Intros sind doch immer wieder eine ganz dufte Sache. Macht die Band diese Sache gut, so schafft sie es mit dieser Darbietungsform auf das Folgende einzustimmen, quasi die Stimmung anzukurbeln und die Meute auf die eigentlichen Songs heiß zu machen.
Rotten Heads aus Málaga/Spanien machen das sogar richtig gut, weil das noiserockige Intro „Intronoia“ auf ihrer Platte „Historias Para No Dormir“ noch völlig offen lässt, was uns hier dann tatsächlich gleich erwarten wird. Die Spannung steigt ins Unermessliche.
Und dann kommt es auch ganz anders, als man hätte zunächst vermuten können, auch wenn Bandname und das, ehrlich gesagt, ziemlich grottige (Original-)Artwork in schlechter Druckqualität schon erste, sehr konkrete Vermutungen ob der musikalischen Darbietung anstellen haben lassen. Hardcore-Punk ist Trumpf. Wusst‘ ich’s doch! Rotten Heads legen ein mörderisches Tempo vor und haben was von frühen Suicidal Tendencies, mögen wohl aber auch die Bad Brains. Der metallische Hardcore-Punk also und Gitarrist Juan lässt auch ein paar ultrafiese Soli vom Stapel. Alex an den Drums streut hier und da sogar ein paar Blast Beats ein, während Andrés am Bass einfach nur ’nen soliden Job macht. Wirklich cool wird das Ganze aber durch die sich abwechselnden male/female Vocals von Leo, bzw. Rocio.
So. Und das Ganze hier im Präsens zu (be)schreiben ist eigentlich falsch, mindestens aber irreführend. Denn auch wenn „Historias Para No Dormir“ im November 2023 von einer ganzen Armada an Labels (Crust As Fuck Records, El Forat Records, Entes Anomicos, Andalucia Über Alles, Collector’s Series DIY) erstmals auf Vinyl veröffentlicht wurde, das Ding also noch fast druckfrisch ist, so haben sich Rotten Heads bereits vor ziemlich genau 30 Jahren (1994) aus persönlichen Gründen aufgelöst. Seinerzeit erschien das Album lediglich als self-release auf Tape – und hat somit die iberische Halbinsel vermutlich nie so wirklich verlassen.
Umso besser also, dass die besagten Labels „Historias Para No Dormir“ wieder ausgegraben haben und nun dafür sorgen, das Album tendenziell einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Zehn starke Songs auf 45rpm. Und auch wenn ich, da auf Spanisch gesungen, nicht wirklich was verstehe, spürt man den politischen und anprangernden Vibe von Rotten Heads. Einer der besten Songs des Albums – „Nazis“ – bedarf aber auch nicht zwingend einer Übersetzung. Der ist dann wohl so oder so eindeutig.
Dieses Produkt ist nicht nur ein reines Musikkonsumgut, sondern auch ein musikalisches Zeitdokument. Das auf dem Beiblatt abgedruckte Bildmaterial unterstreicht diesen Anspruch. Auch der Sound an sich entspricht konsequenter-, als auch logischerweise dem damaligen Zeitgeist. Vergleichbare Bands von heute machen das ein wenig anders, vielleicht irgendwie weniger nach Transistoramp klingend. Anders weiß ich das jetzt auch nicht zu umschreiben. Kenner*innen der Materie können mir aber hoffentlich folgen.
Falls nicht, so wäre das vielleicht ein zusätzlich motivierender Grund, sich eine Kopie von „Historias Para No Dormir“ wohl am besten bei einem der verantwortlichen Labels zu bestellen. Tatsächlich habe ich die Platte bei keinem der fünf bis sechs deutschen Punkmailorder, die mir auf die Schnelle eingefallen sind, gefunden. Auch wenn das Beschaffen der Platte also etwas schwieriger sein dürfte, so soll dies auch sonst euer Schaden nicht sein. Natürlich würde es an ein Wunder grenzen, wenn eine Hardcore-Punk-Band wie die Rotten Heads, die Pi mal Daumen vor rund 30 Jahren existiert hat, heute immer noch aktiv wäre. Schließlich machen die Scorpions ja eben keinen Hardcore-Punk und im Genre selbst überleben üblicherweise nur die ganz Großen eine solch lange Zeit. Schade ist das aber dennoch ein wenig. Wenigstens ein paar mehr Releases hättet ihr uns doch gönnen können, liebe Rotten Heads. Aber gut, freuen wir uns jetzt erst mal über die Vinylauflage von „Historias Para No Dormir“.
