„Die Menschen lieben die Dämmerung mehr als den hellen Tag, und eben in der Dämmerung erscheinen die Gespenster.“
Johann Wolfgang von Goethe
A Walk in the Dark
„FATHOM“ ist ein düsterer Gang durch ein Moor in der Dämmerung. Nebel wabert knöcheltief und macht es schwer den Weg zu erkennen. Immer wieder sinken die Füße ein und etwas Dunkles versucht den nächsten Schritt zu verhindern. Es geht nur langsam vorwärts und immer machen die Irrlichter des Moores eine Orientierung fast unmöglich. Dunklen Dämonenfratzen materialisieren sich aus der Dunkelheit und dem Nebel. Sie versuchen den erschöpften und verwirrten Wanderer in eine tödliche Dunkelheit zu ziehen, aus der es kein Entkommen gibt.
SOONAGO gehen ihren Weg
Mit dem Debüt „Nephele“ hat das Bielefelder Quartett SOONAGO bereits ein four-track-Album geschaffen, welches dem Post Rock, Post Metal neue musikalische Bedeutsamkeit und Gewichtung verschaffte. Auf „Nephele“ agieren SOONAGO sehr puritistisch: ohne zusätzliche Effekte und Instrumente bleiben sie bei der Linie, zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Das Ergebnis kann sich, in Bezug auf Dynamik und Textur, hören lassen und muss Vergleiche mit Kollegen des Genres nicht fürchten. SOONAGO erzeugen beim Hörer:in Atmosphäre, Klangwelten und einem Wall of Sound Aufmerksamkeit, Interesse und vor allen Dingen: Emotionen.
Mit „FATHOM“ haben SOONAGO konsequent den Schritt zum next level gemacht. Die Band hat sich nach „Nephele“ Zeit und Raum gegeben, um genau diese Entwicklung zu machen. SOONAGO zelebrieren ihre Interpretation vom Post Rock auf der Höhe der Zeit und verbleiben nicht im Vergangenen des Genres. Zweifelsohne basiert die Idee und der Sound von „Fathom“ auf den bewährten Zutaten des Post Rocks: die sehr ausgedehnt angelegten Spannungsbögen, die emotionalen und epischen Song-Enden klingen wie klassischen Kompositionen.
SOONAGO sind großartige Komponisten und kluge Arrangeure. Weite Strecken der Songs sind sehr rifflastig und schaffen die Intensität, die den Songs Tiefe verleiht. Aber erst die ruhigen Momente schaffen diese düstere, ruhige, sehr nach innen gekehrte Atmosphäre, die dem Hörer gleichzeitig Gänsehaut und wohlige Wärme verschafft. SOONAGO scheuen sich nicht davor diese Kompositionen in einer Länge zu präsentieren, die es ihnen ermöglicht die Songs langsam aufzubauen, zu steigern und einen Spannungsbogen zu erzeugen.
„FATHOM“ unter der Lupe
Wie das Ertönen ferner Kriegstrommeln, eröffnen die Drums (Christian Blaue) das Album und schaffen diese bedrohliche Atmosphäre, in die das Gitarren-Duo (Lukas Külker und Niklas Teich) einstimmt. „EVAC“, Single-Release, lebt vom subtilen Wechsel der Instrumente, melodische Gitarren, Bass-Lines und die Drums lassen den Wall of Sound anschwellen. Der ruhigere Teil des Songs sorgt für Erholung und heuchlerische Ruhe, die spätestens beim Finale durch eine heftige Attacke in ihre Einzelteile zerlegt wird.
Gleich einem Rollercoaster kommt erbarmungslos mit „Beta“ der zweite Track der A-Seite und fordert die Hörerschaft mit straighten Riffs, rasanten Wechseln von Emotion und Tempo. SOONAGO belohnen uns im Mittelteil mit einer Cello-Passage (Monica von Bülow), die von Gitarren untermalt wird. Was folgt ist eine geniale Songführung: Bass und Drums bereiten alles für ein großes Finale vor, welches aber ausbleibt, nur um später dem Song ein lärmendes Ende zu gönnen.
Nach dem Seitenwechsel, eröffnet „Apophenia“ den Reigen und startet mit ruhigen, tiefe, Unheil verkündenden, wabernden Synthie-Teppichen, zu denen man entferntes Gitarrenspiel und leise Drums hört. In „Apophenia“ laufen SOONAGO zur Höchstform auf – jede Note zeigt ihr Credo, dem Individuum seinen Teil zur Komposition beizutragen. Deutlich im Tempo gedrosselt, mit einem deutlich nach vorne gestelltem Bass (Simon Kohler), schnurrt „Apophenia“ wie der Kater aus „Pet Sematary“. Scheinbar handelt es sich um das geliebte Tier, während es sich, in Wahrheit, um eine wiedergeborene Ausgeburt der Hölle handelt. Dieses Moment, in dem du realisiert, dass deine Bemühungen sinnlos waren und nur Schmerz und Leid bringen werden, erzeugen SOONAGO in „Apophenia“ par excellence.
“And the most terrifying question of all may be, just how much horror the human mind can stand
and still maintain a wakeful, staring, unrelenting sanity.”
Stephen King
Der Titeltrack „FATHOM“ am Ende von des Albums, fällt ein wenig aus dem Rahmen. Zwar halten SOONAGO an den bewährten langen und stark verzerrten Gitarren fest, aber „Fathom“ ist deutlich rhythmuslastiger – von relaxten Grooves bis hin zum Double-Kick bringt der Drummer alles ein und geben dem Song Struktur. Dazu werden Sprachfetzen aus “The World We Want To Live In” von der National Conference of Christians and Jews (1942) eingebaut. Eine kluge politische Aussage als Finale des Albums.
„The World we wanna live in is a world in which everyone lives in freedom.“of „The World we want to live in“ by the National Conference of Christians and Jews
„FATHOM“ in wenigen Worten
„FATHOM“ ist ein großartiges Album, welches durch den Aufbau der Songs, Songwriting und den epischen Wall of Sound brilliert. Der Zuhörer wird in seinen Bann gerissen und vermisst zu keiner Sekunde einen Gesangspart. SOONAGO fädeln ihre Songs geschickt ein und ziehen an den richtigen Fäden, um eine düster-romanische Atmosphäre zu erzeugen. Dazu sind SOONAGO wahre Hexer auf ihren Instrumenten und sind perfekt aufeinander eingespielt. Das nächste Level wurde definitiv erreicht.
Wer nach dem Review nun das Album erwerben will, kann das hier (limitierte 180g Edition in Clear Vinyl) tun. Man erhält ein handnummeriertes Album als Gatefold-Sleeve mit reichhaltigem Zubehör: einem bedrucktem Innersleeve, Werbegeschenken des Labels wie Aufkleber, Postkarte und Quizfragenkarte (!) sowie SOONAGO-Aufklebern, -Postkarte und Download-Code. Die Gesamtlänge des Tonträger beläuft sich auf über vierzig Minuten. Es gilt „FATHOM“ Zeit einzuräumen. Zeit, in welcher der Hörer:in in die epischen, düster-romatischen Klangwelten abtaucht, um sich dort zu verlieren.
Neben dieser Edition, gibt es „Fatum“ noch als digitalen Download, als CD mit Download, als Vinyl-CD-Bundle plus digitalem Download sowie als Bundle aus limitiertem Vinyl mit Slipmate.