Raff dich auf – für immer Punk!
Offen gestanden hatte ich die Stilrichtung „Crust-Punk“ und die Kombo Sabot Noir, was aus dem französischem übersetzt so viel wie schwarzer Holzschuh bedeutet (der auch das Band-Logo auf den Veröffentlichungen darstellt), noch bis vor ein paar Tagen so gleich gar nicht auf dem Schirm.
Ja, so war das vor ein paar Tagen… doch jetzt kam die Drei-Mann-Formation Sabot Noir aus München und dem Dachauer Umland aber mal gleich so geballt medial um die Ecke, das ist Timing Leute! In den Lokalteilen der Süddeutschen Zeitung und des Münchener Merkur war einiges zu Sabot Noir zu lesen. Es ging um einen umstrittenen Zuschuss für ein Online-Release-Geisterkonzert zum neuen Album „Kollaps“, das am 31.07.2020 exklusiv aus dem Freiraum Dachau über Youtube gestreamt wird. Eigentlich ist das für den zuständigen Kulturausschuss ein Punkt der auf der regelmäßigen Tagesordnung steht und keiner großartigen Diskussion bedarf. Zumal es sich bei dem benannten Zuschuss lediglich um 750 Euronen handelte. ABER, es geht halt in Punkmusik naturgemäß gerne mal kontrovers zur Sache und es wird mit den Songtexten angeeckt. So auch bei Sabot Noir.
Beim Titel „Fuck Cops“ (Anmerkung: dies ist ein Stück vom ersten Album „Schattenfarben“) „hört der Spaß auf“ befand die CSU Dachau und fand den Kulturzuschuss diskussionswürdig. Mit der nachfolgenden Entscheidung Pro-Zuschuss jedoch, haben die Dachauer Stadträte von SPD, Grünen und Bündnis ein Zeichen für die Freiheit von Meinung und Kunst gesetzt! Und (!), ich habe Dank dieser öffentlichen Debatte das Trio nun schlussendlich komplett auf dem Schirm sowie nun auf meinem Plattenteller. \m/
„Kollaps“ nennt sich das bereits 2.Album von Sabot Noir, ist wie das erste Album “Schattenfarben” eine DIY Eigenproduktion und birgt eine Menge Kurzweil.
Den Auftakt macht der „Aufbruch“. Der erste Track von „Kollaps“ beginnt gediegen und schön mit Piano um sich dann in ein Gittarren- und Drumgewitter zu ergießen. Und gleich mal die inhaltliche Richtung der Kombo anzeigt:
„Schau dir diesen Staat an, und seine Gewalt. Was bringt er dir? Was bringt er uns? Er setzt ein System durch mit Waffengewalt, ein System das auf Ungleichheit setzt. In dem manche die Macht und das Geld ham, und die anderen liegen im Dreck.“
Stücke wie „Carpe Diem“ und Dipsomanie“ prügeln mal so richtig los und growlen und rotzen voller Energie Hochtempo-Punk.
Mit dem vierten Stück kommt richtiges Livefeeling auf. „Raff dich auf“ weiß mit geilen Riffs und einem eingängigen und mitreißenden Refrain zu begeistern. Der Soundfaden erinnert ein wenig an die Broilers, tut der Qualität aber keinen Abbruch. Ist so rein gar nicht mainstreamig. Ganz im Gegenteil!
„Und irgendwann mein Freund, werden wir in Frieden leben und legen den Molli aus der Hand! Doch bis es soweit ist, werden wir niemals aufgeben. Raff dich auf – für immer Punk!“
Den Klargesang versteh ich schon mal recht gut. Beim Growling wird’s dann manchmal schwieriger. Deswegen sind Textbeilagen wahrhaftig ein Segen. Besonders wenn man, so wie ich, nicht wirklich mit den Elementen des D-Beat, Grindcore und/oder Neo-Crust vertraut ist. Das ist an der mir vorliegenden Scheibe schon mal ein Ultra fetter Pluspunkt! Dem Vinyl liegt ein echt schön gestaltetes Booklet bei.
Aber hopsala… ein zweites Mal hören und der Griff zum Textheft ist nicht mehr wirklich zwingend notwendig. Was geben die Jungs denn da eigentlich sonst noch von sich? Da mischt sich auch Französisch ins Canto! Zu erahnen ja bereits am Bandnamen. Mit dem Titel „Vert et noir“ ist das erste Glanzlicht in Klang und Bild für mich gesetzt. Das Vorzeigestück des Albums kommt sehr facettenreich mit Piano und Cello und wurde zudem mit einem Hammer-Protest-Videoclip Vorveröffentlicht.
„le foret qui meure et la terre qui pleure / der Wald, der stirbt und die Erde, die weint…“
Die B-Seite wird wieder mit langsamen, gebremsten Tempo eingeläutet. In „Hybris“ berichtet zu Anfang eine weibliche Nachrichtensprecherin-Stimme über die Missstände, Fehlentscheidungen, Umweltsünden und Verbrechen des Menschen an der Natur und der Welt. Dann wird an der Fahrtgeschwindigkeit gedreht und ab geht die Lutzi!
Rapide geht es in die nächsten Runden. „Gewalt“, „Grauen“ „Totentuch“, „Arbeit“…
Klar, nicht jeder Track ist zwingend meins… Nach drei Durchläufen habe ich jedoch tatsächlich schon meine absoluten Sabot Noir Lieblings-Titel..: „Raff dich auf“, „Vert et noir“ und vor allem auch der Piano- eingeleitete Titelsong „Kollaps“ der einen richtig gelungenen Abgang und Schlusspunkt des Albums setzt. Einen aber auch ganz schön betroffen macht. Geht absolut unter die Haut und lässt mich innerlich bewegt zurück.
„Verzweiflung! Der Schmerz so stark, der Tod meine Sehnsucht! Betäubende Ohnmacht und Trauer, die mich auffrisst! Kollaps…Kollaps! Alles stirbt!“
Meine Erfahrung ist, dass sich die wirklich, wirklich guten Scheiben nach mehrmaligem Hören erst so richtig weiter entfalten und knallen. Deswegen freu ich mich auf weitere Durchläufe des Vinyls und darauf die Jungs …hoffentlich recht bald …auch mal Live bestaunen zu dürfen.
Das Cover zu „Kollaps“ ist überaus gelungen. Schlicht in schwarz gehalten mit einem am Boden liegenden, wohl toten Vogel in Relief-Effekt, neugierig auf den Inhalt machend. Das Innersleeve ist ebenso in schwarz. Wie oben erwähnt gibt es zudem ein Booklet mit den Liedtexten. Das Vinyl ist übrigens auch als Limitierte Auflage in marmoriertem weißen Vinyl (150 Stück) erhältlich.
Bestellungen könnt ihr zum Beispiel hier tätigen: im munich-punk-shop oder bei bandcamp.
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