LONGA PRIMAVERA AO VIVO – es lebe der Frühling!
Die Platte ist schon jetzt mein Liebling des Monats. Warum? Erstens strotzen das Cover, das Innensleeve und das Vinyl selbst von “Stranded in the Green” vor Grüntönen der Natur, so wie ich es im Frühling liebe. Zweitens sieht man auf dem Innensleeve den Macher Luis Simões von Saturnia zwischen sonnigen Rebstöcken laufen. Und drittens zeigen die Vinyl-Labels der A- und B-Seite einmal die Blätter des Rebstocks und einmal die Trauben. Also diese Affinität zwischen Frühling und Wein gibt bei mir schon mal Punkte.
Aber zu den Fakten: Die portugiesische Kult-Band Saturnia legt mit “Stranded in the Green” ihr achtes Werk vor. Von Multiinstrumentalist Luis Simões in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts gegründet, arbeitet der Meister meist alleine, hat aber hin und wieder Gäste im Studio. Das vorliegende Vinyl entstand zwischen Frühjahr 2018 und Sommer 2020 auf dem Lande zwischen den Rebstöcken. Diese Verbundenheit zur Natur hört man auf dem Album ab der ersten Note an. “Es verschmelzen Mythologie, Wein, Sonnenlicht, ungebändigte Wildnis und sanfte Natur zu seinem faszinierenden Pschedelic- und Spacerock” so der Pressetext. Aber keine Angst, der klassische Rock findet hier fast nicht statt. Der Schwerpunkt liegt klar auf den psychedelischen Anteilen, die durchaus zum Träumen anregen. Sucht man Vergleiche, würde ich vielleicht mal auf die psychedelische Phase der Beatles Ende der späten Sechziger verweisen oder auf Pink Floyd. Daneben hat das Ganze aber noch einen deutlichen asiatischen Touch durch entsprechende Instrumente wie Sitar, Gong und Tampura. Eben alles, was eine indische Tempelkombo so braucht. Ergänzt um mal mehr oder weniger im Vordergrund stehende Space-Effekte. Das liest sich vielleicht nicht harmonisch, wird aber unter der Hand von Luis Simões zu einem echten Hör-Genuss.
Nach dem mystischen Start “Pan arrives”, bei dem der Hirtengott vom Gesang von Ana Vitorino begrüßt wird, geht es eigentlich erst richtig los im Weinberg. Mit “Keep it long” wird es fast poppig. Der Magier will uns wohl für seine Klangreise langsam einstimmen und vorbereiten. Die Sitar verbreitet good vibrations, der Gesang ist einnehmend, man hört sogar ein “Oh Yeah” und Synthies umschmeicheln unsere Ohren.
Nachfolgend mein Lieblingssong vom Album. Hier mag ich neben der Musik die Bedeutung der Fibonacci-Nummern, die einer mathematischen Reihe entspringen und unter anderem geometrischen Beziehungen und Verhältnisse in der Natur beschreiben. Beispiele für die Anwendung der Fibonacci-Folge sind die Spiralformen von Schneckenhäusern oder auch die wunderschöne Segmentierung auf Radicchio. Der Verweis im Text ist leicht zu finden: “We show you the secret of wonders from birth, Fibonacci numbers … we are so high” heißt es dort. Der Song schaltet im Tempo einen Gang zurück – der Sound wird ruhiger, aber belebende Effekte lassen keine Langeweile aufkommen.
Es folgen mit “Smoking in the sun” und “When I’m high” zwei eher ruhige Stücke, wobei das erste Stück als Instrumental noch deutlich ruhiger daher kommt als der Nachfolger. “When I’m high” hat aus meiner Sicht schon Bezug zu Drogen und macht das im Text auch klar. Musikalisch klimpert sich bei dem Song das Piano durch ruhige Synthie-Teppiche. Doch die Entspannung endet bald.
Die B-Seite startet mit dem zentralen Stück, dem dreiteiligen “Super Natural”. Alleine diese Oper der Natur ist es wert, gehört zu werden! Das epische Stück versetzt uns Hörer in traumhafte, entrückte und verzückte Zustände – herrlich. Wassergeplätscher und Vogelgezwitscher wie einer BBC-Dokumentation entnommen sind ganz großes Kino und man treibt in Gedanken auf seinem Floss den Urwald-Fluß langsam und sacht hinunter und hofft, dass dieser Moment nie enden möchte. Hier wird uns das Ende dann aber wenigstens mit einem erneuten Highlight versüßt. “Butterfly Collector” ist genau da, wo es hingehört – noch einmal nimmt uns Luis Simões mit auf seine Reise in die Klangwelten und es macht Spaß, dem abschließenden Gesang des Maestros zu lauschen. Große Überraschungen gibt es da nicht mehr, aber alles lieb gewonnene wird noch einmal in den Abspann gepackt und entlässt uns sozusagen in den Aufwachraum.
Am Ende ist es für mich eine echte Kaufempfehlung, da “Stranded in the Green” vor Ideen und Kreativität strotzt und nie langweilig wird. Es bietet der Hörerschaft das Eintauchen in an Natur angelehnte spacig-psychedelische Klänge, die mit feinsten Melodien umwoben sind. Das im März veröffentlichte Album (180g, limitiertes grünes Vinyl), könnt ihr beim nachstehenden Link bestellen und der Frühling kommt zu euch.