Die österreichisch-britische Punkrock-Band Petrol Girls hat am 24.06.2022 über Hassle Records ihr drittes Album „Baby“ veröffentlicht. Als Teil der ständig wachsenden lauten, politisch aufgeladenen Rockszene ist „Baby“ auch ein beeindruckender Fortschritt in der Diskografie der Band selbst. Aufrührerisch, unverblümt und ehrlich feministisch verstecken die Petrol Girls ihre Meinung nicht hinter bunten Metaphern. Offensichtliche Vergleiche sind die IDLES oder Amyl and the Sniffers, aber „Baby“ zeigt, dass die Petrol Girls ihr eigenes Ding sind – und eine Notwendigkeit in der aktuellen musikalischen und politischen Landschaft.
Blessed is the fetus but goddamn the children in existence
Ihre Leadsingle „Baby, I Had an Abortion“ ist eine so offensichtliche Absichtserklärung, wie man sie nur bekommen kann. In nur zweieinhalb Minuten plädieren sie gekonnt für die körperliche Autonomie mit erschütternden Texten, während sie ihre Konkurrenten mit der Frage „Whose life are you pro?“ konfrontieren. Verzerrte Gitarren treiben den Song voran, aber es ist irgendwie der Gesang von Sänger Ren Alridge, der einen wirklich fesselt.
Die Texte stechen bei „Baby“ am meisten hervor, aber auch die Musik selbst darf nicht ignoriert werden. „Preachers“, das mit dem spannungsgeladenen Eröffnungsinstrumental „Scraps“ eingeleitet wird, sticht sowohl textlich, als auch instrumental, als Highlight des Albums hervor. Neben den rohen Emotionen, die der Song hervorruft, sind auch die Texte und Riffs raffiniert ausgearbeitet. Ohne eine Verschnaufpause einzulegen, starten die Petrol Girls direkt in „Feed My Fire“.
Der einzige Moment der Ruhe inmitten des Sturms ist „Unsettle“, das die Dinge auf ein Indie-Tempo verlangsamt – aber nur für einen Moment. Nach anderthalb Minuten sind wir wieder bei den krawalligen Vocals angelangt, die wir bereits von den Petrol Girls gewohnt sind. Klingt ungewohnt krass im Einschnitt. Vielleicht hätte ich hier einen oder zwei Songs in dem besagten Indie-Tempo gar nicht so verkehrt gefunden.
In „Fight For Our Lives“ und „Violent By Design“ ist Janey Starling zu hören, die britische feministische Aktivistin und ehemalige Leadsängerin der Dream Nails. „Fight For Our Lives“ bombardiert den Hörer mit einer Mischung aus Protestgesängen wie „You don’t own us“ und erschütternden Beschreibungen der Gewalt gegen Frauen in Großbritannien. Klanglich und textlich geht der Song über die Grenzen eines Punkrock-Songs hinaus und wird zu einem Protest. „Violent By Design“ hält diesen Schwung mit direkten Anspielungen auf Polizeigewalt aufrecht. Der Gesang im Refrain des Songs dient dazu, die Grausamkeit der Strophen zu unterstreichen.
Gegen Ende des Albums erreichen wir „Sick & Tired“, eine Abrechnung mit den nach wie vor bestehenden Ungleichheiten und Heucheleien, denen Frauen in der Musikindustrie ausgesetzt sind. Es ist ein weiterer Song, bei dem der Text der Star der Show ist. Die letzte Minute entwickelt sich zu einem perfekten Chaos, was man als Finale des Albums erwarten könnte, aber wahrscheinlich vorher nicht erwartet hat. Das eigentliche Schlussstück ist „Bones“, der längste Song des Albums, der zwischen krawalligem Noise-Rock und dem langsameren Tempo von „Unsettle“ schwankt.
Zu erwerben ist das Album bei Hassle Records, bei JPC und bei eurem Schallplattenhandel des Vertrauens.
Viel Spaß beim Hören und Entdecken!