Ich halte das Cover in den Händen und sehe eine junge, attraktive Frau, rothaarige Mähne, vor einer Felsformation stehend, offenbar am Meer. Natürlich denke ich sofort an eine Musikerin aus Irland, vielleicht Schottland, die ihre Folkmusik zum Besten geben wird.
Gespannt schaue ich dem Tonarm hinterher, der jetzt in der Rille seinen Weg sucht. Nach 10 Songs, 38 Minuten und 15 Sekunden später, landet die Nadel in der Auslaufrille und ich lausche noch Minuten einem rhythmischen Knacken. Ich gebe zu Mala Oreen hat mich erwischt. Das Album „Awake“ hat sich vom ersten Ton an in meinem Kopf festgesetzt. Alles ist stimmig, die Akustikgitarre, die Arrangements und vor allem diese Stimme, die einen wirklich zum Träumen bringt.
Die gute Mala ist ein wahres Musiktalent. Schon mit neun Jahren beginnt sie mit klassischer Gitarre und Gesang. Irgendwann begann sie sich für Americana und Irish-Folk zu interessieren. Gott sei Dank, kann man sagen, den auf „Awake“ kann man erleben, wie Mala mit diesen beiden Spielarten umgeht, die sie beide perfekt beherrscht.
2009 gründet sie ihre erste Band, 2011 erschien das erste Solo-Album und 2014 das bisher letzte Album der Band. Dann war erstmal Ruhe. 2021 kommt dann ihr zweites Solo-Album auf den Markt. Eine lange Zeit, zugegeben, aber Mala erklärt, dass sich in dieser Zeit entscheiden musste, wie es weitergehen sollte, Band oder Solo. Sie spricht von einem langen Prozess der Findung, denn Musik war vorher ein intensives Hobby neben der Arbeit in der Pflege.
Mala ist Tochter mit Eltern aus den USA und der Schweiz und die Mutter ist es auch, die Mala dem Folk der 50er und 60er Jahre näher bringt. Das Irische brachte ihr ein Orchester-Kollege näher. Obwohl mit klassischer Musik aufgewachsen, wendet sich Mala Americana und dem Irish Folk zu.
So ist es keine Überraschung, dass das Album in Nashville unter der Regie von Nelson Hubbard entstand. Da sie mit diesem ur-amerikanischem Setting und amerikanischen Studiomusiker keine Erfahrung hatte, spricht Mala Oreen von einem Herantasten während der Arbeit im Studio.
Am Ende ist Mala dann doch sehr zufrieden mit sich und dem Album und gibt zu, dass „Awake“ so eine Art Selbstfindungsprodukt geworden ist. „Das würde ich schon sagen. Ja“, bestätigt Mala, „der ganze Prozess spiegelt sich auch in meinen Texten wider – diese Suche nach mir selbst, nach meinem Sound, meinem Weg.“
Gleich der erste Song „Ragged Queen“ fängt mich ein. Ich denke an Country und Bluegrass. Mala singt hier so zart und ausdrucksvoll mit klarer, emotionaler Stimme. Mutig, so einen Song an den Anfang eines Albums zu stellen. Im Song spricht sie immer wieder von einem „fallen leave“, dass der Erklärung nach in den Bergen von New Mexico ihre Aufmerksamkeit erregte und sie begann daraus Sätze zu entwickeln, aus denen dieser wirklich fantastische Song entstand. Irgendwie ist dieser Song mir am meisten im Gedächtnis geblieben, so dass er für mich der Song von „Awake“ ist.
Eigentlich könnte Mala hier aufhören, denn manches Album hat in Summe nicht so eine Ausstrahlung wie ihr Opener. Die Songs sind meist eher zurückhaltend arrangiert, manchmal etwas forscher und breiter, aber nie aufdringlich. Die Stimme im Vordergrund, ordnet sich der musikalische Rest unter und verbleibt in Reihe zwei. Daraus entsteht eine Magie, die sich auch in „Soldier on“ zeigt. Cello und akustische Gitarre gehen eine wunderschöne Verbindung ein, deren Schönheit sich niemand entziehen kann. Ein wenig erinnert Stimme und Atmosphäre an Joni Mitchell.
Mala Oreen gibt auf „Awake“ Vieles von sich preis und so ist das Album sehr persönlich und authentisch. Man nimmt Mala die Texte ab – sie weiß, wovon singt. Ich würde das Songwriting als überdurchschnittlich beschreiben. Das ist deutlich über dem durchschnittlichen Radiogedudel. Ihre größte Waffe und Stärke ist diese Stimme, die einfach wohltönend klingt und sich anfühlt wie ein guter alter Whiskey, der sich warm den Weg in deinen Körper sucht. Fans des Genres sollten oder müssen hier zuschlagen. Mala Oreen hat mit „Awake“ ein Album geschaffen, das in Erinnerung bleibt und auch nach mehrmaligem Hören immer wieder neue Details ans Trommelfell bringt. Ein Album für die lange Autofahrt durch die Nacht oder über Land, zum Träumen oder einfach zum Genießen. Eines der besten Singer- Songwriter-Album der letzten Monate.
Erschienen im Januar des aktuellen Jahres, ist das fantastische Album hier zu bestellen.
Gute Empfehlung, Thomas!