Beim ersten Durchhören dachte ich nur: was ist das denn? Wie soll ich das denn rezensieren? Was da als Hörer auf dich einprasselt, ist kaum zu fassen! 13 Songs unter 35 Minuten klingen erst mal nach guten Punk, sind aber ein Genre-Mix ohne gleichen.
Moor Mother (ihr richtiger Name ist Camae Ayewa) stammt aus Philadelphia, Pennsylvania und ist eine Klangkünstlerin. Sie ist in der Pandemie wirklich steil gegangen und hat seit Beginn des letzten Jahres bereits ihr viertes Album herausgebracht. Insgesamt ist sie schon ein paar Jahre aktiv – das erste Album erschien 2015 als Tape.
Musikalisch fügen Moor Mother, Prozent Olof Melander und Gäste wie Elucid, Antonia Gabriela, Brother May, Lojii, Bely, Orion Sun, Pink Siifu, Happy Nina, Maasai, Hatta, Dudù Kouate, Black Quantum Futurism und Elaine Mitchener HipHop-Beats, Jazz- und Sprach-Samples, Einflüsse aus ethnischen Musiken, irritierende Klangfetzen, Spoken Word und Rap, Hörspielelemente, fremde Stimmen und eigene Betrachtungen, Schwarze Literatur, Afro-Futurismus und Black Lives Matter, Sozial- und Religionskritik, Politpropaganda und Philosophie zu einem faszinierenden Gesamtkunstwerk zusammen. Es vergeht keine Sekunde ohne Überraschung. Soweit ich mich erinnern kann, war Moor Mother mal Thema bei der Sendung “arte tracks”. Auf der Plattform “Album of the Year” erzielt “Black Encyclopedia of the Air” 80 von 100 Punkten mit einer Höchstwertung von 94 Punkten(!). “With Black Encyclopedia of the Air, Moor Mother uses her genre-agnostic style to tackle to world’s most popular genre and make it undoubtedly her own.”
Gefühlt ist es auf “Black Encyclopedia of the Air” fünf nach Zwölf und das Album will nicht retten. Lernt besser schwimmen, sonst spült euch diese Beatsuppe einfach weg. Schwarze Materie auf dreizehn hypnotischen Songs wollen keine Gefangenen machen, sondern über Erinnerung, soziale Konditionierung und eine mögliche Zukunft berichten, die uns alle durch den unberührten Raum wehen wird.
Moor Mother ist nicht festzulegen. Sie ist Kriegerin und Göttin, Mystikerin und Zeitreisende aus der Zukunft in einer Person, die schon seit Jahren versucht uns mit ihren Stücken ihre Botschaft unter die Schädeldecke zu hämmern. Auf “Black Encyclopedia of the Air” begibt sich Moor Mother und ihr Tross auf eine Reise in den düsteren, denkbaren Kosmos und navigiert durch schwarze Welten. So betrachtet ist “Black Encyclopedia of the Air” ein längst überfälliges Album. Aussage. Message. Statement. Moor Mother ist gegen das Internet, betrachtet es als Feind, den es zu vernichten gilt, durch den man sich aber zur gleichen Zeit von Seite zu Seite klickt. Wer das Album versteht, wird sagen: “Black Encyclopedia of the Air” ist so Anti-Post-Alles, wie es aktuell nur geht.
Abschließend sage ich, das “Black Encyclopedia of the Air” in keinster Weise Pop ist und gefallen möchte. Moor Mother ist anstrengend, will dich beschäftigen und für ihre Anliegen vereinnahmen. da kann es gut sein, dass es manchmal meditativ oder spirituell klingt – nie aber esoterisch. Diese Ebene läßt Moor Mother bewußt aus. Sie weiß genau, wie sie ihr Publikum abholen kann.
Moor Mother, die kriegerische Göttin, schafft es mit dem Album Hip-Hop to the roots zu führen und gleichzeitig einen spannenden Nährboden für die Zukunft zu schaffen.
“Black Encyclopedia of the Air” kommt mit einem ansprechenden Artwork und einer dark-purple-marbled Platte. Sehr stylisch.
Für neugierige, kaufwillige Hörer:Innen, hier geht es zur Bestellung.
Im Netz findet ihr Moor Mother unter: