Ich freute mich im Vorfeld, dass ich dieses Buch lesen dürfte. Ich freute mich, darüber schreiben zu dürfen. Ich freute mich, als es in der Post war und ich freute mich, als ich die erste Seite aufschlug. Der Titel klingt vielversprechend.
Doch zunächst einmal die Fakten. Autor Dominik Feldmann ist, so ist es im Buch und auch im Internet niedergeschrieben, Fan gepflegter Gitarrenmusik, was sich der Auswahl an Bands, Songs und Textzeilen, auf welche er im Buch eingeht, entnehmen lässt. Außerdem kann er einen breiten Background durch das Studium von Geschichte, Literaturwissenschaften und Soziologie vorweisen und eben ein Interesse an Philosophie.
So, jetzt aber zurück zum Buch, „Rock Your Brain – Rockmusik und Philosophie in 13 Essays“, erschienen beim Phantom Verlag. In 13 Kapiteln geht Feldmann auf die unterschiedlichsten Thematiken der Philosophie und die jeweiligen philosophischen Strömungen ein. Verweist und belegt anhand bekannter und nachhaltiger Denker:innen auf eben diese und erklärt die Grundidee, die sie vertreten und vertraten. Eingeleitet wird das Kapitel jeweils musikalisch. Nach dem etwas trockeneren Teil, den er versucht einfach zu erklären und den Lesenden nahezubringen wird der Bogen zum Rock geschlagen. Beispielhaft, anhand von verschiedenen Vertreter:innen des Rock, Metall und Punk, anhand bekannter Textzeilen, aber auch mit einem Blick auf die Musik- und Fanszene, wird der Philosophische Gedanke greif und rockbar.
So weit, so gut. Wie es mir selbst mit dem Buch erging ist eine ambivalente Sache. Mit großer Spannung und Vorfreude, wie man sie sonst aus dem Schlangestehen am Einlass, beim Warten auf ein Konzert kennt, machte ich mich ans lesen. Ich las die Einleitung zu ende, bereit für das erste Kapitel. Doch dann fiel mir auf, dass ich Dinge gelesen hatte, die so gar nicht dort stehen. Dort steht nicht Künstler*innen und Musiker*innen. Dort steht Künstler und Musiker, usw. Enttäuscht über meine mangelnde Lesefähigkeit, die Naivität meines Hirns, welches wohl davon ausgeht, dass es, wie sagt man so schön, Usus ist, dass gegendert wird und über mangelndes gendern, las ich weiter. Ich machte mir reichlich Notizen und wollte schon anfangen die Review zu schreiben. Doch beim Durchblick meiner Notizen stoppte ich. Auf keinen Fall wollte ich den Text verurteilen, „nur“ aufgrund nicht vorhandener Sternchen und innen. Also legte ich es beiseite, versuchte eine gewisse Neutralität in mir herzustellen und schlarwenzelte noch drei Tage um das Buch herum, ehe ich es abermals in die Hand nahm. Eine zweite Chance. Von vorne anfangen und mein Hirn gendern lassen, wo nicht gegendert war.
Unreflektiert meine Gedanken herauszuschreien ist nicht meinen Art und ich bin froh, dass ich mir die Zeit eines zweiten Lesens gegönnt habe. Denn, auch wenn unser Start ein wenig holprig war, so hält das Buch doch überwiegend, was der Titel verspricht. Die ersten Essays empfinde ich noch als ehr schwierig. Ich habe mich durchaus schon mit philosophischen Schriften auseinander gesetzt und würde behaupten, dass ich der Denkweise folgen kann. Aber erstmal kam ich nicht so recht in den Fluss und empfand so manche These, mit der Gedanken auf die musikalischen Texte übertragen werden, zu absolut. Es fehlt mir an Ambivalenz, mit der Musik interpretiert werden kann. Ebenso hätte ich mir zum Teil weniger musikalische Beispiel gewünscht, um dafür im Einzelfall tiefer zu gehen. Dies bleibt mir nun selbst überlassen, aber vielleicht war das genau der Plan.
Denn durch die Bandbreite an Bands, von AC/DC, über Feine Sahne Fischfilet, über Muff Potter bis hin zu The Who, wird mit Sicherheit an irgendeiner Stelle des Buches der Musikgeschmack der Leser:innen getriggert. Jedoch sind es vornehmlich bekannte Größen aus Rock, (Heavy-)Metal und Punk die bedacht werden. Wobei, vielleicht liege ich da in meiner Wahrnehmung auch falsch. Der dionysische Rausch und „Korn & Sprit“ lassen mich das doch noch einmal überdenken und ich komme zu der Feststellung, das eine größere Diversität dem Buch gut gestanden hätten.
Insbesondere das Kapitel mit dem schönen Titel „True Trans Soul Rebel – Die Konstruktion des Geschlechts“ hätte diverser veranschaulicht werden müssen. Beginnen tut es mit der Französischen Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir, welche u.a. durch das Buch „Das andere Geschlecht“, erschienen erstmals 1949, auf sich aufmerksam gemacht hat und welches bis heute eines der wichtigsten Werke zum Thema Feminismus und Geschlechter ist. Das die Überlegungen de Beauvoirs zum Thema Sex und Gender hier Raum und ein eigenes Kapitel finden ist zeitgemäß und wichtig. Jedoch sind die musikalischen Referenzen nicht ausreichend. Neben dem Eingehen auf eine teils überhöhte Männlichkeit und männlichen Künstlern, die sich durch ihre Kunst und ihr Auftreten davon abgrenzen, wie Brian Molko, Sänger der Band Placebo und den Beispielen an Transgender Künstler:inne wie Laura Jane Grace, Sängerin der Band Against Me!, fehlt mir die Nennung einer oder mehreren weiblichen Bands und der Verweis auf weiblichen Sichtweise zur sozialen Konstruktion des Geschlechts. #punktoo möchte ich laut schreien.
Wie schon im Kapitel zur Konstruktion des Geschlechts, als auch in dem zur Sprache, geht Dominik Feldmann auf den Unterschied zwischen Definition von außen, z.B. über den Mann, und einer Selbstdefinition und Selbstbenennung ein. Auch geht er darauf ein, dass Sprache Bewusstsein schafft. Leider kann ich an dieser Stelle nicht anders als nochmals die Feminismuskeule, oder wie ich sie viel ehr nenne möchte, Gleichberechtigungs- und Diversitätskeule zu schwingen. Wenn man diese Überlegungen und Feststellungen in einem Buch festhält ist es mir schleierhaft, weshalb ich nicht das Bewusstsein dafür aufbringe alle Geschlechter in meinem Geschriebenen anzusprechen, sondern ausschließlich in der männlichen Form schreibe. Ja, vielleicht sind weiblich gelesen Personen, Transgender, oder non-binäre Menschen mit gedacht. Aber es wäre schön, wenn dies durch eine sensible Sprache auch sichtbar werden würde.
Abschließend sollte hier wohl eine Schlussbewertung geben. Aber ich möchte das Buch nicht in eine Gut/Schlecht- Schubladen packen. Das kann ich nicht, das will ich nicht, davon halte ich nicht viel. Was ich jedoch sagen kann ist: es ist kein Buch, was sich als Bettlektüre eignet, aber wunderbar für einen nachdenklichen Sonntag Nachmittag am Küchentisch ist, mit frischem Hirn und frischem Kaffee. Es lohnt sich, sich zwischendurch die Zeit zu nehmen und den sich durch das Buch selbstschaffenden Soundtrack zu hören und abschließend vielleicht das entsprechende Kapitel nochmal zu lesen und zu überdenken. Aber Achtung: Gedankenmoshpitgefahr!