Heute gibt’s nicht nur ne neue Band-Review sondern dazu auch gleich ne Label Vorstellung. Nämlich das recht neue Tübinger Tape-Label Dysfunctional Disco Records welches sich der Wiederauferstehung der Kassette verschrieben hat. Ihr wisst schon, diese kleinen Plastik Dinger mit dem Band drin welches man mit nem Bleistift zurück drehen muss. Alles ganz DIY mit selbst überspielten Kassetten und siebgedruckten Inlays.
Eine der ersten VÖs auf besagtem Label ist Sehm The Sham mit einem Best of seiner von 2010 bis 2020 aufgenommenen Tracks. Bei Sehm The Sham handelt es sich um ein experimentelles Electro Nebenprojekt vom Schlagzeuger der Bikes Garage-Punker Stefan, der außerdem auch noch CCCANDY als weiteres Projekt verantwortet. Das Tape umfasst 11 Songs mit Spielzeiten irgendwo zwischen knappen 2 Minuten und etwas mehr als drei Minuten also eigentlich Punkrock Länge. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass alles was es auf dem Tape zu hören gibt in jeweils einem Take aufgenommen wurde.
Musikalisch bewegen sich die 11 Songs irgendwo zwischen minimal mit dark Wave Einschlägen und dystopischen atonalen Synthie-Sounds. Erinnert mich jedenfalls stark an die Mucke, die auch gerne mal bei Tomatenplatten erscheint aber diesmal eben via Dysfunctional Disco Records. Der Künstler selbst sagt zu seinem Schaffen folgendes:
„A compilation of songs by ego tripper-synth-project “Sehm The Sham” recorded between 2010-20/20. Driven by self-doubt and overconfidence – mind and drink flowed freely. 50% dreary, 50% silky-soft – 100% for the sake of MATT. Music for glazed eyes, throbbing temples and narrow shoulders.“
Ich würde das ganze recht knapp minimalistischer elektronischer Musik mit Garage-Punk Attitüde betiteln wollen. Gerade in den 80igern gab es einige, leider aber wenig bekanntere Punkbands, die sich auch mal an Synthesizer gewagt haben um etwas am Zahn der Zeit zu sein. Quasi Adam Ant in verstörenden und rauer. Oder Björn Peng in minimalistischer.
Ich finde auch man kann eine Entwicklung heraushören, wenn man sich die Songs aus den 2010er Jahren anhört, die noch Recht experimentell daherkommen (was nicht negativ gemeint ist) und auch qualitativ noch etwas rudimentärer klingen – im direkten Vergleich zu z.B. Joe Camel Bounce aus 2020 – hat sich doch zumindest an der Soundqualität etwas getan. Der Minimalismus mit durchaus verstörenden Lärmelementen bleibt aber zum Glück bestehen.
Sehm The Sham ist wie auf Acid durch Fledermausland fahren. Etwas verstörend aber irgendwie auch ganz befreiend weil eben anders.
Ein paar kleine Eastereggs hat Stefan auf dem Tape auch versteckt so bezieht sich der Songtitel „74199“ z.B. auf die Postleitzahl von Untergruppenbach. Den meisten wohl nur als Autobahnausfahrt bei Heilbronn bekannt, handelt es sich bei Untergruppenbach aber tatsächlich um die Keimzelle des Garage-Punks in der Region Heilbronn. Und auch der Titel „20/20“ ist als Hommage an gleichnamige Powerpop-Band zu verstehen.
Besorgen könnt ihr euch das gute Stück direkt HIER.