Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. “Kratermusik”, das neue Album der 2010 in Münster gegründeten Band Messer ist bereits am 01.03.24 auf Trocadero erschienen. So weit, so nüchtern, so unspektakulär. Nun ist es aber so, dass das Quartett, bestehend aus Hendrik Otremba (Gesang), Pogo McCartney (Bass, Synthies, Backing Vocals), Milek (Gitarre, Synthies) und Philipp Wulf (Drums, Percussion) offiziell als Post-Punk-Band gehandelt wird. Das hier, dieses “Kratermusik”, ist aber so viel mehr.
Schon nach wenigen Takten des Openers “Frieden Finden” muss ich unweigerlich an The Clash denken. Genauer an deren wohl beliebtestes und erfolgreichstes Werk “London Calling”. Kurz hinterfragt, warum und dann auch klar: es ist v.a. das treibende und gleichzeitig hochmelodiöse Bassspiel. Beim zweiten mal Hinhören wird zusätzlich klar, auch die restliche Instrumentierung trägt ihren Teil dazu bei. Waren die Punk-Mitbegründer The Clash mit “London Calling” etwa selbst schon Post-Punk? Egal. Das hier ist – jedenfalls in meinen Ohren – eine herrlich erfrischende Erinnerung an Joe Strummer und Co. und auch an die damalige Ära.
Song Nummer 2, “Schweinelobby (Der Defätist)” setzt da sogar noch einen oben drauf. “Rock The Casbah” (vom The Clash-Album “Combat Rock”) auf Deutsch, ohne dass der Song sich als plumpes und dreistes Diebesgut entpuppt.
“Der Atem” dann an dritter Stelle grüßt The Police aus 2024 und bildet damit einen seichten Übergang zu anderen, auf “Kratermusik” vorhandenen Sounds. Wave ist dabei, NDW, Dub und Off-Beats. Und Deutschpunk der Marken EA80 und mit viel Fantasie, auch wenn’s nicht ganz so düster zugeht, Fliehende Stürme und/oder Chaos Z.
Über all diesen spezifischen Begriffen könnte man Messer zusammenfassend auch als Popband bezeichnen. Zwar etwas schwammig, der Begriff, aber Messer liefern hier nun mal – auch dank der eingängigen Produktion in Eigenregie zusammen mit Alexander von Hörsten – eine Popplatte ab. Eine sehr gute Popplatte wohlgemerkt! Wozu es wahrzunehmen keine zwei Hördurchläufe braucht, ist die ausgezeichnete Arbeit in allen Bereichen. Das ausgeklügelte Drumming nebst Percussion, die vielschichtige Gitarrenarbeit, der stets supi passende Gesangsstil und den Bass, den hatten wir ja schon. All das zeugt von qualifizierten Fachkräften trotz allgemeinem Fachkräftemangel im Hause Messer.
Auch wenn spielerische und musikalische Qualität auf hohem Niveau nicht zwangsweise eine gute Platte ausmachen, oder eben andersrum gesagt, es auch Bands schon mit weitaus weniger Können geschafft haben, gute Platten zu produzieren, Messer verbinden ihre Fähigkeiten mit ihrem Stil geradezu perfekt und ich kann mir “Kratermusik” sowohl zum stillen Genießen, als auch auf dem Dancefloor vorstellen.
All das mag sich womöglich auch Mille Petrozza, musikalisch mit seiner Band Kreator eigentlich ganz woanders beheimatet, gedacht haben, weshalb er sich zu einem Gastauftritt im Song “Grabeland” bereit erklärt haben mag. Kommt auch gut und lädt zum Schmunzeln ein, sein dezent beigemischtes Gekeife im Wavegewand.
Thrashmetalsänger und musikalisches Können bei Messer? Nun schaut nicht so bedröppelt, liebe Postpunker*Innen. Ich bin mir sicher, “Kratermusik” wird auch euch, die ihr es ansonsten wahrscheinlich etwas minimalistischer mögt, richtig gut gefallen. Die Grundstimmung sowie die verschachtelten, mitunter auch metaphorischen Lyrics allein dürften eure Bedürfnisse schon stillen. Der Rest, wie geschrieben, ist eh vom feinsten. Zwölf Songs und kein Ausfall, alles schön verpackt in bedruckter Innenhülle und einem doch schon sehr postpunkig anmutenden Artwork. Zwei Daumen hoch für Messer und “Kratermusik”, zu haben unter anderem bei JPC.