“Mole” nennt Poolblood alias Maryam Said aus Toronto ihren zweiten Release. Und nach der 4-Track-EP “Yummy” aus 2019 kann man dieses Mal getrost von einem vollen Album sprechen, beinhaltet “Mole” doch satte neun Songs. Nun, der Maulwurf. Er hat ja irgendwie den Ruf des tapsigen und verletzlichen Gesellen weg, der sich zum eigenen Schutz besser fern hält von der gefährlichen Welt da oben. Auch die maulwurfsche Abbildung auf dem Backcover des Albums unterstreicht diesen Ruf. Warum könnte das nun wichtig sein? Poolblood bietet uns neunmal sehr intimen Pop, der durch seine teilweise atonal anmutende musikalische Umsetzung vermuten lässt, dass auch die non-binäre Künstlerin dahinter eine sehr verletzliche Seite hat.
Anders als der Maulwurf dagegen, will sie uns diese mitteilen und sich nicht im Erdreich verstecken. “Whisper in my ear. I’ve lost my point of being here. Sickness has overcome me. Sing me to sleep.” Vier Zeilen nur, die aber ausreichen, um nachvollziehen zu können, wie es um Poolblood stehen könnte. Nicht von ungefähr stellt der Song “Beam”, dessen Lyrics gerade zitiert wurden, das musikalisch düsterste Werk auf “Mole” dar.
Allerdings sind auch die restlichen Lyrics von entwaffnender Ehrlichkeit geprägt, nur greift Poolblood dabei zu anderen Stilmitteln. “Wfy” etwa wirkt mit seinen atonalen Arrangements aus Streichern und Hörnern spannend, herausfordernd und unterhaltsam zugleich. Oder “Shabby”, das dank seiner Melancholie an Poolbloods Landsmänner The Weakerthans erinnert – und somit für mich eines der Highlights auf “Mole” darstellt. Ein weiteres ist der Song “Twinkie”, plump gesagt, weil er am konventionellsten und somit am eingängigsten wirkt. Außerdem behält er was zum Schmunzeln bereit. Vermutlich unwissentlich, vielleicht aber auch nicht, hat Poolblood hier eins zu eins die Backgroundchöre vom Ton Steine Scherben – Klassiker “Wir müssen hier raus” adaptiert.
Raus müssen wir hier aber noch lange nicht. Ganz im Gegenteil. Poolblood demonstriert auf “Mole” eine eigene sowie eigenwillige Variante von Popmusik, die einerseits klare Assoziationen mit bekannten Trademarks moderner Popmusik vorweist. Andererseits aber auch die Gefahr birgt, dass jeden Moment etwas völlig unerwartetes passieren könnte. Das hält die Spannung hoch und lässt gar nichts anderes zu, als “Mole” gleich noch ein zweites Mal rotieren zu lassen. Diese Spannung unterscheidet “Mole” von vergleichbaren Kunstwerken und sorgt so für ein Alleinstellungsmerkmal für Poolblood.
Bei der Entstehung des Albums war Poolblood aber nicht auf sich alleine gestellt. Eine ganze Armada an Musiker*Innen stand ihr zur Seite, woran die Protagonistin selbst das Besondere an ihrem neuen Album ausmacht. “Der Einfluss der Verbindung zwischen uns … lebt, ist spürbar, da die Sensibilität jedes neuen Schlagzeugers, jeder neuen Gitarre oder jedes neuen Horns der Platte ein neues und spezifisches Element hinzufügt.” So wird sie auf dem Beipackzettel der Promoagentur zitiert und dem ist nichts hinzuzufügen.
Außer vielleicht die Namen der Mitwirkenden, die da wären Christian Lee Hutson, Eliza Niemi, Dorothea Paas, Grant Pavol, Victoria Bury, Annie Truscott, Nick Short, Drew Harmon sowie Jeremy Harmon. Soviel Zeit musste sein und Ehre, wem Ehre gebührt. Nun braucht aber das Album selbst wieder meine volle Aufmerksamkeit und somit bin ich für heute mit einer klaren Empfehlung von Poolbloods “Mole” raus.
Nur eins, zwei, drei noch: “Mole” wurde am 13. Januar vom Label Outside Music veröffentlicht, kommt auf wunderschönem Aubade Blue Vinyl zu euch und ist z.B. bei JPC zu haben. Viel Spaß!