„Rawside haben auch viel im Osten gespielt oder auf Festivals die damals nicht Securitykonzepte hatten sondern Bierdosenschlachten.“ Welcome Back in den 90ern Kinners.
Rawside Interview mit Henne, Sänger und Gründungsmitglied von Rawside, und dem Gitarristen Georg.
So, Rawside, ein Dinosaurier des deutschen und europäischen Punk/HC. Immer geradeaus, immer mit einer klaren Aussagen. Da hat sich auch auf der neuen Platte nichts geändert. Schauen wir aber erstmal zurück. Ich hatte das Vergnügen Henne und die Band damals in den Mitt-90ern kennenzulernen. Das erste Mal im AJZ Karlsdorf bei Karlsruhe, da waren Henne, Eddy und Kai auf Besuch bei einem Konzert. Gert von den Baffdecks hat uns damals vorgestellt, mit den Worten (oder ähnlichen) „das sind Henne, Kai und Eddy, geile Typen und die ham ne Band, Rawside, mit denen spielen wir demnächst.“ So begann eine Zeit, in der man sich immer wieder traf, sei es auf Wochenend-Gigs, die wir selbst ausmachten, oder Festivals, auf denen man gemeinsam spielte…
Rawside spielte recht schnell viel später am Abend als unsere Kapelle damals… Nie vergessen das Konzertwochenende Ulm/Bremgarten, wo keine kindergartenrockbandmäßigen Fernseher aus dem Fenster geworfen wurden, nein, hier mussten schon brennende Sofas herhalten. Oder das Endless Summer Open Air Nummer 5, im Jahr 2002, das Rawside als Headliner beenden durften. Ehre wem Ehre gebührt. Das soll nur aufzeigen, welchen Stellenwert und Stand die Band aus dem fränkischen Coburg hatte und immer noch hat. 2019 kam Rawsides neue Platte „Your live gets crushed“ raus, schauen wir mal, was Henne und Georg dazu, zu deutschen Autobahnen in den 90ern, Corona und die Band-Zukunft zu sagen hat. Bittesch
Ihr habt euch Mitte der 90er gegründet. Wenn man mal die Gelegenheit hat mit jemandem zu reden, der live dabei war, wie es vor 25 Jahren in „der Szene“ abging, dann sollte man das nutzen. Die Wende war ein paar Jahre her, Kohl Kanzler, der „Wilde Osten“ war wild, Besserwessis am Start, ebenso wie Brandanschläge auf Asylbewerberheime. Wie war das unterwegs zu sein als Band, wie waren die Leute drauf? Henne, wie beschreibt man das jetzt einem 20-jährigen, der das nicht miterlebt hat?
Henne: „Also die Zeit an sich war krass und gefühlt auch krasser wie heute. Es gab noch handfeste Auseinandersetzungen, aber man konnte sich danach auch wieder zusammen an den Tresen setzen, außer mit Faschos natürlich! Die Leute waren noch nicht durch Facebook oder ihr Handy gefangen und wollten keine Selfies machen, sondern Party. In der Zeit sind wir natürlich viel in Berlin gewesen, denn als Dorfpunx aus der fränkischen Idylle war das genau unser Ding. Wir hatten dann auch bald Shows in der Köpi oder dem Tommy Weißbecker Haus, haben auch viel im Osten gespielt oder auf Festivals, die damals nicht Securitykonzepte hatten sondern Bierdosenschlachten. Alles in allem echt eine verrückte Zeit und ich möchte davon keinen Tag missen. Die Autobahnen waren in einem erbärmlichen Zustand, aber der Verkehr war auch weniger. Wir durften mit vielen geilen Bands zusammen spielen. Growing Movement, Baffdecks, WWK, Agnostic Front, Korrupt, Police Bastards, Oi Polloi, Hammerhead, Boskops, viele viele geile kleinere Bands und es war jedes Mal echt was Besonderes mit alten Recken zusammen zu spielen.“
Hast du noch Kontakt zur alten Besetzung, Eddy, Kai, Beaker und Ralle? Von denen hat niemand mehr Bock mit dabei zu sein?
Henne: „Ja wir haben noch sehr guten Kontakt, mit Ralle fast wöchentlich und echt intensiv. Mit den Anderen aber auch und wir lachen oft über die alten Zeiten. Ralle hat vor 2 Jahren mal mitgeprobt und auch Live mal wieder ein paar Songs mitgezockt. Die anderen machen halt ihr eigenes Ding, teilweise noch mit Mukke und das Re-Release der Police Terror zum 25. Gründungsjahr haben Beaker, Ralle und Kai angeleiert. Du siehst also, wir verlieren uns nicht aus dem Blick und uns verbindet immer noch der gemeinsame Weg mit RAWSIDE.“
Neue Platte 2019 herausgekommen, nur noch Henne ist vom Original-Lineup übrig, der Sound ist metallischer denn je, noch brachialer als früher. Wie kam das? Wie kommt das an? Erzählt doch was zum aktuellen Lineup.
Henne: „Also wie kommt es, dass eine Platte brachial wird? Wir haben da nix geplant oder so und wir haben uns auch nicht zurückgehalten und uns Zwänge auferlegt. Es ist das, was wir gerne machen, hören und eben auch spielen wollen. Wir hören alle viel Metal, Crust, etc. und somit hat das natürlich Einfluss auf die eigenen Songs. Wie das ankommt ist uns relativ Rille, wir haben Bock drauf und machen das für uns. Dennoch gab es viel sehr gutes Feedback, Nörgler gibt’s immer, die es nicht punkig genug finden oder was weiß ich. Wer es nicht mag, muss es nicht hören, wem es gefällt…cool! Das Lineup besteht aus Ehrl, ein krasser Gitarrist und alter Kumpel der auch schon früher bei Rawside gezockt hat, aber auch eigene Bands hatte und der echt richtig geile Riffs mitbringt. Georg ein Berliner, der ursprünglich aus unserer Gegend kommt und kurz vor der „YOUR LIVE GETS CRUSHED“ Scheibe zu uns gestoßen ist, auch er ist ein Hammer-Gitarrist. Simon am Bass, er ist ein Coburger Urgestein und hat auch viel Banderfahrung und Rawside immer irgendwie begleitet. Ich kenne ihn, da war er 16 oder so. Justin am Schlagzeug spielt ebenfalls richtig fett und obwohl er so Jung ist, ist es genau sein Ding. Na ja und ich, ich kann halt nix anderes „Lachsmiley“.“
Georg: „Ebenso sind neben Justin ja noch weitere neue Gesichter in der Band. Gut, wir reden jetzt von einer Besetzung, die mittlerweile schon seit 2018 zusammen unterwegs ist. So neu dann auch wieder nicht. Jedenfalls sind die Songs parallel zum Tourgeschehen entstanden, da wir durch die Konzerte mehr und mehr aufeinander eingestimmt waren. Justin, Simon und Stefan haben neben den Shows und Weekendern im Proberaum immer wieder neue Stücke an den Start gebracht. Da war kein Konzept und keine Ansage dahinter. Wir haben eben Tracks gemacht, auf die wir Bock hatten. Das musikalische Ergebnis liegt zum Teil mit Sicherheit an den unterschiedlichen Hintergründen, die die Jungs haben. Andererseits ist der Sound in unseren Augen durchaus eine folgerichtige Weiterentwicklung nach den letzten Alben. Wie das ankommt? Nun ja, erstens ist uns das so ziemlich egal, wir haben Spaß mit dem neuen Zeug und fühlen uns damit sehr wohl, keinen Aufguss alter Rezepte gemacht zu haben. Hin und wieder kommen nach den Shows auch Leute, die uns ihre ehrliche (Schubladen-)Meinung drücken und von den aktuellen Sachen wenig halten. Gleichzeitig hast Du aber vorher eine Show gespielt, bei der die Leute abgegangen sind und auch die neuen Texte mitgegröhlt haben. Für uns reicht gute Stimmung vor der Bühne als Indikator, dass die neue Scheibe gefällt. Aber es gab schon eine Vorahnung, dass das Thema Genre-Zuordnung mit „Your live gets crushed“ auf den Plan treten wird.“
Henne, wie ist es mit seinem Sohn (Justin/Drums) in einer Band zu spielen? Und zu Touren? Wie schaut das auf Tour in letzter Zeit bei euch so aus? Lasst ihr es immer noch so krachen wie früher, oder wird das „Aftershow geschehen“ langsamer angegangen?
Henne: „Mit dem Sohn zusammen zu spielen ist Fluch und Segen „Lachsmiley“, nein im Ernst. Wir gehen in der Band als Bandmitglieder miteinander um und das funktioniert sehr gut. Und er ist einfach auch Vollblutmusiker somit weiß er wie der Hase läuft. Das Touren ist immer was Besonderes für ALLE und natürlich auch einer der Gründe, weshalb wir das alles machen. Wir genießen es, auch wenn es körperlich schon anstrengend ist. Ich persönlich hab schon ziemlich viel erlebt, somit ist das mit der Aftershowparty meist nicht so mein Ding, ich bin oft froh, wenn ich dann in der Koje lieg und lass alles nochmal auf mich wirken, das gibt mir viel. Die Jungs drehen schon oft nochmal auf, aber das ist ja auch gut so und auch das entscheidet jeder selbst!“
Neue Platte ist 2019 erschienen, ihr habt Shows gespielt, so wie man das macht. Wie war euer Plan für die Band in diesem Jahr? Was musste alles verschoben werden, ist abgesagt worden, bzw. in welcher Weise trifft euch die Corona-Situation als Band? Wie trifft sie euch privat?
Henne: „Wir hätten z.B. zwei Shows in Russland (Moskau und St. Petersburg) spielen sollen, aber das ist alles weggebrochen. Alle anderen Shows wurden auch nach und nach gecancelt. Damit haben wir uns natürlich arrangieren müssen, aber das müssen viele andere auch, deren Existenz bedroht ist, das ist bei uns als Band zum Glück nicht der Fall. Ich persönlich arbeite in einem Seniorenzentrum und hab auch eine Verantwortung gegenüber meinen Bewohnern, meinen Kollegen, meiner Familie, meiner Lebensgefährtin (die in der Pflege arbeitet) und komme damit schon klar.“
Georg: „Natürlich mussten auch wir viele Shows dieses Jahr abschreiben, unter anderem zwei Auftritte in Russland, auf die wir besonders heiß waren. Genauso ärgerlich sind aber auch all die Nummern hier in Deutschland, die nicht stattfinden konnten. DIY Festivals, Club-Shows, das werden wir nachholen, sobald es die Situation wieder zulässt. Im nächsten Jahr werden viele Locations Unterstützung brauchen, Menschen wollen wieder auf Konzerte gehen. Ob es die Band trifft? Nun, im Angesicht der Ereignisse um uns herum und weltweit, wir sind alle gesund. In unserem Umfeld geht es allen gut, Freunden, Familie. Jeder von uns hat einen Job und keiner schaut jetzt in die Röhre, z.B. durch den Ausfall von Veranstaltungen, wie es vielen anderen in der Branche geht. Da hören wir aus vielen Ecken von Bekannten und Freunden, deren Existenz durchaus bedroht sind, denen die Situation und die ausbleibende Hilfeleistung richtig zu schaffen machen, aber das ist ein anderes Thema. Was uns angeht, das darfst Du nicht falsch verstehen. Auf Spielen zu verzichten ist scheiße, aber wir machen das Beste draus, arbeiten an neuem Material und bleiben dran als Band, um wieder Konzerte zu geben, in welcher Form das sein wird, werden wir sehen.“
Corona und Gesellschaft. Im Job, privat, wie siehst du diese ganze Situation? Initiative Querdenken, Maskenverweigerer, Attila Hiltmann und Co, versus diejenigen, die sich an die Vorgaben halten und warten bis sich das alles auflöst, wie schädlich kann das noch für uns als Gesellschaft werden?
Henne: „Bzgl. Job hab ich ja schon etwas erläutert, wir haben die Verantwortung Menschen und uns selbst zu schützen. Das Problem ist, dass viele immer noch zu unvernünftig sind und somit andere gefährden und letzten Endes auch der Veranstaltungsbranche und den Kneipen und Gaststätten die Existenz kaputt machen. Klar spaltet sich die Gesellschaft, es gibt Menschen, denen wird jegliche Existenzgrundlage genommen und andere scheißen darauf. Diese Querdenker, Attilas und wie sie alle heißen sind Dumpfbacken, denen nix genommen wurde außer ihr Gehirn. Klar darf/sollt man kritisch sein, aber was die von sich geben ist so eine gequirlte Scheiße, da fehlen mir oft die Worte. Wer deshalb Freundschaft zerbrechen lässt, war nie dein Freund!“
Vergangenheit, Gegenwart, nun zur Zukunft. Was ist bei euch in nächster Zeit geplant? Irgendwelche Corona-Gigs? Neue Songs schreiben, das Ganze erstmal auf Eis legen?
Henne: „Bis jetzt keine Gigs geplant, erst wieder 2021 Mitte des Jahres, und ja wir schreiben gerade intensiv neue Songs und arbeite auf ne neue Scheibe hin. Auf Eis legen wir gar nix „Lachsmiley“.“
Georg: „Wie gesagt, wir arbeiten dran, 2021 wird es Neues auf die Ohren von Rawside geben.“Your life gets crushed” ist das erste Album in dieser Besetzung, jetzt geht es weiter. Jeder steuert was zum neuen Material bei, seit der letzten Platte ist auch einiges passiert. Es bleibt spannend. Wir stecken mittendrin und sehen, wo die Reise hingeht.“
Henne, was hält dich, speziell in der nächsten Zeit noch in einer Punkband? Viele die „damals“ aktiv waren, sind nach paar Jahren verschwunden, nur ein paar sind immer noch aktiv, obwohl die Jugend schon längst aus (ich kann sagen “uns”) entwichen ist…
Henne: „Da gibt es eine relativ kurze und klare Antwort, es ist mein Ding, ein Teil meines Lebens und es macht sau viel Spaß! Solange das so bleibt und ich das auch körperlich pack, mach ich das, weil es mir gut tut. Niemand hat mich dazu gezwungen oder macht mir Vorschriften, ich hab Bock drauf!!!“
Henne, Georg, ich danke euch für eure Zeit.
„Wir haben zu danken!!!“
Hier gibts die Life gets crushed LP …