Lest euch bitte nochmal die Headline durch. Na? Fällt euch was auf? Nein? Schaut doch bitte nochmal gaaanz genau hin. Jetzt vielleicht? Ja richtig! Da steht “Part 1”. Und wo es einen ersten Teil gibt, da wird es womöglich und hoffentlich auch noch einen zweiten, vielleicht sogar noch einen dritten, usw. geben. Das schon mal vorneweg und als gute Nachricht zuallererst. Die zweite gute Nachricht ist quasi selbstverständlich und liegt auf der Hand, bzw. auf dem Plattenteller. Das Stockholmer ProgRock-Quartett Ritual hat es nach sage und schreibe 17 Jahren (dazwischen erschien 2020 lediglich die 4-Track-EP “Glimpses From The Story Of Mr. Bogd”) geschafft, einen neuen Longplayer aufzunehmen. Erscheinen wird dieser auf dem norwegischen Spezialistenlabel Karisma Records.
Dann mal los! Mit einem Kammerorchester eröffnet er, der Opener “A Hasty Departure”. Fast schon altmodisch, möchte man sagen. Bevor moderne Instrumente dann ihren Dienst aufnehmen und ich kurz im Gedächtnis kramen muss, woran mich das erinnert. Ah ja, da haben wir’s. My Chemical Romance. Die hab ich gesucht. Aber Moment mal, die sind doch gar nicht so Prog, oder doch? Und solange ich noch der berühmten Frage nach der Henne und dem Ei nachgehe, schlagen Ritual schon wieder einen neuen Weg ein.
Demnach scheint “The Story Of Mr. Bogd – Part 1” auf jeden Fall ProgRock zu sein – und diese Feststellung ist eine rein rhetorische, wurden Ritual (1993 gegründet) doch schon in den ’90ern als eine der (damaligen) Speerspitzen der schwedischen Progressive Scene gehandelt. So viele Ideen, so viele Töne, so viele Instrumente und so viele Stilmittel. Progressive Rock mit einem vergleichsweise modernen Anstrich. 17 Jahre sind eine lange Zeit und das einzig gute, was man dieser in diesem Fall abgewinnen kann, ist, dass Ritual sie genutzt haben, um ihrem Sound eine Frischzellenkur zu verpassen.
Sich selbst dagegen sind sie treu geblieben. Noch immer besteht die Band aus den vier Gründungsmitgliedern und Freunden Patrik Lundström, Fredrik Lindqvist, Jon Gamble und Johan Nordgren. Kann man selbstverständlich finden, muss man aber nicht. Ich jedenfalls finde, dass es eine Band in jeglicher Hinsicht auszeichnet, wenn sie ihre Pferde wie in diesem Falle schon seit 31 Jahren im Stall hält. Etwas überspitzt vielleicht, aber der Zusammenhalt der Band scheint ähnlich konzeptuell zu sein, wie das Album an sich, das Konzeptalbum über Mr. Bogd.
Aus diesem nehmen wir nun noch drei Songs stellvertretend etwas genauer unter die Lupe. “Mr. Tilly And His Gang” hat ein bisschen was von Zirkusmusik und dieser soll ja bekanntlich unterhaltsam sein. Ergo: Ritual sind unterhaltsam, bzw. Ritual machen hier auch Unterhaltungsmusik, was wiederum durchaus positiv gemeint ist, kann der gute alte ProgRock ja mitunter eher herausfordernd denn kurzweilig sein. Ritual schaffen es, eine Prog-Platte zu liefern, die man hören kann, um sich nebenher dennoch einer zweiten Sache widmen zu können, auch wenn man für gewöhnlich nicht als Multi-Tasking-Talent bekannt ist.
Das supi Instrumental “Through A Rural Landscape” wäre gut in einer schummrigen Jazzbar aufgehoben, statt auf dem Burg Herzberg Festival. Aber auch hier: eher der Unterhaltung und weniger der Anstrengung wegen, die Jazz seinen Zuhörer*Innen ja durchaus abzuverlangen in der Lage ist. Zum Schluss wird’s dann noch so ein wenig orientalisch und “The Three Heads Of The Well” ist der finale Beweis dafür, dass Ritual absolut dazu in der Lage sind, so ziemlich alles, was sich mit Musiknoten anstellen lässt zu ihrem eigenen Ding zu machen. All diese Umstände machen “The Story Of Mr. Bogd – Part 1” für mich zum besten Prog-Album der jüngsten Vergangenheit.
Das Album mit tollem spooky Artwork sowie einem vierseitigen Booklet erscheint am 16.08.2024 und ist in Schwarz oder Violet Transparent z.B. bei JPC erhältlich.