Karisma Records, das norwegische Label, steht für Prog in allen Variationen. Auf Vinyl-Keks haben wir schon über 20 Reviews aus diesem Genre und von diesem Label veröffentlicht. Das Review zum Vorgänger-Album „Nordisk Krim“ ist ebenfalls auf Vinyl-Keks nachzulesen. Nicht jedem ist Prog zugänglich und das Genre selbst hat durchaus Nischen, die schwer zu erschließen sind für den und die geneigte/n Hörer:in. So ergeht es mir mit Tusmørke und „Intetnett“, einem Album, über das es viel zu berichten gibt, was mir den Zugang auf musikalischem Weg schwer macht. Aber der Reihe nach.
Die vorliegende, auf 500 Kopien limitierte Version von „Intettnet“ kommt als weißes Vinyl (sehr schick) und mit Hochglanz-Booklet zum Nachlesen der Texte. Das Cover stammt aus der Feder des legendären norwegischen Künstlers Thore Hansen und ist in der Tat sehr gelungen. Hier gibt es viele liebevolle Details zu entdecken. Das Vinyl enthält 21 Songs und hat eine Spiellänge von etwa 53 Minuten.
Tusmørke gelten in Norwegen als abgefahren und einzigartig. Die Band gründete sich schon 1994 in Skien, Telemark und war bis 2009 unter dem Namen Les Fleur du Mal unterwegs. Die drei am Album beteiligten Mitglieder haben so schöne Namen wie Benediktator, Kritzla und HlewagastiR. Das zeigt schon ein wenig die Skurilität von Tusmørke.
Das Album „Intettnet“ verstehe ich als Konzeptalbum, in dem es um künstliche Intelligenz, technologischen Fortschritt, die Singularität – und alte mesopotamische Götter, denn Tusmørke versäumt es nie, uns über die alte, vergessene Geschichte zu unterrichten. Das Album besteht aus den beiden Original-Musicals „Intetnett“ und „Når Enden er Golem“, die für die Aktivitetsskolen Nordstrand geschrieben und dort 2017/2018 uraufgeführt wurden.
„Intetnett erzählt die Geschichte von zwei bösen Wissenschaftlern, die ein selbstlernendes Computersystem in eine ahnungslose Schule einschleusen. Das System mit dem Namen Intetnett übernimmt bald den Verstand von Schülern und Lehrern gleichermaßen – mit Ausnahme eines technophoben norwegischen Lehrers, einer Vertretung ohne Zugangsdaten und einer kleinen Gruppe von Schülern. Mit Hilfe elektronischer Impulse steuert der Computer eine Ameisenkolonie (Auf dem Cover zu sehen), die in der Schulküche lebt, und beginnt, die Kontrolle über alles zu übernehmen.
Die Welt gleitet dann langsam in einen totalitären Alptraum ab. Niemand denkt mehr selbstständig, niemand träumt mehr, und die menschliche Kultur selbst ist in Gefahr. Aber jemand vermisst die Menschen! In den tiefsten Tiefen verhungern die alten mesopotamischen Götter durch den Mangel an menschlicher Zuwendung. Sie wollen der Menschheit helfen, ihre Freiheit wiederzuerlangen. Das einzige, was Intetnett aufhalten kann, ist eine Technologie aus einer längst vergangenen Zeit: Magie! Der norwegische Lehrer, die Vertretungskraft und die Kinder erhalten Anweisungen, wie sie einen Golem beschwören können, der Intetnett entgegentreten und den gefährlichen Computern den Stecker ziehen kann.“ Soweit der Pressetext zum Album, den ich hier zu Hilfe gezogen habe, da mein Norwegisch nicht ausreicht den Text und Inhalt zu erfassen. (Anm. des Autors: leider liegen die Texte nur in Norwegisch vor.)
Musikalisch ist Tusmørke ganz gut durch ein Zitat beschrieben, welches ich auf der Homepage des Labels gefunden habe:
“Imagine Deep Purple Mark II with Ian Anderson – or Black Sabbath’s rhythm section with – complete with an insanely accurate retro ’70s sound, and that’s just a taste of these space/time-traversing Norwegians.”
Meine persönliche Einschätzung ist, das Tusmørke mich an Van der Graaf Generator und King Crimson erinnern. Aber ich bin auch kein Experte für Prog. Sei es drum, auf „Intettnet“ hört ihr neben den Mitgliedern von Tusmørke auch Gäste aus den Bands von Wobbler und Alwanzatar. Beides Vertreter des norwegischen Prog. „Intettnet“ besteht aus einem Prog-Genre-Potpourri, angereichert mit 70′-Sounds und Space-Effekten aus dem Synthie. Weitere Zutaten sind natürlich die Folk-Flöte und die Kinderchöre.
Die erste Album-Hälfte erscheint mir noch sehr fröhlich – der Song „Jakelstigen“ klingt nach „Bruder Jakob“ -, während die Stimmung auf der B-Seite deutlich kippt. Hier werden die mesopotanischen Gottschaften um Hilfe angefleht und es herrscht daher eine eher mystische Atmosphäre vor.
Ich habe zum Album „Intettnet“ keine Videos gefunden. Dafür habe ich eine nette verfilmte Geschichte der Band gefunden. Das Video vermittelt einen Eindruck der Band und ihres musikalischen Stil.
Wer Bock auf ein norwegisches Kinder-Musical hat, sollte zuschlagen und hier bestellen. Allen anderen würde ich raten, auf das nächste 10. Album von Tusmørke zu warten. Sieben Alben in den letzten fünf Jahren machen Hoffnung, das diese Wartezeit nicht so lange dauern wird.