Streamingkonzerte eignen sich als Ersatzdroge ja nur mäßig. Während ich zu Anfang der Pandemie, also vor gut einem Jahr, noch erfreut war, dass ich mir das Geld für eine*n Babysitter*in sparrte, machte sich doch bald Ernüchterung breit. Und Ernüchterung und Konzertabend, dass passt ja nun wirklich nicht zusammen.
Aber wie kam es eigentlich, dass ich dennoch die Streamingtickes für Grillmaster Flash & The Jungs bestellte. Nach ausgiebiger Recherche in meinem Gedächtnis, lässt es sich nur so erklären. Als mich die Sozialen Medien darüber informierten, dass Grillmaster Flash ein Konzert im Pier 2 in Bremen plante, so richtig live, auch mit Publikum, war ich etwas neidisch. Aber nun gut, Bremen ist auch einfach nochmal ne andere Liga, als Köln oder New York. Es geriet in Vergessenheit, in diesem diffusen Corona-Nebel, der sich im Hirn breit macht und Trägheit erzeugt, wo ordentlich nachgedacht werden will. Aber, dann stand es auf einmal in meiner Timeline (heißt das eigentlich so) – Streamingkonzert @club100 Bremen. Durch meinen „warum findet das Konzert nicht in Köln statt“-Ärger fühlte ich mich nun irgendwie verpflichtet ein Ticket zu erwerben.
So saß ich da nun, am 06. März vor dem Bildschirm, mit argen Zweifeln. Denn wie soll ein mehrsinniges Erlebnis – Konzert, denn jemals annähernd durch ein zweidimensionales Bild und scheppernden Ton, weil scheiß Computer-Boxen, heranreichen. Gut, man könnte in Vorbereitung auf den Abend klebrigen Kram auf dem Boden verteilen, drei Tage nicht duschen und am besten noch nen Bier verschütten, um auch die entsprechende Haptik für die Füße und eine authentische Geruchskulisse herzustellen. All dies tat ich nicht.
Rock’n Roll als Sitzveranstaltung am Küchentisch ist eine schräge Sache, also reichte ich mir ein Kaltgetränk. Während man ja bei normalen Konzerten, in netten Momenten bemüht ist sein Getränk nicht dem*r Vorderman*frau in den Rücken zu kippen war ich nun bemüht es nicht auf meiner Tastatur zu vergießen. Denn gemütlich machen auf dem Stuhl war nicht.
Die anfängliche Inzenierung einer Szenerie aus dem Probenraum, war, mit absolutem Wissen und Gewissen, so schien es mir, so schlecht gespielt, dass es eine wahre Freude war. Und auch der Traum von großen Hallen, ach was würden wir sie gerne füllen, war einfach herrlich. Zu gerne gab ich mich Grilligster Flashs Traum hin, wenn das war wird Diggi, ich bin dabei. Erstmal hieß es aber weiterhin sitzmoschen mit Küchenmöbeln und dabei zuschauen wie auf dem Bildschirm gerockt wurde.
Bis dahin war es schon ein guter Abend, richtig gut wurde es aber ab dem „ja wir wissen auch dass das alles schlecht gesschaupielt ist, aber so ist es doch nun mal so oder so, weil ein (Rock-)Konzert spielen, ohne dass Publikum da ist, aber in der Hoffnung oder dem Wissen, dass Menschen zu Hause auf ihren Küchenstühlen sitzen und sich den Kram anschauen, die Schrägste Sache der Welt ist“- Moment nahm es dann so richtig an Fahrt auf und die Beine wippten unterm Küchenstuhl, der Kopf bangte im Rhythmus der Musik, Grillmaster Flash & the Jungs spielten als wären sie im ausverkauften Stadion und die Nachbarn haben zum Glück bisher nicht gefragt, was dass denn für ne Mischung aus scheppernder, blechernder Live-Musik und mehrstimmigem, grauenvollem Gesang, war, was aus meiner Wohnung drang. Natürlich nicht Grillmaster Flashs Gesang, der war hervorragend. Aber mitsingen war ein muss, auch wenn ich mich an dieser bei meinen Nachbarn entschuldigen möchte. So spielten sich Grillmaster Flash & The Jungs durch einen bunten Strauß an Songs und spätestens bei „ Als die Mädchen durch den Tisch traten“ war ich kurz davor das selbige zu tun.
Also Resümee, als Ersatzdroge sind und bleiben Streamingkonzerte ungeeignet, aber als Vorfreuden-Aufputschmittel sind sie wirklich gut.
An dieser Stelle noch vielen Dank an Grillmaster Flash und Paul Post für die zur Verfügung gestellten Fotos.