Der mir unbekannte Augsburger Johannes Dees hat mit „Move On Move on“ (2020) ein Album vorgelegt, welches seinen Hörer herausfordert. Aber dazu später mehr. Johannes Dees, der sich selbst auch als Lyriker versteht, mischt auf vier Seiten (17 Tracks mit 70 Minuten Laufzeit) mit seinen diversen Mit-Musikern elektronische Musik mit alternativen Sounds. Das ist erstmal kein falscher Ansatz, aber manchmal wird ein wenig zu mutig gemischt, soll heißen, selbst mein experimentierfreudiges Ohr hat dann seine Grenzen. Nicht alles, was geht, macht Sinn bzw. gefällt. Wobei ich zugeben muss, dass gerade die instrumentalen Tracks des Doppel-Longplayers für mich die stärkeren Momente ausmachen.
“Move on Move on” als Metapher des Beweglichen ist die große Klammer um das Album und auch als Konzept zu verstehen. Aber keine Angst, Stillstand, auch im Sinne kreativer Ideen, wird auf den vier Seiten nicht passieren. Die Kapelle mischt drauf los wie einst die Alchemisten, mit manchmal ebenso zweifelhaften Ergebnissen. Der Hexenmeister schraubt sich mit Detailfreunde seine völlig neue Musik-DNA zusammen. Die Bausteine des Lebens sind dabei Posaune, Keyboards, Bass, Percussion und Gitarre.
Dazu kommen Texte, die mit teilweise babylonischem Stimmengewirr vorgetragen werden. Diese multilinguale Attacke bedient sich zahlreicher Sprachmelodien, lebt aber von der sehr speziellen eigenwilligen Art des Wort-Vortrags, was Tempo, Betonung und Timing angeht. Wobei die Texte manchmal an die Naivität der NDW erinnern, dann wieder an Dadaismus und dann wieder einfach an Reime, Zitate in bekannter Form oder neu zusammengesetzt. Selbst Psalme aus der Bibel werden herangezogen und in den Song neu integriert. In Summe kann ich der Performance intellektuell nicht folgen, was mich besonders bei den Texten, dann einfach nur ratlos zurück lässt.
Das Video zu “Passion for the Highway” will ich euch nicht vorenthalten, denn es ist durchaus wert sich anzuschauen und auch der Song ist definitiv einer der besten des Albums.
„Ich fühl mich wie gerädert“ singt Johannes Dees im Song “Geteert und Gefedert” und so geht es mir am Ende der vier Seiten auch ein wenig. „Move on Move on“ polarisiert definitiv, man wird es lieben oder eben nicht mögen. Ich komme mit dieser sperrigen Free-Jazz-Attitüde nicht klar. Gleiches gilt für die Songs, die mit Chanson-Flair daherkommen. Ebenfalls Minuspunkte für mich, die Instrumentalisierung mancher Songs und die extrem gewöhnungsbedürftige Art des Textvortrags.
Die sehr markante, eigenartige Gesangstechnik und das Spielen mit den Sprachen und den Silben macht es für mich einfach zu heterogen und ambivalent. Daneben gibt es wie gesagt auch einige, insbesondere die Instrumental-Tracks, die durch verqueere NDW-Ästhetik, Club-Atmosphäre und elektronischen Elementen positive ins Gewicht fallen und für mich die stärksten Momente des Albums darstellen. Diese Tracks auf einem Vinyl und ich wäre glücklich. Ich bin mir aber sehr sicher, dass es Hörer gibt, die genau nach diesem faszinierenden Hörspiel, total begeistert sind. Wer sich das zutraut , seinen Horizont erweitern möchte oder einfach mal Bock auf etwas völlig Anderes hat, sollte in „Move on Move on“ reinhören und es hier bestellen.
Lagartija Nick März 2021