Köln überrascht mich immer wieder…es gibt wirklich eine Menge interessanter Bands aus der Stadt mit der Bahnhofskirche. Zuletzt haben mich Gong Wah mit “A Second” richtig begeistert. Nun liegt das Produkt des Trios KRATZEN auf dem Plattenteller und wartet auf eine Rotationsbewegung.
Doch kurz ein Blick auf die Verpackung: sowohl Front-, als auch Back-Cover sind unichromat in einem Blauton gehalten. Lediglich auf dem Frontcover erlaubt man sich eine kleine Unterbrechung für Bandnamen und Albumtitel – ersteres in Majuskeln gedruckt, während der Titel “zwei” in Minuskeln rechtsbündig darunter zu finden ist. Das Cover erinnert mich in seiner Schlichtheit an die Cover des englischen Grafikdesigners Peter Saville, der wegweisende Cover ersann, wie “Blue Monday” für New Order oder das legendäre Logo des Factory Labels.
Im Innenbereich finden wir ein beidseitig bedrucktes Beiblatt mit den Texten von “zwei”, sowie einem Bild der Band – vermutlich am Rhein – sowie einigen zusätzlichen Informationen, die uns zum Beispiel verraten, das Text und Musik von der Band stammen, welche Tracks auf die Seiten verteilt wurden, wer da namentlich in der Band spielt, sowie die Daten zum Studio, Produktion, etc. Alles schön schlicht gehalten.
Um ehrlich zu sein, war ich zu diesem Zeitpunkt schon sehr neugierig, mit welcher Musik mich nun KRATZEN begrüßen würde, denn bei mir hat die Verpackung Lust auf mehr gemacht. Es kam eine wunderschöne Basslinie zum Einstieg von “Die Nacht”, einem Song über das Aktivsein bei Nacht. Der Song klingt in der Tat sehr nach Kraut und Wave. Eine gewisse Verschrobenheit des Kraut durch die Gitarren und diese unterkühlte Art des Wave, die hier durch den Gesang und die mantrahafte Wiederholung der Basslinie, machen den Song geradezu unwiderstehlich.
Bei “Tu Crois” bin ich schon Fan von KRATZEN. Genial punktierte Gitarren, die mich im Klang an die guten alten Gitarren von Sonic Youth erinnern, mischen sich mit einem französischen Refrain: tu Cross Queen ca va – du denkst, es ist okay. Genial.
Dann kommt mein Lieblingslied auf Seite A “Reise”. Hier handelt es sich um die zweite Single, welche im September veröffentlich werden wird. Auch hier gibt es musikalisch mal garnichts zu beanstanden. Im Gegenteil, KRATZEN schaffen, verstärkt durch ein Orgelspiel, mir Reisebilder in den Kopf zu zaubern. Und der Text:
Wir gehen auf eine Reise
Wir heben einfach ab
Wir ahnen, das die Landung
Nicht besonders gut klappt
Entsprechende Samples am Singende vermittelten dann eine Art von Flughafen-Atmosphäre(?) oder ähnlichem, was das Thema Reise verstärken soll.
Bei “Still” wird es dann stiller und ein wenig nachdenklicher. Schön, hier wird der männliche Gesang durch eine Frauenstimme ersetzt, die, wenn auch teilweise mit Mehrstimmengesang verstärkt, zu einem Orgelmotiv, den Song extrem authentisch interpretiert.
Die A-Seite wird von einem Wall of Sound der Gitarren bei “Unten” beendet und erinnert mich an alte Songs von Blumfeld. Hier wird richtig schön geschrammelt und der Blick auf die Dinge verdreht. “Unten” zeigt wie es sein könnte, wenn die Dinge mal anders wären, als wir sie sehen. “Im Loft ein Obdachenlosenheim” in der ersten Zeile oder “Das KaDeWe faked prima-shirts” sind messerscharfe, fast böse Statements über eine andere Art die Dinge mal zu sehen. Bis hierhin wirklich einwandfrei mit hohem Spaßfaktor für Ohren und Hirn.
Die B-Seite wird von “Alles” eröffnet und kurz dürfen Synthies mal ein wenig Teppichware verlegen, bevor die Schrammel-Gitarrren stoisch wieder übernehmen und diesen typischen KRATZEN-Sound erzeugen. Hier kommen die Drums schön zum Einsatz. Fast Voodoo-mäßig unterstützen sie repetetiv den Song, der auch durch den Text mit seiner ständigen Wiederholung des Wortes “Alles” sehr monoton sich in die Ohrmuschel einnistet.
“Klug und kühl” beschäftigt sich mit der Industrialisierung durch Maschinen und Robotern. Daher kommt der Song auch ein wenig mechanisch unterkühlt rüber. Die Gitarren schrammeln ein wenig anklagender, während die Rhythmus-Sektion den Song toll in seinem Ablauf unterstützt.
Es folgt die zweite Single der Band auf ihrem zweiten Album. “Glauben” vorgetragen von einer der beiden Damen, hat einen der besten Texte des Albums. Nachdenklich wird über die Motivation der Menschen referiert, während Gitarren wieder einen schorfigen Gesamtsound erzeugen, der im Gegensatz zu klaren weiblichen Stimme steht. Die Basslinie – auch hier wieder – sehr wavemässig interpretiert. Das ein oder andere Zitat von Ikonen wie Joy Division oder The Cure erklingt dann doch mal. Es gibt schlechtere Vorbilder, die man zitieren kann und bei KRATZEN klingt es wie aus einem Guß.
“Was uns verbindet” ist wahrscheinlich der ruhigste Song von “zwei”. Spärliche Musik läßt viel Raum für den Text, der von einer Beziehung erzählt, die sich wohl eher aus den gemeinsamen schlechten Erlebnissen nährt, als an den schönen guten Situationen. Auch hier steckt für mich eine Menge Humor und Sarkasmus im Text.
Am Ende drücken KRATZEN noch mal auf das Gaspedal. Bei “Geheimnis” dominieren am Anfang monotones Gitarren- und Bassspiel, welches nur wenig variiert wird. Umso deutlicher prägen sich die Worte des Textes ein: das dunkle Geheimnis, welches ein fiktives “Du” zerreißt und dominiert. Es scheint eine völlig ausweglose Situation zu sein. Auch die hallenden Gitarren verhallen im Nirgendwo und verstärken so die Atmosphäre des Songs. Definitiv ein eher im Wave verankerter Song, der durchaus mal auf die Tanzfläche locken könnte.
Hier die erste Single “Glauben” des Album “zwei”.
“Reise” ist die zweite Single aus August.
Kurz am Schluß… wer deutschsprachige Musik mag, mit Tendenz zu Kraut, Wave und guten Texten, wird das Album lieben und es sich beim Vinyl-Dealer seines Vertrauens besorgen. Allen anderen sei gesagt, sie verpassen ein wirklich tolles Album, welches für mich bereits schon in die engere Auswahl meiner persönlichen Jahresfavoriten aufgestiegen ist. Erscheinen wird “zwei” von KRATZEN am 23. September diesen Jahres.
Wer mag, kann KRATZEN auch live bewundern, am 21. bis 24. September auf dem Reeperbahn-Festival oder am 25. September das Album-Release-Konzert in Köln im Blue Shell, zusammen mit Monoteur, den wir auch schon hier auf Vinyl-Keks besprochen haben.
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