Mad Butcher Records rereleased derzeit auf dem hauseigenen Sublabel Mad Butcher Classics ein paar eben solche. Vornehmlich Bands aus dem UK, die zur Hochphase des Punks von der Insel wie Pilze aus dem Boden schossen. So auch Major Accident. Klar, dass bei der Fülle der damaligen Bands nicht jede zum Klassiker heranreifen konnte. Aber wer hat denn auch schon immer nur Lust auf Champignons?
Umso besser, dass Mad Butcher Classics sich außerdem sein eigenes Verständnis für Klassiker geschaffen hat und uns dadurch die etwas weniger bekannten Gewächse näher bringt. So auch die hier vorliegende Platte „Pneumatic Pneurosis“, ursprünglich 1985 auf Flicknife Records erschienen. Platte trifft es dabei auch nicht ganz, denn es handelt sich um eine Compilation der Major Accident – Singles von 1983 und ’84. Auch wenn sich eifrige Sammler immer wieder gerne über solche Alles-in-einen-Topf-Releases ärgern, nachdem sie mühselig sämtliche Veröffentlichungen zusammengetragen haben, finde ich die Wahl für diesen Rerelease doch sehr gelungen, da sie auf kompakte Weise einen Überblick über das Schaffen von Major Accident liefert. Für den Bettelknaben, der sich auch mal Trüffel gönnen will also genau das Richtige.
Serviert werden einem dann auch ohne große Umschweife elf Songs, die sich damals auf vier Singles („Leaders Of Tomorrow“, „Fight To Win“, „Mr. Nobody“ und „Respectable“) verteilten. Die Drums schön rumpelig nach dem guten alten Gustav-Prinzip und die Snare, genreüblich, immer etwas zu grell. Das mag Dave Lombardo zwar nur ein müdes Lächeln abringen, muss aber bei dieser Musik genau so sein. Das macht den Charme aus und ist eines der wesentlichen Merkmale der damaligen Punkbands aus dem UK.
Auch sonst haben Major Accident ihre Hausaufgaben in punkto Sound und Songwriting gemacht. Der Bass schön hölzern, die Gitarren leicht mit Chorus behaftet und hier und da mal eine Melodie oder ein simples Solo aufblitzen lassend. Und dann natürlich Singalongs. Jede Menge davon. So wollen wir das haben und auf „Pneumatic Pneurosis“ klingt das auch noch real, weil die Compilation eben den damaligen Spirit inne hat. Da können die Spätgeborenen natürlich nix für, aber genau diesen Spirit scheint es wohl nur damals gegeben zu haben und dieser wird deshalb von neueren Bands des Genres oftmals vergeblich versucht zu kopieren. Ob es daran liegt, dass die unsägliche Margaret Thatcher bereits vor 30 Jahren abgedankt hat, oder eher daran, dass sich die technische Entwicklung für manche Genres nicht immer unbedingt positiv auf den Sound und die Ästhetik der Musik ausgewirkt hat? Man weiß es nicht. „Pneumatic Pneurosis“ jedenfalls eignet sich für Nostalgiker und Einsteiger gleichermaßen. Danke Mad Butcher Records für die Neuauflage dieser Compilation!
Einziger Wermutstropfen: das überflüssige „The Glorious 9th“, eine dem eben beschriebenen limitierten, weil Punk-Sound angepasste Intonierung von Beethovens Neunter. Genauso blöd, wie die Toy Dolls-Version der kleinen Nachtmusik. Aber vielleicht hab ich da was nicht mitbekommen und es gehört für nordenglische Punker zum guten Ton, sich in die Klassik zu verirren. Oder wird dadurch erst der Klassiker-Status legitimiert? Riedinger, werd‘ nicht albern! Reicht doch wenn Major Accident es an dieser Stelle wurden.
Wo wir’s gerade von den Toy Dolls hatten, auch wenn deren funny Note bei Major Accident gänzlich wegfällt, so dürfen Fans der Spielzeugpuppen hier trotzdem bedenkenlos zugreifen. Ebenso die der Angelic Upstarts, von Sham 69, der Adicts, von Chelsea, der Vibrators, den UK Subs und all den anderen bekannten oder weniger bekannten Pilzen dieser Zeit. Probiert Major Accidents „Pneumatic Pneurosis“ gerne mal aus und entscheidet selbst, ob Trüffel oder Champignon. Wohl dem der beides mag.
Zum Artwork: dieses wurde original und eins zu eins übernommen. Was sonst? Wie für solche Zusammenstellungen nicht unüblich, weil äußerst sinnvoll, sind die vier Cover der ursprünglichen Singles abgebildet. Auf der Rückseite dann ein ziemlich slangiges Grußwort eines gewissen Alex, der die Compilation selbstverständlich in den Himmel lobt. Kann er auch. Marginale Infos zu den einzelnen Songs runden die Sache ab. Mehr muss man auch nicht wissen.
Erhältlich ist die Pilzpfanne, na logo, beim einzig waren Metzger: Mad Butcher Records.
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