Es ist schon ein wenig her, dass ich „Der Elefant verschwindet“ und „Kafka am Strand“ von Haruki Murakami gelesen habe. Zuletzt nochmal die Kurzgeschichte „Scheunen abbrennen“, bevor ich den darauf basierenden Film „Burning“ im Kino sah. Und tatsächlich liegt „Die Ermordung des Commendatore“ noch ungelesen im Regal. Warum eigentlich?
Somit muss ich mich schwer zusammenreißen nicht als erstes ins Bücherregal zu greifen um die Erinnerungen aufzufrischen, als „Two Moon“ mit dem Untertitel „Inspired by the works of Haruki Murakami“ von Sebastian Gahler, bei mir eintrifft.
Aber die Erinnerung muss vorerst reichen. Denn Sebastian Gahlers Konzeptalbum ist kein Soundtrack zu den Büchern Murakamis, sondern der Versuch die in den Werken erzeugte Stimmung aufzugreifen und widerzuspiegeln.
Somit komme ich nicht um ein paar Sätze zur Literatur und zum Schreiben Haruki Murakamis. Allen, oder zumindest meinen bisher gelesenen Büchern und Geschichten ist gemein, dass sie die Leserschaft in eine Erzählung ziehen, zu der man schnell Teil wird. Im Verlauf entrückt die Geschichte der Realität und die Lesenden stehen mit einem Bein in der Wirklichkeit, mit dem anderen im surrealen Raum. Bisweilen weiß man nicht mehr welches Bein, denn nun welches ist. Ein psychotischer Spagat, genial erzählt. Und immer wieder findet auch Musik statt in diesen Geschichten.
Jazz bietet einen wunderbaren Nährboden um dieses Entrückt sein wiederzugeben und Sebastian Gahlers Kompositionen klingen mit gleicher Leichtigkeit, wie sich Murakamis Geschichten lesen.
Beginnen wir mit dem zweiten Song, dem Titeltrack „Two Moons“, der auch auf dem Cover verbindlich ist. Hier greift Gahler das Motiv der Parallelwelten auf „1Q84“ auf. Parallel, übereinander gelagert sind auch die Rhythmen des Musikstücks. Wo die Trompete die Richtung vorgibt, entrückt das Klavier in seinem eigenen Tempo. Die aufgebaute Spannung wird bei genauem zuhören deutlich. Dennoch wirkt es nicht zerrissen und überfordert die Hörerschaft nicht in einem (um im Bild zu bleiben) Spagat.
Das Album ist nicht, wie man vermuten könnte eine avantgardistische Vereinzelung der Instrumente. Nein, Sebastian Gahler schafft mühelos den Spagat zwischen realem und surrealem. Er nimmt uns mit auf eine Reise die zwar getragen wird vom literarischem Werk, wie in „Kafka Tamura“, dies aber nicht voraussetzt.
Mit „Two Moons“ hat Sebastian Gahler gemeinsam mit seinem Quartett ein Jazz Album geschaffen, was nicht nur Menschen, die Haruki Murakami lesen und lieben begeistert. Aber vielleicht verleitet es den*die ein*en oder andere Hörer*in zum Lesen. Auch den oben schon erwähnten Film „Burning“ kann ich nur empfehlen, denn er kann, was den wenigsten Filmen gelingt, mit dem Buch mithalten.
Erschienen ist das Album auf Jazz Sick Records am 9. September, auf schwarzen, 180g schwerem Vinyl. Vertrieben wird es via The Orchard und erhältlich ist es unter anderem hier.