So Leute! Zwei Fragen, deren Antworten mich schon immer interessiert haben: Warum schmeckt das Krankenhausfraß immer so fürchterlich und warum haben die Tourette’s ein Apostroph im Namen?
Die erste Frage lässt sich womöglich so beantworten, dass das Ambiente wahrscheinlich nicht dazu beiträgt, das vorgesetzte Essen als königliches Festmahl wahrzunehmen, sondern als Notwendiges – und zwar übel. Das Geheimnis um die Antwort der zweiten Frage wissen nur die fünf Musiker von Tourette’s selbst. Kein Geheimnis wiederum sind die beiden Magnetbänder der Band aus der Stadt des besten Fußballs – Mönchengladbach. Zum einen das “Naked & Happy”-Album mit auf 100 copies beschränkter lime-farbener (Dieter würde sagen: Mega!) Kassette aus 2018 und “Confidence in Disorder”, eine EP aus dem Jahre 2020. Beide Tapes erschienen auf dem wunderbaren Dr. Skap Records-Label, ebenfalls aus Mönchengladbach, der Stadt des besten … aber ich wiederhole mich.
Die Tourette’s haben sich ursprünglich 1997 gegründet und es geschafft, diverse Tonträger – meist Tapes – zu veröffentlichen. Auch Touren wurden deutschlandweit geführt. Zu der Zeit spielte die Band hauptsächlich typischen 90er/00er-Crossover-Sound, bevor man sich 2007 auflöste.
2017 startete man nach Reunion-Konzert dann wieder durch. Aus dieser Zeit stammt auch das “Naked & Happy”-Album, eine Demo-EP. Das schwarze Papp-Steck-Cover mit goldenem Druck deutet schon mal an, das es die in die Jahre gekommenen Männer sehr ernst meinen. Und das Ergebnis kann sich hören lassen, denn am meisten punktet die Band beim Aspekt: Freude an der Musik!
Auch wenn das Ergebnis ein wenig zu sehr nach Proberaum (Wie gesagt: “Naked & Happy” ist eine Demo-EP ) klingt, wird es für mich dadurch noch einen Tick authentischer. Hier wird ohne Angst wie Möhrchen losgelegt. Gestartet wird mit “Handshake”, einem ebenso einfachen wie schönen Midtempo-Punkstück, das stilgerecht auch unter zwei Minuten bleibt. Es folgen mit “Naked & Happy” und “Bitch” zwei Songs, die noch ein wenig aufs Gas drücken: Insbesondere “Bitch” mit seinem Text macht deutlich Spaß.
Okay, Tape drehen und es geht weiter mit “S.O.S.”, einem etwas komplexeren Stück, mit Rap-Einlage. Als Crossover-Song bleibt es für mich das Stück auf dem Tape, welches aus der Reihe tanzt und mich ein wenig verwirrt. Gottseidank rücken “Victims of Propaganda” und “I don’t want to leave you” das Album wieder mehr in die Punkecke. Getragen wird das gesamte Album durch diese ein wenig raue, rumpelte Probenraum-Atmosphäre, die zwar nichts für High-End-Ohren ist aber durchaus begeisterte Hörer:innen finden wird.
Das Tape kannst du bequem auf der Bandcamp-Seite der Tourette’s kaufen.
Kommen wir zum zweiten Tape der Band: “Confidence in Disorder” – ein four-track-Album. Alle Tracks sind so um die drei Minuten und Gottseidank einen deutlichen Schritt weiter vom Crossover entfernt. Die Songs bestechen durch schöne Melodien und Hooklines, die immer wieder zum Einsatz kommen. Auch die Texte verdienen, dank entsprechender Reife und Inhalte, ein Hinhören. “All I have to notice is that in the darkest hours of my life, I’m always alone. Alone, on a path into the great unknown” heißt es im letzten Stück “No Promise”, das ein wenig Gas gibt und mal aufs Tempo drückt, während die anderen drei Songs ein wenig zu sehr im Midtempo hängen bleiben. Aber “alleine” sehe ich die Tourette’s überhaupt nicht, denn mit ihrer eigenen Art Punkrock zu interpretieren, werden sie auf Konzerten zahlreiche Fans beglücken können. Diese vier Stücke machen absolut Lust auf mehr und haben wirklich Potenzial. Ich freue mich jetzt schon auf Nachschub vom Niederrhein.
Der Griff zu diesem Tape sollte deutlich einfacher erfolgen – über die Bandcamp-Seite – als der Griff zu bereits erwähntem üblen Krankenhausfraß.