Laut Statistia sind im Jahr 2020 9.752 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung erfasst worden. 16.686 Kinder wurden Opfer von sexuellem Missbrauch im vergangenen Jahr, soweit sie zumindest Polizeilich erfasst sind, auch das legt Statistia offen. Und nur ein Bruchteil dieser Vergehen sind wirklich statistisch erfasst, weil aus Angst und Scham viele Betroffene schweigen.
Ihr wundert euch über diesen Einstieg in eine Review? Genau diese Themen, sexualisierte Gewalt, Missbrauch, Geschlechterungerechtigkeit und die strukturellen, gesellschaftlichen Missstände die diesen begünstigen, ziehen sich als Roter Faden durch das neue Album “TRIGGERWARNUNG” von Sarah Lesch. Und die oben genannten Zahlen legen auf erschreckende Weise dar, wie dringlich und aktuell diese Themen sind. Sarah Lesch macht aus Zahlen Geschichten und mit einer erschreckenden und beängstigenden Ehrlichkeit besingt sie Alltäglichkeiten, gibt sie Betroffenen eine Stimme, aber auch Mut und Hoffnung, wie in “Schweigende Schwestern”. Oder empowernd und mitreißend wie in “Drunter machen wir’s nicht”. Ein feministischer Song der sowohl mahnt und anprangert, zugleich aber auch Aufbruch und Wandel beinhaltet. Und ein Song der auch klar hervorhebt, hier geht es nicht um Frau gegen Mann, hier geht es um strukturelle geschlechterabhängige Ungerechtigkeit, und ein schräges Frauenbild, was sich fest in unseren Köpfen verankert hat und was nur gemeinsam bekämpft werden kann, geschlechtsunabhängig. Das Ganze getragen von einer up tempo Melodie mit ordentlich Jazz, der die Beine wippen lässt.
Ein Lied was mich textlich und musikalisch am meisten berührt hat ist “Die Geschichte von Marsha P. Johnson”, worin Sarah Lesch an die LGBTIQ*-Aktivist erinnert, die 1992 im Hudson River verstarb, ungeklärte Todesursache.
Als weiteren Anspieltipp möchte ich hier “Licht” nennen. Ein Lied, über die Pandemie, über das, was diese mit uns und mit der Gesellschaft gemacht hat. Über die schräge Situation von klatschenden Menschen auf Balkonen einerseits und schlechter Bezahlung von Pflegepersonal andererseits. Und denen, die die Wahrheit verdrängen und verqueren. “Und auf den Treppen vor dem Reichstag, / Spiel’n sie Wahrheit oder Pflicht”. Ein Lied mit Fragen “Wir zieh’n uns Werte an wie Kleidung / doch wie werden Werte war”. Aber auch ein Lied, was Verständnis aufbringt “Und jeder wünscht sich eine Wahrheit, / Die ihm Sicherheit verspricht.”
Ich will hier ehrlich sein, beim ersten Durchhören habe ich mich echt schwer getan mit dem Album, vor allem weil es nicht unbedingt meinem musikalischen Wohnzimmer entspricht. Denn die Melodien sind mir fast ein wenig zu poppig, zu süß, zu verspielt, zu konträr zum Text. Wobei auch die Texte, wie oben schon erwähnt, nicht nur Wut in sich tragen, sondern auch versuchen eine Hand zu reichen, einen Aufbruch anzustimmen und Hoffnung zu schenken. Und vielleicht ist genau das die Stärke des Albums, dass eben feministische Themen nicht nur in Punk, Rock und Rap, vereinzelt auch in (Indie)-Pop angesprochen werden und auf eine andere musikalische Art transportiert werden, als zumindest ich es bisher wahrgenommen habe.
“TRIGGERWARNUNG” ist am 19. November auf Räuberleiter erschienen. Es ist bereits ihr fünftes Album und erhältlich als schwarzes Vinyl, verpackt in dunkler, schwarz-weiß gestalteter Hülle, auf der in roten Lettern “TRIGGERWARNUNG” sowohl Titel als auch echte Warnung zugleich zu sein scheint.
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |