China. Das selbsternannte Reich der Mitte. Land der Superlative. Größte Mauer, größte Einwohnerzahl, größte Exportnation, (vielleicht auch die) größte Anzahl an (unverblümten) Menschenrechtsverletzungen. Nur für eines ist China wahrlich nicht bekannt, nämlich für Punkrock. Wie denn auch, muss man dort doch schon arg aufpassen, was man sagt und tut. So zumindest der Informationsgehalt eines Westeuropäers, der ebenfalls aufpassen muss, was er hier schreibt, denn mit eigenen Augen bezeugen kann er nichts. Ist eher, was man medial halt so mitbekommt, was anhand der Bilder aus Hongkong bis hin zur Hintergrundberichterstattung zu den olympischen Winterspielen aber dann doch recht plausibel erscheint.
Eine Informationsquelle jedoch, die auf ganz andere Weise authentisch wirkt und direkt von vier Männern zu uns transportiert wird, die tatsächlich erleben, was sich vor Ort abspielen mag, untermauert das in punkto Menschlichkeit nicht allzu gute Bild, das man von diesem Land und seiner Politik haben kann. Die vier Männer spielen seit 20 Jahren zusammen in der Punkrockband The Noname. Die Band stammt aus der zentralchinesischen Metropole Xi’An. Und, die Band bringt uns in jedem der satten 22 Songs auf der nun zu Ehren ihres eben zwanzigjährigen Jubiläums von Smith & Miller Records veröffentlichten Compilation “Best Of 2001 – 2021 (20th Anniversary)” eine ganze Menge an Systemkritik und Widerstand näher. Unter Berücksichtigung des oben beschriebenen “Informationsgehalts eines Westeuropäers” finde ich das ganz schön mutig und ich ziehe meinen Hut vor The Noname.
Und wie kann man diese 22 politischen Statements am besten musikalisch intonieren? Na klar, mit lupenreinem Streetpunk natürlich! Hier und da noch ein bisschen The Renderings, Angelic Upstarts und The Clash verwurstelt, wunderbare Singalongs und Punk – Gitarrensoli eingestreut und der Smasher “We Don’t Need Your Rules” erinnert mich dank seines Sounds und den Oh Oh Oh – Chören gar an das mit “Smash” betitelte Platin – Album von The Offspring. Aber ansonsten stehen ganz klar Nietenkaiserbands wie Riot Brigade, The Casualties oder auch Rancid mit ihren härteren, weil direkteren Songs Pate. Übergeordnet und als roter Faden zumindest. Allerdings haben The Noname in all den Jahren eben auch ein bisschen rumexperimentiert, wie man der eben erfolgten Aufzählung an Bands entnehmen kann.
Das sorgt einerseits für erfrischende Abwechslung beim Durchhören der Compilation, andererseits sind mir die eklatanten Klang- und Produktionsunterschiede fast schon zu heftig, dafür, dass es sich um ein und die selbe Band handelt. So hat das Ganze eher den Charakter eines Samplers, denn als eines einheitlichen Bandreleases. Nun gut, es wird das Schaffen von The Noname widergespiegelt und hey, vielleicht muss das gerade bei einer Band aus einem auf Monotonie getrimmten Land wie China auch so sein?! Und schon wieder muss ich aufpassen, was ich schreibe.
Nicht aufpassen muss ich jedoch, wenn ich schreibe, dass es einer guten Punkband mit der Veröffentlichung von “Best Of 2001 – 2022 (20th Anniversary)” gelungen ist, allen, die mit der chinesischen Punkszene noch nicht wirklich in Berührung gekommen sind, einen Eindruck davon zu vermitteln, was vor Ort bewegt und relevant ist. Und das obendrein noch ohne Umwege und straight in your face. Reinhören lohnt sich also in jeglicher Hinsicht.
Die Doppel – LP ist auf 500 Stück limitiert und erscheint in einem handnummerierten Inside/Out – Cover mit dem vielleicht unvermeidlichen(?) Drachen vorne drauf. Die erste LP ist militärgrün, die zweite in lieblichem Gegensatz dazu himbeerrot, beide ein bisschen splattered. Download – Code liegt auch noch bei. Abgedruckt sind sämtliche Texte auf Englisch und teilweise auch auf Chinesisch.
Die Platte(n) gibt’s direkt bei Smith & Miller Records.