Die Provinzpostille ist ein fettes Projekt als “Ein-Mann-Band”.
“Sommer, Sonne, Sonnenschein!”, denke ich mir. Am Naturstrand in der Bretagne im Sand schmökern macht das Faulenzen doch perfekt. Und deshalb packe ich in meinen Koffer: Die Provinzpostille #10. Es ist die Frühjahrsausgabe 2023. Was ich nicht ahne, das Wetter wird sich anpassen. Statt Sonnenschein gibt’s Regen – statt July gibt’s April skies and the world comes tumbling down. Also mache ich es mir zum Lesen im Zelt gemütlich. Irgendwann gehe ich aber trotzdem zum Strand und teste die Provinzpostille. Sie ist stabil, denn sie hält dem Nieselregentest stand.
Das Cover liebevoll von Hand in Linoleum geschnitten und gedruckt, präsentieren sich auf Käferpanzern und Tausendfüsslerrücken in altrosa Farbtönen die Namen der Interviewten.
Da kommt eine Möwe durch den Sand spaziert, um die Ausgabe zu inspizieren. Ob sie sich mehr von den rosa Insekten angezogen fühlt oder von dem spannenden Inhalt? Sie sagt’s mir nicht. Ich werfe ihr ein paar Chips zu und lese ihr den Text auf dem Bild von Pen&Paper mit dem Männeken im Regen vor: “Meine Weste ist nicht weiß und auch nicht Kugelsicher…mein Mantel ist nicht wasserdicht.”
Die Möwe lacht mich aus. Es nieselt, mein Mantel ist nicht wasserdicht. Ich zeige ihr die Vögel auf dem bunten Poster von Pen&Paper im Inneren: “Da kiekste, wa! Punk-Vögel aus der Provinz! Du siehst mehr so wie ein Woll-Beanie-Gangster aus, Freundchen,” grinse ich. Die Möwe will noch mehr Chippies, die bunten Bildchen interessieren sie nur so halb. Ich denke, wir könnten Freunde werden und ich habe bald mit Chips und Provinzpostille eine Lachmöwe am verregneten Strand gezähmt. Aber als die Chips alle sind, haut Steven Seagull ab, dieser Vogel. Wohl keine echte Freundschaft, er hat mich nur ausgenutzt.
Also widme ich mich lieber wieder dem DIY-Heftchen. Das Cover ist ein Original – Wow! Pastös ist die Farbe über die Rückseite geschliert und festgetrocknet. Meine Hände streichen über die matte Oberfläche des Drucks und seine reliefartigen Höhen. Mein Ohr nähert sich etwas dem Heftchen, ich kann hören, wie meine Handfläche rauschend über die raue Farbe fährt. Ich mag’s, wenn die Dinge ihren eigenen Sound haben. Vorsichtig könnte ich mir das Bild aus den Klammern trennen und als Poster oder gerahmtes Bild aufhängen, so schön ist es geworden.
Und für alle, die sich die Grafik heraustrennen und aufhängen wollen, gibt es unter dem Cover noch ein “Feigenblatt”. Es ist die schwarzweiß-Fotografie der geschnitzten Linoleumplatte. Als hätte Felix Frantic schon vorausgeahnt, dass seine Provinzpostille eventuell naked & coverless ins Regal wandern könnte. Für schlappe 2,50€ gibts hier also quasi ein handgedrucktes Bild zum Fanzine dazu. Und dass sich das nicht rechnen kann und sehr viel Zeit und Mühe kostet, während die Bezahlung faktisch aus Luft und Liebe besteht, ahne ich sofort.
Die Provinzpostille ist ein fettes Projekt als “Ein-Mann-Band”. Fast hätte er sich schon überlegt aufzuhören, schreibt er als Einleitung, aber dann hat er doch fleißig weitergeackert, im Tagebuch-Style ab dem 25.10.22 bis zum 24.04.23. Gut so!
Hier berichtet er zum Beispiel von Konzertbesuchen (Sheer Terror, Düsenjäger, Klotzs, Hillbilly Moon Explosion, 100 Blumen, Phileas Fogg u.A.). In seinem Diary sind wirklich eine ganze Menge Konzertberichte aus Stuttgart, Karlsruhe und Umgebung bis Freiburg.
Highlight ist sicherlich das hautnah erzählte 20ste Jubiläums-Konzert seiner eigenen Band pADDELnOHNEkANU. Hier sitzt man quasi bequem wie Pumuckl bei Meister Frantic mit einem Bierchen in der Brusttasche und kommt heimlich mit zur Bühne. Freud und Leid ehrlichst geteilt.
Was mir persönlich neben den ausführlichen, aber kurzweiligen Interviews mit Stefan Schmidt, Marian von Tourbusgeflüster und Hard Strike, gefiel, war die fette Podcast-Schau und Zine-Ecke. Im Zine-Besprechungshimmel stellt Felix uns vor: Just a nightmare #24, Rohfassung #5, Instantes #4 und Le Journal 1&9.
Bei der Podcast-Schau haut er dann richtig rein. Hier finden wir gut beschrieben sämtliche Podcasts und Radiosendungen vorgestellt wie The Jamming!, Dreck unter den Nägeln, Tourbusgeflüster, Alles könnte anders sein, Radio Scheisze, Plattenschau (u. A. ebenfalls mit Felix Frantic), Rants Raves and Reviews, No!Pop Magazine, Und dann kam Punk, Polytox, Bierschinken und Prost Punk.
Das ganze Zine wird zwischendurch immer wieder durch farbige Fotos und den Mittelteil mit Pen & Papers Punkvögeln, der ebenfalls als Poster durchgehen könnte, aufgehübscht.
Und damit das ganze dann auch mit den Augen geschlossen genossen werden kann, gibts ja noch die Promostille obendrein. Der Sampler von der Provinzpostille. Walkman an und abspielen, ich liebe Mixtapes. Und falls ich keinen Walkman gehabt hätte, gab es auch noch ein paar download Codes für digital grrls & boys. Aber all diese Arbeit und Projekte, lieber Felix, wann machst du sie? Ich hoffe du schläfst nachts wenigstens manchmal. 😉
Da lasse ich doch gerne mal den Frühling wieder im Sommer herein und störe mich nicht am Regen. Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur Mäntel, die nicht wasserdicht sind, weiß ich jetzt.
Wer ebenfalls noch Frühlingsgefühle egal zu welcher Jahreszeit sucht, sollte sich die Provinzpostille #10 hier bestellen.