Jeder hat doch in seinem Leben diese LPs, die er seit Ewigkeiten immer wieder hört, die nie irgendwie in Zweifel geraten sind und über alle Anderen gestellt sind. Zu vielen solcher Platten gibt es Geschichten, die man damit verbindet. Sei es die erste eines Genres, die man selbst erworben hat, sei es ein spezielles Konzert in Zusammenhang mit der LP oder auch nur ein spezielles Lied, welches die Scheibe zu einer Herzensangelegenheit macht.
In dieser Reihe wollen wir euch solche Geschichten erzählen. Vielleicht habt auch ihr die ein oder andere Geschichte zu einer dieser Platten, die ihr euch dazu in Erinnerung rufen könnt. Vielleicht lernt ihr aber auch gute Alben oder Singles kennen, die bisher an euch vorbei gegangen sind. Es geht hier nicht darum, dass „Master of Puppets“, „Killer Queen“ oder „Never mind the bollocks“ Evergreens ihrer jeweiligen Abteilung sind. Hier geht es nur um die persönliche Historie und deren musikalischer Begleitung.
Folge Acht: Des Riedingers Platten
Da ham wer den Salat! Erst reiß ich mich um die Rubrik und nun steh ich – wie viele meiner KollegInnen vor mir auch schon – vor der schier unlösbaren Aufgabe, mich auf zehn – in Zahlen: 10! – Platten beschränken zu müssen, die mir am Herzen liegen und mir einen ganz besonderen Stempel aufgedrückt haben. Nun gut, da muss ich jetzt durch. Das geht nur mit einer guten Strategie. Zehn Platten, die ich toll finde? Zu simpel. Zehn Platten die meine Frau UND ich toll finden? Zu schwierig. Nein, meine Strategie lautet: die im folgenden aufgeführten zehn Platten kann ich unabhängig von Wetter, Jahres- und Tageszeit und damit zusammenhängend auch unabhängig von meiner Laune, unabhängig von weltweiten Pandemien, Sieg oder Niederlage des SC Freiburg und egal ob Maloche oder Urlaub einfach immer hören. Sie werden nie langweilig, ich liebe sie und sie sind immer für mich da.
So, die Kandidaten für die Endrunde stehen fest. Okay, zugegebenermaßen haben sich acht davon auch ohne mein pathetisch-schnulziges Kriterium mit Leichtigkeit qualifizieren können, was nicht heißt, dass es auf sie nicht zutrifft. Die anderen zwei mussten sich ihren Platz jedoch hart erkämpfen. Und haben sich dabei gegen echt starke Konkurrenz – Green Day (“Dookie”), Weezer (“das Blaue”), The Offspring (“Smash”), Guns’n’Roses (Alles!) und weitere – durchsetzen müssen. Letztlich stehen sie aber völlig verdient im Finale.
Und weil ich alle Finalisten gleichermaßen gern hab und der Zweite ja bekanntlich der erste Verlierer ist, hat die Reihenfolge hier mal gar nichts zu sagen. Hier spielt jeder Champions League. die Aufzählung folgt idiotensicher und gemäß der Ordnung meiner Plattensammlung einem altbewährten System: dem Alphabet. Und nun viel Spaß.
AC/DC – Powerage (1978):
Was musste ich mich schon ellenlangen und enervierenden Diskussionen mit meinen Punker – Kumpels und Kumpelinen aussetzen, von wegen AC/DC gehe ja mal gar nicht. Teilweise musste ich mich für meine Liebe zu dieser Band gar rechtfertigen. Dabei sind (zumindest die frühen) AC/DC dank ihrer Attitüde und mit Songtiteln wie “Riff Raff” oder “Kicked In The Teeth” womöglich gar mehr Punk als so manche(r) von denen. Auch wenn Angus einst im Interview lakonisch meinte: “Punker? Das sind doch diese Typen, die noch nicht mal ihre Gitarren stimmen können! Mit denen will ich nichts zu tun haben!” Wie dem auch sei, ich liebe diese Band und das wird für immer so bleiben. Und wenn ich noch so viele Diskussionen darüber führen muss. AC/DC sind in meinem Fall verantwortlich für alles, was mit Musik zu tun hat: mit dem Hören von Musik, auch von Punkmusik, damit verbunden mit dem Erleben vieler schöner Konzerte, mit dem Lernen des Gitarrespielens und damit verbunden mit dem Spielen in eigenen Bands, auch Punkbands, und dem Erleben vieler schöner selbst gespielter Konzerte. Sie waren mein musikalisches Alpha und auf meiner Beerdigung würde ich mir wünschen, dass “Riff Raff” gespielt wird und damit das Omega bildet. Diesen Song halte ich übrigens für den Besten aller besten AC/DC – Songs, weshalb hier auch “Powerage” die auserwählte Scheibe geworden ist. Aber selbstverständlich könnte hier auch (fast) jedes andere Album der Band stehen.
Adolescents – Adolescents (1981):
A propos selbst gespielte Konzerte: es mag mittlerweile rund 10 Jahre her sein, da durften wir in Stuttgart mit den Smalltown Rockets für die Adolescents eröffnen. Wie geil war dass denn?! Wir im Vorprogramm einer meiner Heldenbands! Danach hätte ich den Löffel abgeben können. Wäre vollkommen okay gewesen. Und doch die bange Frage: “hoffentlich sind die Typen cool und versauen mir nicht meine Illusion von ihnen?” Dann der große Abend und die große Erleichterung. Die Typen waren einfach nur die liebsten Kerle, die man sich in einer solch legendären Band überhaupt nur vorstellen kann. Und dann spielten die auch noch fast jeden Hit dieser ihrer ersten Platte voller Hits. Meine Begeisterung lässt sich hier jetzt nicht eben kurz hinkritzeln, aber ich denke, ihr könnt sie euch in etwa vorstellen. Nochmal kurz zur Platte. Nur Hits, hatten wir schon. Damit einhergehend ein Songwriting, dass ohne zu übertreiben die Blaupause für viele der später folgenden kalifornischen Punkbands, die damit zu Bestsellern wurden, darstellt. Spitzenmäßige Gitarrenarbeit, was mir mitunter auch bei Punkbands wichtig ist und einen knarzigen, aber trotzdem satten Sound. Ende. Aus. Adolescents forever.
Fleetwood Mac – Rumours (1977):
Der Tobi meinte gestern noch, ich solle mich doch beim Schreiben auch mal kürzer fassen. Hat er auch recht mit. Deshalb hier im Schnelldurchlauf: was die Adolescents für den Punk sind, sind Fleetwood Mac für den Pop. Wegweisend und unerreichbar. Und “Rumours” ist ihr bestes Album. Ein Hit jagt den nächsten und ich weiß nicht, wie oft ich schon nachts um vier auf dem Aftershow-Dancefloor voller Inbrunst “You Can Go Your Own Way” mitgegrölt habe. Einziger Unterschied: mit Fleetwood Mac haben wir noch nie gespielt.
NOFX – S&M Airlines (1989):
Wo wir’s gerade von “Go Your Own Way” hatten. Die Nummer wird ja auf dieser Platte ganz ordentlich und mit der NOFXschen Albernheit durch den Coverwolf gedreht. ’89 durften die ja auch noch albern sein, da waren die ja auch noch jung. Mittlerweile… na ja, das ist ein anderes Thema. Fat Mike hat dieser Platte angekreidet, sie sei zu Metal-lastig, was er wiederum seinem damaligen Gitarristen Steve Kidwiller angehängt hat. Ich sage: ihr Trottel hättet den Mann behalten sollen! Genau diese Metalkante, gepaart mit den erstmals auftretenden Trademarks der Band, den mehrstimmigen Chören und Singalongs, macht “S&M Airlines” ja zum besten Werk der Band. Genau das sagte ich Eric Melvin einst, als ich ihn auf einem Festival im Saarland in ein Gespräch verwickeln konnte. Er war dann doch etwas erstaunt und distanzierte sich merklich. Gott sei Dank hatte er mir das Dosenbier aus ihrem Kühlschrank schon vorher gegeben. Liebe NOFX, mögt doch an euch selber was ihr wollt, ich mag “S&M Airlines”. Klasse Songs mit denen ich Gitarre spielen lernte. Also eher mit den Parts von Melvin, versteht sich!
Poison Idea – Feel The Darkness (1990):
Kommen wir nun zu der Platte, die es mit seeehr großer Wahrscheinlichkeit auf die Nummer 1 geschafft hätte, hätte ich hier doch ein Ranking eingeführt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, außer: ich liebe diese Platte, verdammt nochmal!
Spiel mir das Lied vom Tod – Soundtrack / Orchester Ennio Morricone (1978):
Wo der Film ab und an mit gewollten Längen nervt, zeigt sich der Soundtrack kurzweilig und unterhaltsam. Und schwelgen lässt er einen auch. Hach, es sind einfach tolle Melodien und irgendwie hat man doch immer die wunderschöne Claudia Cardinale und den rüffeligen Charles Bronson vor seinem geistigen Auge. Meiner Meinung nach der Höhepunkt des Schaffens des größten Filmkomponisten aller Zeiten. Mehr geht nicht. Gehen tut die Platte aber immer. Zeitlos eben.
Supergrass – I Should Coco (1995):
Genau wie diese Platte liefen die Partys in meiner Jugend ab. Und es waren geile Partys! “I’d Like To Know”: der fulminante Start. Erst mal ankommen und großes Hallo und Stelldichein. Endlich Wochenende. “Caught By The Fuzz”: unauffällig am Buffet und vor allem am Bier bedienen. Die Lage sondieren. “Alright”: der Pegel stimmt. Und zu Evergreens wie diesem kann sogar ich mich auf dem Dancefloor bewegen. “Strange Ones”: genug getanzt. Erst mal wieder nachtanken. Und dabei auch das ein oder andere Gespräch suchen. Da mit steigender Promille mutiger, gerne auch mal mit Fremden. “Time”: diese ist inzwischen fortgeschritten und somit auch der Pegel. Zeit also für ein bisschen alkoholdusselige Melancholie. “Time To Go”: so langsam wird’s hell. Es wird Zeit für’s Bett. Schön war’s. Die Platte ist es bis heute.
Turbonegro – Apocalypse Dudes (1998):
Happy Tom betonte steht’s die Wichtigkeit von Poison Idea für seine eigene Band. Und meinen Kommentar zu denen hatte ich ja bereits gegeben. Logisch also, dass ich auch “Apocalypse Dudes” liebe. Allerdings kommen hier noch ein paar andere Aspekte zum tragen. In einer Zeit, in der die Turbojugenden wie Pilze aus dem Boden schossen, tja, da war auch ich noch jung. Und mit meiner damaligen Band, den Smalltown Rockets, passten wir auch irgendwie in das Genre. Was heißt da irgendwie, natürlich hatten wir es drauf angelegt. Schweinerock, wie es so lapidar hieß. Und deshalb wurden wir Ländleweit auch gerne zur musikalischen Umrahmung der Turboparties geladen. Wir hatten Spaß, jede Menge Bier und keinerlei Sorgen. Es war eine tolle Zeit. “Apocalypse Dudes” hat sie uns geschenkt.
Wipers – Youth Of America (1981):
Es ist gerade mal zwei Jahre her. Wir spielten mit den Neat Mentals in Paris und waren tags drauf noch auf einem Festival. Leider ist es unseren französischen Kumpels nicht gelungen, uns da kurzfristig noch ins Line – Up zu zecken, aber dafür durften wir umsonst rein. Die Youth Avoiders haben gespielt. Es war toll. Und dann gab’s da noch diesen spanischen Distro, den ich womöglich nicht wahrgenommen hätte, wäre ich mit einem eigenen Gig beschäftigt gewesen. Mit dem Typ vom Distro etwas ins Gespräch gekommen, empfahl er mir dringend “Youth Of America”. War ein Spitzentyp, deswegen hab ich ihm vertraut. Wie sich daheim herausstellen sollte, absolut zurecht. Die Platte hat mich direkt umgehauen, verzaubert, whatever. Erst später habe ich bemerkt, dass ich sie schon in der Reissue – Version mit dem hässlichen Artwork hatte, aber wahrscheinlich immer von eben diesem abgeschreckt wurde. Ich Trottel! Da hatte ich jedenfalls schon einige Jahre mit dem Nicht-hören der Platte verschenkt, dabei wäre es doch so einfach gewesen. Egal, jetzt ist sie da (und zwar gleich doppelt) und jetzt wird sie bleiben. Amen.
Zeke – Death Alley (2001):
Soll ich? Ja, ich soll. Nein, ich MUSS! auch auf die große Gefahr hin, dass ich von der Chefredaktion einen Rüffel kassiere, mir das Weihnachtsgeld gestrichen wird oder ich in Zukunft von den Kollegen gemobbt werde. Ich muss an dieser Stelle gegen die goldene Regel dieser Rubrik verstoßen und eine Post-Millennium-Platte anführen. Aber hey, wir sind im Finale, da sind alle Mittel recht. Ich erinnere an die Hand Gottes. Und das war meines Wissens schon im Viertelfinale. A pro pos Hand Gottes. Diese muss beim Aufnehmen dieser Platte auch mitgemischt haben. Aberwitzig schnell, aberwitzig dreckig, aberwitzig alles. Diese Platte verirrt sich, nein nimmt zurecht mindestens einmal die Woche den Platz auf meinem Plattenteller ein und ich drehe immer noch dazu durch. Ansonsten kann ich nur auf mein Statement zu “Feel The Darkness” verweisen. By the way: beim Durchstöbern meiner Sammlung nach den Top 10 fiel mir tatsächlich erst auf, wie viele geile Platten erst nach 2000 erschienen sind. Will damit nur sagen, alle die den Rock’n’Roll seit (spätestens) der Jahrtausendwende für tot erklären: ihr lügt! Ich freue mich also auf den zweiten Teil dieser Reihe, wenn’s um das Post-Millennium gehen wird. Falls ich dann, liebe Chefredaktion, noch mitspielen darf?!
Falls nicht, sage ich trotzdem schönen Dank für die Möglichkeit, diese Rubrik bedient haben zu dürfen. Hat mir mega Laune gemacht (ganz schöner Arschkriecher, der Riedinger, was?!). Ich hoffe doch euch, werte Leserschaft, auch ein bisserl. Bis denne, Euer Riedinger