Och nee, ich wollte doch schon längst… Beim Aufräumen fällt mir die neue The Offenders-Platte Orthodoxy Of New Radicalism wieder in die Hände.
Verdammt! Völlig verdrängt. Denn so gaaanz neu ist die Platte nun nicht mehr (veröffentlicht wurde das gute Stück bereits Ende März von Long Beach Records Europe). Mir liegt die limitierte Auflage in durchsichtigem Vinyl vor, die inzwischen offenbar vergriffen ist. Aber in blau ist die Scheibe bestimmt auch hübsch anzusehen – und schließlich zählt ja der Inhalt. Ach, beim Wäsche Aufhängen mal wenigstens reinhören, Ideen sammeln, bei Gelegenheit dann in Ruhe aufschreiben, damit auch die Welt der Vinylkekse vom neunten Werk der Wahl-Berliner erfährt.
Haha.
Schon nach drei T-Shirts greife ich zum Inlay statt zum nächsten Shirt. Im nächsten Moment sitze ich auf dem nächstgelegenen Stuhl und bin vertieft in die Texte – und das liegt nicht nur daran, dass Wäsche echt langweilig sein kann. Gleich bei “Tales from my neighborhood” fehlt mir beim ersten Hören der Plot – das liegt einfach daran, dass ich gerne lese, was ich höre, um besser zu verstehen. Denn Geschichten aus der Nachbarschaft können ja so ziemlich alles sein – hier sind sie vor allem Kritik an einem reichen Sack, der nicht über seinen Tellerrand rausschaut, während die besungene Nachbarschaft in Armut und Dreck mehr vegetiert als lebt. Harter Tobak, aber musikalisch gut inszeniert. Das Bein wippt.
In feinster Sing-Along-Manier geht es musikalisch weiter, allerdings durchbrechen die Texte diese fröhliche Stimmung gekonnt – oder kann ein “Letter from the front” wirklich Partystimmung erzeugen? Irgendwie schon. Es ist der Tanz auf dem Vulkan. Entweder löst das Weltgeschehen Resignation aus oder macht einen wütend, wie es The Offenders mal mehr mal weniger direkt beschreiben. Aber eben nie, ohne den Spaß an der Musik zu verlieren. Das ist eine echte Stärke, finde ich. Denn so wird Energie frei: In “The Messenger” heißt es “’cause hope is last to die” und an anderer Stelle in “Cardboard” findet sich die Zeile “But I tell you what: the answer is you”.
Inhaltlich liegt der Finger also in der Wunde und bohrt. Musikalisch sind Anklänge an Folkpunk durch die irische Bouzouki, die so wunderbar metallisch klingt, nicht zu leugnen. Die Betonung liegt aber ganz klar auf Punk. Der Ska der Anfangstage der Offenders blitzt allenfalls hier und da mal im Rhythmus durch – ich fühle mich mehrfach an Bands wie Real Mckenzies erinnert. Der Sing-Along-Faktor kommt keinesfalls zu kurz (hier seien “You vs. Reality” und “Hall of fame” erwähnt). Eine runde Sache!
Inzwischen ist die Platte durchgelaufen, der Schlusspunkt “Trust” lässt sich wunderbar als abschließende Botschaft verstehen: Vertraue nicht denen “da oben”, die wollen dir nix Gutes. Danke für den Hinweis!
In Gedanken wende ich mich nun wieder der Wäsche zu. Was war das jetzt? Bis zur vorläufigen Antwort hängen weitere Shirts: Die Platte gefällt mir, musikalisch wie auch textlich – keine Frage. Inzwischen hängen auch ein paar Hosen: Trotzdem. Irgendwas stört mich.
Vielleicht ist es genau das: Klassenstreber! Hat genau gemacht, was erwartet wird. Genial ist es nicht, dafür ist es mir zu glatt. Aber wirklich, wirklich gut. Ich stelle mir vor, dass das live richtig gut abgeht, auch auf größeren Bühnen mit großer Zuschauerschaft. Dafür ist die Platte ein perfektes Bewerbungsschreiben. Vorerst sind The Offenders aber noch auf den eher kleinen Bühnen im Land zu sehen. Anstehende Termine findet ihr hier und die Platte, die definitiv ins Regal gehört, hier.
Ha, und inzwischen hängt sogar die Wäsche.