Jan Off, der Mainstreamer unter den Undergroundschriftstellern hat ein neues Buch veröffentlicht und wenn man seinen Posts in den Sozialen Netzwerken Glauben schenken möchte, dann sollte es eigentlich ein waschechter Porno werden. Der Titel “Nichts wird sich niemals nirgendwo ändern” deutet es aber schon an: Es geht eher weniger um Sex, sondern um etwas viel Frustierenderes. Die Mechanismen der Macht, die Politik der neoliberalen Kapitalisten, die Abschottung der einen Welt gegen die anderen Welten- der Rechtsruck zieht sich durch viele Teile der Gesellschaft. Da ist es ganz logisch, dass sich Widerstand gegen diese Zustände formiert, womit wir hier quasi in den Plot des Romans einsteigen. Vier junge HamburgerInnen planen ein Zeichen gegen den Irrsinn zu setzten und als leuchtendes Statement die Weihnachtstanne auf der Binnenalster anzuzünden.
Wir begleiten die AktivistInnen bei der Planung und der Vorbereitung dieser Aktion, denn da sind sich die vier einig: Sowas bedarf eines gründlichen Trainings und zahlreicher Treffen, bei denen auch jede Menge besprochen, doch eines eigentlich immer ausgeklammert wird: Wie sind die Gefühle der einzelnen Protagonisten zueinander und aus welchem Antrieb will sich wer, wie und warum engagieren. Off beschreibt hier in klarer Sprache, dass die Emotionen zwar einerseits der Antrieb sind, andererseits aber die ganze Unternehmung auch gefährden können.
Der Roman nimmt uns aber auch mit auf eine Reise zu den großen Demoschauplätzen der letzten Jahre, wir blockieren Straßen , erobern die Straßen zurück, rennen weg und verstecken uns vor den Bullen. Wir verzweifeln gemeinsam mit den Demonstranten und freuen uns über kleine Erfolge beim Kampf gegen Nazis. Das schreibt der Autor so lebendig, dass man erstens merkt, dass er weiß wovon er schreibt und zweitens gerät man beinahe selbst außer Atem, so sehr fühlt man die Situationen. Natürlich ist das manchmal ein bisschen klischeehaft, aber das Leben , der Kampf und die Liebe sind halt oft ein einziges Klischee. Übertrieben und kitschig, aber authentisch. Jan Off versieht aber selbst diese Szenen mit seinem typischen Humor, der das ganze Buch durchzieht und es äußerst kurzweilig macht.
Ein weiterer, ganz anderer Erzählstrang lässt uns einen Herrn kennenlernen, der in der Straßenbahn die vermeintliche Liebe seines Lebens sieht -Liebe auf den ersten Blick- und alles Erdenkliche tut um die Identität der Dame herauszufinden. Ob ihm dies gelingt, lasse ich an diese Stelle genauso offen wie die Frage, ob die vier Weltverbesserer erfolgreich sein werden; verraten werde ich aber, dass Off es tatsächlich schafft diese zwei konträren Erzählstränge am Ende zusammenfließen lassen.
Gibt es eigentlich schon das Genre Antifa-Roman? Jan Off hat mit “Nichts wird sich niemals nirgendwo etwas ändern” nämlich genau so einen Roman geschrieben und zwar einen, der richtig Spaß macht, der mit dem Finger wiederholte Male in die Wunde der linken Befindlichkeiten stochert und trotzdem Bock auf Widerstand macht. Und das ist in Zeiten, in denen trotzige Leerdenker die Straßen und den Volkswillen für sich beanspruchen, doch auch einfach mal schön und wichtig.
Jan Off ist endlich wieder zum Ventil Verlag zurückgekehrt, hier gehört er hin, denn kein anderer Verlag deckt die unterschiedlichsten Aspekte der Underground Bewegungen besser ab als eben jener. Vielleicht findet sich dann demnächst ja noch ein antifaschistischer Porno den Weg ins Portfolio. Mich würde es freuen und lesen würde ich ihn erst recht.
ISBN: 9783955751364
18€
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |
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