Es ist ja unglaublich. Aber schaut man auf die Vita der Band Linhay, so erfährt man, dass die vier Jungs aus Kiel kommen. Wenn man das Album hört, könnte man meinen, sie kämen ganz und gar nicht aus Deutschland, sondern eher aus den Staaten, so wie alle bekannteren Emo-Bands, die sich in den 90ern aus der Midwestern Emo – Szene herauskristallisiert haben. Hier sprechen wir z.B. von American Football, Mineral, The Promise Ring, The Get Up Kids, … und so weiter! Und Linhay sind nicht in den 90ern steckengeblieben, denn ihr neues Album ‚On how to disappear‘ ist im Rahmen des Bandcamp-Fridays am 04.09.2020 über Bloodstream veröffentlicht worden – also taufrisch! Die gesamten Einnahmen wurden hieraus an Seawatch gespendet. Tolle Sache! Der Midwestern-Emo erfährt derzeit ein kleines Revival, so bringen doch Bands oder Musiker wie Into it. Over it. und Tiny Moving Parts immer wieder auch Alben raus, in dem sie dem, im Wesentlichen, diesem Genre weiterhin treu sind. Natürlich sind hier und da auch Nuancen anderer Genres zu erkennen.
Linhay bringen aber ihren eigenen kreativen Sound mit dem Midwestern Emo zusammen. Der Alternative schwimmt in den Indie-Rock – Strom, der mit Post-Rock-Elementen und schrammeligen Pop-Punk – Faustkämpfen das Spektrum ihres Schaffens erweitert. Und das ist auch gut so. Sie haben sicherlich nicht das Rad erfunden, haben aber einen Weg gefunden, ihre Art von Musik so unterzubringen, dass es ihr Ding ist.
Das Album lädt zum Träumen ein. Es wird einem Raum und Zeit gelassen, sich auf Text und Musik einzulassen. Ein gewisser Eskapismus, der hier allein durch den Albumtitel vermittelt wird, ist nicht zu verleugnen, träumt man sich dann doch hin und wieder in seine Traumwelt. Das passiert mir des Öfteren, wer schon meine anderen Rezensionen gelesen hat. Aber am Ende kehrt bei ‚La Lune‘ die Zuversicht in Form der Textzeile „…you will be allright…“ und dem morgendlichen Vogelgezwitscher zurück.
Persönlicher Lieblingssong ist tatsächlich nach mehrmaligem Durchlauf des Albums der ‚Interlude: A slightly disorientated butterfly‘ mit dem Screamo-Part ab dem Mittelteil. Ich bin sonst nicht der Screamo – Freund, finde ihn hier aber in Verbindung mit dem Hall und auch mit den vorangegangenen Songs sehr passend, da er dem Großen und Ganzen nochmal etwas Wasser unterm Kiel spült. Der im Songtitel erwähnte Schmetterling, der anfangs noch orientierungslos umherschwirrt, wird am Ende doch noch der Schmetterling, der mit Freude durch die Lüfte schwebt. So oder so ähnlich. Ich hätte sicher nichts dagegen, wenn sie das mit dem Screamo-Part noch weiter ausbauen. Grundsätzlich aber ist Linhay mit ‚On how to disappear‘ die Feuertaufe mit dem Debüt gelungen. Gut vorstellen kann ich mir ein Konzert der Jungs auch in einer Kirche – oder ein Album, welches in einer Kirche aufgenommen wird – so wie es Arcade Fire mal mit ‚Neon Bible‘ gemacht haben.
Ich musste zudem etwas schmunzeln als ich sah, dass der Nachname des Sängers Jörn, Borowski ist, was mich wieder sehr an den Kieler Tatort mit Kommissar Borowski erinnerte. Nun werde ich bei jedem Kieler Tatort immer wieder an Jörn und seine Band Linhay erinnert. Vielen Dank dafür! 😉
Erwerben könnt ihr das Album in 2 Farben (clear und schwarz) hier
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