Labels, Fanzines usw. abzuschreiben und denen Briefe zu schicken, ob die denn nicht Platten tauschen wollten, so dass wir alle mehr verschiedene Platten hatten. Also 10 Dödelhaie gegen 10 Verrottete Rebellen usw. Das haben wir mit so einem Enthusiasmus gemacht, dass wir weit über die Grenzen von Deutschland hinaus gegangen sind. Und das alles ohne Internet! Briefe dauerten Wochen. Antworten wieder Wochen und telefonieren war viel zu teuer. Aber redlich müht sich der Haifisch und nach einiger Zeit standen wir wieder in meinem Kinderzimmer und hatten noch ungefähr 500 Dödelhai Platten, aber zusätzlich 400 Punk Platten aus aller Welt. Damit haben wir uns dann vor viele Punk Konzerte gestellt und die Teile verkauft. Onlineshops gab es ja noch lange nicht und in normalen Musikgeschäften bekamst du keine wirkliche Undergroundmusik.
Etwas später haben wir die erste kleine Liste, also den ersten Impact Katalog, in einer Auflage von 10 Stück erstellt. Diese 10 Stück haben wir auf einem Fotokopierer in der Stadtbibliothek kopiert, wo jede Kopie 20 Pfennig kostete. Und irgendwann haben wir uns einen eigenen, gebrauchten und halb kaputten Kopierer gekauft. Ich weiß noch, dass man so einen Holzkeil irgendwo reinrammen musste, damit dieser zwei Kabel zusammendrückte und das Teil lief. Als wir dann etwas Geld verdient hatten, haben wir dies in unser erstes eigenes Punk Konzert gesteckt. So lernten wir andere Bands kennen und konnten so nach und nach die Bands begeistern auch bei Impact Records mitzumachen.
In den letzten Jahren, vor allem im letzten, ist klar geworden, dass Vinyl mit der Anzahl der Nachpressung plus der Neuerscheinungen aus der Umlaufbahn geworfen wurde.
Ihr habt mit eurem Label sicherlich die Entwicklung vom Vinyl zur CD und wieder zurück zum Vinyl, parallel dem Streaming hautnah miterleben können. Ihr bringt nun eine LP, wie erwähnt, mit Spiel”Brett” heraus, bzw auch in einer Box mit Fahne und weiterem Merch. Was glaubst du, wohin geht die Reise?
Wenn du wissen willst, wohin die Reise geht, musst du dir nur “Jenseits-Zug” auf dem neuen Album anhören. 🙂 Aber du hast Recht, als wir angefangen haben gab es nur Vinyl bzw. es gab noch Tapes. Tapes waren gerade auf dem absteigenden Ast, aber es gab sie noch. Sie waren halt deutlich billiger als eine Vinyl-Platte. Dann kam die CD. Mensch, was für eine Revolution, dachten wir. So viel Musik auf so einer dünnen kleinen Scheibe. Heute wissen wir, CDs haben keine Seele und meist kein schönes Booklet, weil es einfach viel zu klein ist und man sich nicht kreativ austoben kann. (Aber als Vogelscheuchen funktionieren sie gut. Man kann sie wirklich an einer Stange auf einem Feld aufstellen und durch die Reflektionen und den Wind verscheuchen sie Vögel. Haben wir schon gemacht.) Dann kamen die MP3s. Der Niedergang der Labels schien besiegelt, weil einfach jeder mal eben MP3s kopieren konnte und kaum noch jemand CDs kaufen musste. Schließlich Streams etc. und dann… die Rückkehr des Vinyls. Und genau zu diesem Zeitpunkt kommen die Dödelhaie mit ihrem neuen Album raus. Zufall?
Dass “Linksextreme Hassmusik” dann so fett wurde, war einfach ein Geschenk an unsere Freunde und uns. Als wir in den 80er Jahren mit den Dödelhaien anfingen, haben wir allen, die uns unterstützten, immer wieder gesagt: “Eines Tages werden die Dödelhaie euren Eifer belohnen und euch mit Freuden und Reichtümern überhäufen.” Voila! Der Tag ist da! 🙂
Was hat sich seit den 80ern aus deiner Sicht im, mit und am Punk verändert?
Ich würde einmal behaupten, dass Punk, im Vergleich zu anderen Entwicklungen, gar nicht so viele Veränderung durchgemacht hat, wie man vielleicht denkt. Das Outfit ist etwas dezenter geworden, da man heute kaum noch Schockwirkungen mit einer Nietenlederjacke und ‘nem roten Iro erzeugen kann. Viele Punks sind auch älter geworden, was früher ja noch nicht ging, da die Szene recht neu war. Diese älteren formen die Szene natürlich auch mit und so existieren nun Generationen von Punks, die sich durchaus austauschen und eine Stärke entwickeln, die eine junge Punk Generation alleine noch nicht hatte.
In regelmäßigen Abständen wird Punk für tot erklärt, meist in so einem 5-Jahres-Rhythmus, nur um dann leicht modifiziert wiederzukommen. Eine drastische Änderung gab es dann aber doch durch das Internet. Dies hat vielen Punks ermöglicht deutlich kreativer zu werden als vorher, weil man nun noch mehr selbst machen kann. Für Bands ist es viel einfacher ihre Musik selbst zu verbreiten, ohne dass man ein Label braucht. Konzerte können besser organisiert werden, weil man eben alle Infos über das Netz verbreiten kann. Der eigene Merchandise kann über einen mal eben hochgezogenen Onlineshop verkauft werden usw. Eine der Stärken des Punks war ja immer DIY. Also vieles selbst zu machen und nicht blind zu konsumieren. Diese Stärke wurde durch das Internet noch einmal drastisch multipliziert.
Was wollt ihr den (Jung)Punx von heute noch “mitgeben”? Ist Punk wirklich politisch? Nimmt man, respektive jetzt ihr, Einfluss auf die Gesellschaft, wenn auch nur im Kleinen?
Ich habe einmal in einem Interview auf die Frage was Punk eigentlich ist geantwortet: Frage 1000 Punks was Punk ist und du bekommst 1000 verschiedene Antworten. Und genau das ist Punk!
Punk ist durchaus politisch. Sobald du eine Meinung zu etwas hast, ist es meiner Auffassung nach politisch. Ob es immer in eine Himmelsrichtung passt, mag einmal dahingestellt sein.
Als nächstes gibt es eine weitere Folge der Buchrreihe “… für Dummies” (ersetze “…” durch Punk). Gibt es irgendwelche Tipps, die wir schon mal in unser Notizbuch kritzeln sollten?
Herzlich willkommen. Schön, dass ihr Punk als Lebensweg gewählt habt. Damit habt ihr den Jackpot geknackt. Ihr habt euch für ein lustiges, aber auch kritisches Leben entschieden bei dem Nachdenken und Mitgestalten gefordert sein werden. Seid tolerant, aber lasst euch nichts gefallen, wenn andere nicht tolerant zu euch sind. Und vor allem: Habt Spaß bei dem was ihr tut!
Vielen Dank Andy!
Platte ist beim bandeigenen Label Impact Mailorder zu bekommen.
Nächste Konzerte sind auf dem Resist to Exist Festival und auf dem Save the Scene Festival.