Schon wieder ein Streaming-Konzert. Was heißt hier eigentlich schon wieder? Das letzte war im März, Grillmaster Flash, ebenfalls im, nun schon pandemiebedingt, fast legendären Club100-Bremen.
Wieder ließ ich alle Möglichkeiten zur Konzertvorbereitung, hier könnt ihr sie nochmal nachlesen, links liegen. Das war auch gut so, denn dieses Streaming-Konzert, am 03.05.2021 im Pier 2 für den Club100-Bremen, war anders.
Wer von euch schon mal auf einem Tomte oder Thees Uhlmann Konzert war, weiß, dass es dort nicht unbedingt leise zu geht und selbst wenn Thees Uhlmann „nur“ vorliest, brennt schon mal die Hütte, mindestens aber die Bühne. Und genau deswegen steht oder sitzt man ja auch im Publikum.
An diesem Montagabend sollte es aber nicht so sein und das klingt erstmal ziemlich seltsam. Warum hatte man sich denn sonst vor diesen Computer gesetzt. Aber, wenn Erwartungen enttäuscht werden, kann das durchaus eine gute Sache sein.
Statt der üblichen sieben Musiker:innen, waren sie dieses Mal zu viert auf der Bühne. Mit dabei waren, neben Thees Uhlmann, Simon Frontzek (Sir Simon), Rudi Maier (Burkini Beach) und Schlagzeuger Max Perner. Statt des üblichen Rock’n-Rock-Outfits, hatten sie den Songs für diesen Abend neue, zartere, feinmaschigere, Pullover gestrickt und sie standen ihnen hervorragend.
Überraschend war die Setlist nicht, wenigstens was das an ging wurden die Erwartungen erfüllt. Also begann der Abend mit „Fünf Jahre nicht gesungen“. Wenn man sich das Lied mal genau anhört, dann ist dort ja sowieso schon eine zarte Bluesnote versteckt und diese dürfte nun mal raus und genoss sichtlich und hörbar, bei diesem Song den Ton anzugeben. Sehr schön! Auch den Rest des Abends machte sie sich immer mal wieder bemerkbar. Und wenn ich das hier selbst lese, dann kann ich mir das kaum vorstellen, aber so war es ja nun mal. Und so ging’s durchs letzte Thees Album, ein paar Songs des ersten Albums, aber auch ein Tomte Song fanden statt.
Thees Uhlmann, der „ich bin kein politischer Künstler“-Künstler (das müssten wir mal bei einem Bier ausdiskutieren), leitete, in üblicher Erzähllaune von einem Song zum nächsten. Frauenbild und HipHop würden natürlich angesprochen und eine Empfehlung ausgesprochen, die ich an dieser Stelle weitergebe, für alle die, die nicht beim Konzert waren, oder verzweifelt im Hirn nach dem Namen, der „Billie Eilish des Burgenlandes“ suchen. Die Rede ist von Trojana, hört da mal rein. Welcher Song auf diese Ansage folgte ist, glaube ich, jedem klar – „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt“. Wer jetzt glaubt, dass ich den Song nur erwähne, um die Wortzahl des Artikels ordentlich in die Höhe zu treiben, der irrt.
Natürlich wurde auch die neue Single „Club 27“ (ihr wisst schon, geschrieben von Benjamin von Stuckrad-Barre und Robin Grubert) gespielt. Man fragte sich, „Was wird aus Hannover“, ehe eine Coverversion des Toten Hosen- Klassikers „Liebeslied“ in einer derart abgedrehten Blues mit eine bisschen Country -Version gespielt wurde, die mir immer noch durchs Hirn hallt.
Zwischenzeitlich kam es mir so vor, als ob der:die Kameramann:frau ein wenig in Schlagzeuger Max Perner verliebt wäre, das ist auch völlig in Ordnung. Dies ist keine Kritik an Kamera und Schnitt und wie das alles heißt, denn auch das muss mal erwähnt sein, das Bild und der Bildwechsel und das, was auf meinem heimischen Bildschirm zu sehen war, war hervorragend. Und es gibt ja auch kaum schöneres als Musikschaffenden beim Musik schaffen zu zuschauen.
Das letzte Drittel des Konzerts lässt sich jetzt wirklich schlecht in Worte fassen, denn Lieder wie „Junkies und Scientologen“ sind ja sowieso schon so schön, aber wer bei dieser Version nicht heulend vorm Bildschirm saß, der… ach weiß ich auch nicht. Ich jedenfalls schon, noch dazu mit einer Gänsehaut, die von Köln bis nach Bremen reichte und sich auch bei „Avicii“ nicht legte. Wie kann man einen Song so reduzierend und es dabei so krachen lassen? Keine Ahnung! Mit den Worten „wir küssen eure Rechner!“ und „ein Satellit sendet leise“ endete der Konzertabend dann auch schon viel zu schnell.
Und wenn ich das hier so lese, dann klingt es ein wenig nach einem weichgespülten Sofa-Kuschel-Konzert. War es aber gar nicht, oder doch irgendwie schon, aber nicht so Kerze an und Kuschel-Rock 1 auf den Plattenteller, mäßig. Was bei mir auf dem Bildschirm ankam, war vielmehr ein warmes und ehrliches Gefühl von Dankbarkeit, Demut und großer Freude, endlich wieder Musik machen zu dürfen, für sich selbst, für die Menschen im Hintergrund und uns vorm Bildschirm und um der Kunst willen. Und wenn man es schafft dieses Gefühl per W-LAN zu transportieren, dann ist das schon eine ordentliche Leistung.
Schade, dass es das Konzert nicht als Live-Album gibt, bitte ungekürzt. Das Konzert und ein weiteres Live-Album, NUR mit Ansagen. Kann man das irgendwo beantragen? Gibts dafür ein Formular, @Grand Hotel van Cleef?