Wildwood Morning – “Hurt No Living Thing”. Eine Platte wie aus einer anderen Ära. Die Hippies pilgern nach San Francisco, oder in diesem Fall aus geographischen Gründen halt irgendwohin zwischen Rom und Berlin. Das Duo Wildwood Morning, bestehend aus Laura Lazzarin und Henning Wienecke, ist eine deutsch-italienische Kooperation, ansässig in der Hauptstadt der BRD, die am 21.06. ihr zweites Album via Dynamite Platten veröffentlicht hat.
Andere Ära, ja – und gleichzeitig versprüht das Album einen schon fast jugendlichen Charme. Die bestimmende Gitarrenmelodie hat was von (immer noch, bzw. wieder) aktuellen Indie-Bands wie den Libertines, die ihren Ursprung mal in der Garage hatten. So mein erster Eindruck beim Opener “The Mood I’m In”. Die dann folgenden “Momento Perfetto” (auf Italienisch gesungen) und “Into The Woods” wirken anders. Ween könnten eine Referenzband sein und die Songs passen perfekt als Soundtrack zu irgendwas mit Wüste. Einsame Helden. Clint Eastwood. Und Colts. Nee, doch besser keine Colts, siehe Albumtitel. Jedenfalls haben beide Songs dieses gewisse Sehnsuchtsgefühl in sich, das bei so Wüstenfilmen gerne mal suggeriert – und mit entsprechender Musik gerne untermauert – wird. Tolle Nummern!
“Shut Out” und “On A Windy Day” sind dann nochmal was anderes. Vielleicht würden tausende Europäer*Innen zu genau diesem Sound zusammengepfercht unter Deck auf einem Ozeanriesen feiern – aber auch in sich kehren – würde es heutzutage immer noch große Auswanderungswellen in die Neue Welt, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben dort geben. Violine und Flöte waren meines Wissens jedenfalls gern gesehene Instrumente auf den Schiffsbauchpartys. Und irgendwie muss man ja auch von Berlin nach San Francisco kommen.
Und weil so eine Überfahrt nunmal etwas dauern kann, schöpft “The Lady” aus dem Vollen. Tolle Solo- und (vermutlich) auch Improvisationsparts. Eine Nummer, die zwar ausufert, jedoch nicht auf die Nerven geht. Geht in Richtung Jethro Tull. Und bleibt dort auch. “Who Has Seen The Wind” steuert den – man möchte sagen obligatorischen – Part zu solch einer Platte bei, bevor das abschließende und titelgebende “Hurt No Living Thing” sowohl musikalisch, als auch inhaltlich den Hippie-Charakter von Wildwood Morning untermauert.
Nun sind Wildwood Morning zwar offiziell als Duo unterwegs, hört man sich “Hurt No Living Thing” jedoch an, so wird schnell klar, dass es spätestens bei einer Liveumsetzung des Materials so nicht gehen würde. Ergo, die zwei werden von allerlei Musiker*Innen an so illustren Instrumenten wie Synthesizern, Slidegitarre, Trompete, Geige, Saxophon, Farfisaorgel, Flöte und auch normalen Sachen wie Drums und Gitarre unterstützt. Und somit ist das Album eben auch gefühlt das einer Band und nicht das eines Duetts, was mir persönlich prinzipiell mehr zusagt. Acht tolle Nummern zwischen Flowerpower und psychedelisch angehauchter Popmusik. Zum Hippietum werden mich Wildwood Morning zwar nicht bekehren und dennoch waren sie kurz davor.
Der Platte liegt ein beidseitig bedrucktes Inlay mit sämtlichen Texten und hübschem Blumenmotiv bei. Zu haben ist die Platte am besten bei der Band selber, oder bei Dynamite Platten.