Kaum zu glauben, aber wahr. Ich war kürzlich tatsächlich bei Tocotronic im LKA. Natürlich nur, weil die Karte umsonst war. Denn – so ehrlich bin ich – die Musterschüler der Hamburger Schule waren nie meine Einser-Kandidaten. Eher stets versetzungsgefährdet. Und so war es irgendwie ganz nett – und doch auch ganz beliebig, ohne dass ich der Band um den Herrn von Lowtzow zu nahe treten will.
Das unverhoffte, weil nirgendwo ersichtlich angekündigte Highlight des Abends dagegen war die One-Man-Vorband rickoLus, bürgerlich Rick Colado, aus Jacksonville, Florida. Ob an Akku-Klampfe Balladen zelebrierend, oder sich an den Keys zwischen Elton John’schem „Crocodile Rock“-Feeling und Weezer’schem College-Rock einpendelnd. rickoLus schaffte das, was in Stuttgart traditionell schwierig ist: sich als Vorband die Gunst des Publikums zu sichern. Und während rund anderthalb Stunden später Tocotronic zunehmend mehr dahinplätscherten und sich beim Riedinger gähnende Langeweile breit machte, machte dieser aus der Not eine Tugend und kam mit rickoLus ins Gespräch, auch um dessen neue Platte „Bones“ zu erwerben, um die es hier nun gehen soll.
„Bones“ wirkt wie eine Art Konzeptalbum, eine Hommage an rickoLus Heimatstadt und dem Leben dort mit all seinen Höhen und Tiefen. Nicht nur das Coverartwork winkt im Postkartenstyle aus einer Stadt mit (vermutlich) sehr vielen Sonnentagen. Auf dem Backcover ist auch gleich noch ein Stadtplan mit den wichtigsten Orten Jacksonvilles abgebildet. Zwar sehr wahrscheinlich nicht maßstabsgetreu und für Reisen dank des LP-Formats eher ungeeignet, wird doch recht schnell ersichtlich, dass rickoLus mit seiner Heimatstadt tief verbunden ist und diese Verbundenheit gerne mitteilt. Auch im Gespräch übrigens. Wusstet ihr etwa, dass der älteste Skatepark der Welt in Jacksonville steht? Nix da West Coast! Kona Skatepark heißt das gute Stück und existiert bereits seit 1977. Und so war die Tocotronic-Show doch noch auf ihre ganz eigene Weise unterhaltsam.
Doch zurück zu „Bones“, dem Konzeptalbum. rickoLus macht sich auf die Suche nach Geschichten, die seine Stadt schreibt, um sie uns in einerseits situativer und andererseits subjektiver und sehr intimer Wahrnehmung wiederzugeben. Allein schon das Lesen der Songtexte hat damit einen hohen Unterhaltungsfaktor. Das Hören der Songs setzt freilich noch einen oben drauf. Das beim Konzert dargebotene Spektrum zwischen Singer/Songwriter und Indieband findet sich synchron auch auf „Bones“ wieder. Fühle mich beim Hören des Albums angenehm an eine meiner Lieblingsscheiben, „Reconstruction Site“ von den Weakerthans erinnert. Eingespielt und eingesungen hat der Multiinstrumentalist Rick Colado dabei ganz vieles selber. Und doch gab es natürlich Unterstützung von Freunden. Freunde nicht nur aus Jacksonville.
Beschäftigt man sich dann noch ein wenig weiter mit rickoLus, so kann man beeindruckt feststellen, dass er seit 2008 eine Unmenge an Releases veröffentlicht hat. Vieles davon auf eigene Faust, manches auch auf Labels. „Bones“ dagegen scheint der erste Release zu sein, um den sich auch hierzulande ein Label kümmern wollte. Wurde aber auch Zeit! Das Hamburger Label Buback nahm sich der Sache an. Gut so! Erwerben könnt ihr „Bones“ zum Beispiel bei jpc.