Mit Rebecca und Mattias von der schwedischen Band N:a Hospitalet hatte ich mich eigentlich per Videotelefonat zum Gespräch verabredet. Leider reichte aber die Internetverbindung hoch oben in Schweden nicht aus – es ruckelte ziemlich oft. Darum hat Rebecca meine Fragen doch schriftlich beantwortet. Es geht unter anderem darum, was die drei Bandmitglieder Rebecca (Gesang, Gitarre), Mattias (Bass) und Anders (Drums) mit ihren politischen Texten und ihrer rauhen Musik ausdrücken wollen und um die schwedische Punkszene.
Hallo Rebecca, schön, dass wir euch vorstellen können. Ihr lebt im schwedischen Lulea. Wie ist es da und wie fühlt ihr euch dort gerade?
Lulea ist eine kleine Stadt in Nordschweden mit 78.000 Einwohnern. Momentan verschwindet hier so langsam der Winter. Unsere Energie kommt mit dem Licht zurück. Die Winter hier sind sehr schneereich, kalt, dunkel und still. In den dunkelsten Zeiten scheint die Sonne nur ein paar Stunden pro Tag. Im Gegensatz dazu sind die Sommer sehr heiß und die Sonne geht dann gar nicht unter. Mit diesen Gegensätzen leben wir hier. Mattias (Bass) und Anders (Drums) sind hier geboren und aufgewachsen, ich bin 2012 hierher gezogen, nachdem ich mich in die Stadt verliebt habe.
Stell mal eure Band vor.
N:a Hospitalet besteht aus mir, Rebecca (Gesang, Gitarre), Mattias (Background-Gesang, Bass) und Anders (Drums und Graphiken). Unsere Musik ist ziemlich simpel und geht auf klassischen Punkrock und frühen Streetpunk zurück. Dazu kommen eingängige Melodien und sehr direkte Texte auf Schwedisch, die oft politisch sind. N:a Hospitalet wird Norra Hospitalet ausgesprochen. N:a ist eine Abkürzung für “Norra”, die wir Schweden in der Schriftsprache benutzen. Übersetzt heißt das “Nördliches Krankenhaus” und bezieht sich auf eine psychiatrische Anstalt.
Wie und warum habt ihr eine Band gegründet? Und ist das eure erste Band?
Um es kurz zu machen: Mattias und ich saßen an einem schönen Frühlingstag vor ein paar Jahren in einer Sauna hoch oben auf einem Berg und tranken Bier. Nach ein paar Stunden, in denen wir uns über Musik unterhalten haben, entstand die Idee, dass wir eine Punkband gründen sollten. Danach haben wir eine Anzeige gestartet mit der Suche nach einem Drummer. Und dadurch kam dann Anders zu uns. Also kann man eigentlich sagen, die Band ist aus einer Bierlaune entstanden. Ich hatte ein paar verschiedene Bands, die verschiedene Musikstile gespielt haben, aber keine von denen war wirklich ernsthaft. Mattias hat in einer lokalen Punkband gespielt, aber das ist schon ungefähr 30 Jahre her.
Euer aktuelles Album heißt “Bars skitter avtar” – Was heißt das übersetzt? Und warum habt ihr es auf Vinyl herausgebracht? Was mögt ihr an Vinyl? Warum habt ihr es zusammen mit der Band Pastoratet veröffentlicht?
Der Titel des Albums heißt übersetzt in etwa “Scheiße lass nach” – ein Satz, den wir oft gesagt haben, als wir das Album mit Pastoratet geplant haben. Er bezieht sich auf die Situation rund um Covid-19. Unser erstes Album “Bakom Ijuset” wurde auf CD veröffentlicht (auf Second Class Kids Records) – in Russland auch auf Kassette (Svenska Skogen Lable). Unser Album auf Vinyl zu veröffentlichen schien uns wie der nächste natürliche Schritt. Dein eigenes Vinyl zu veröffentlichen ist in Schweden für Punkbands ein wichtiges Ziel. Pelle, der Chef des Plattenlabels Second Class Kids Records, hat uns Anfang 2020 gefragt, ob wir neue Songs aufnehmen wollen. Da hatten wir gerade fünf neue Songs fertig und das ist ja zu wenig für ein eigenes Album. Darum wurden wir dann gefragt, ob wir gern eine Split-Vinyl machen würden. Und das fanden wir gleich cool. Pastoratet haben eine andere Fanbase als wir und darum dachten wir, es könnte gut sein, denn dann profitieren wir und sie am Ende davon.
Welchen eurer Songs mögt ihr am liebsten? Warum?
Der Song “Tuffa tjejer” (übersetzt: Coole Mädchen) ist wahrscheinlich unser Lieblingssong von unserem aktuellen Album. Das ist ein Kampflied für Frauen. Darin erzählen wir von Dingen, die wir bei der Arbeit gesehen und gehört haben (Rebecca und Mattias sind Bauarbeiter und arbeiten somit in einer männerdominierten Sphäre). Das Problem gibt es in allen Industriezweigen und Situationen, aber in so einer männerdominierten Umgebung ist es noch deutlicher sichtbar. Da begegnet einem das mehr oder weniger täglich. Wir können nicht verstehen, wie irgendwer gegen Feminismus und die Gleichheit von Mann und Frau sein kann.
Worum geht es in euren Texten? Was wollt ihr damit ausdrücken?
Einige unserer Songs sind sehr persönlich. Da mussten die Texte in dem Moment einfach niedergeschrieben werden, weil etwas bestimmtes passiert ist oder ein bestimmtes Gefühl da war. Die meisten Songs sind politisch. Durch die Texte drücken wir uns aus und positionieren uns in Debatten. In unserem Song “För nagra fa dollar mer” (Übersetzung: Für ein paar Dollar mehr) singen wir über Menschen, die nach der Arbeit nicht wieder nach Hause kommen – unsere Brüder und Schwestern, die bei der Arbeit sterben. Und wofür? Für ein paar Dollar mehr? Wir positionieren uns in dem Song klar kritisch gegenüber Unfällen am Arbeitsplatz.
Wo liegen eurer Meinung nach die größten Probleme der Welt?
Wir finden das größte Problem momentan sind die rechten Bewegungen in der ganzen Welt. Sie stehen für Rassismus, Sexismus, Homophobie, Abtreibungsgegnerschaft und so weiter. All der Hass, der Menschen auseinander treibt, statt sie zu einen. Solidarität scheint von gestern zu sein. Um ehrlich zu sein, macht das richtig Angst.
Singt ihr über Probleme, um Dampf abzulassen oder weil ihr auch denkt, ihr könnt mit euren Texten etwas Gutes bewirken?
Wir singen darüber, um Dampf abzulassen, aber auch um ein Statement zu setzen und hoffentlich Menschen zu beeinflussen, oder zumindest, um ihr Bewusstsein zu schärfen. Wenn wir auch dafür sorgen können, dass Leute mehr über diese Themen sprechen, haben wir schon einen wichtigen Teil beigetragen. Wir wurden zum Beispiel mehrfach von Zeitungen zum Thema Unfälle am Arbeitsplatz interviewt, nachdem unser Album rauskam.
Warum sing ihr auf Schwedisch?
Wir haben nie darüber nachgedacht, in einer anderen Sprache als Schwedisch zu singen. In dieser Sprache fühlen wir uns am meisten zu Hause und die Melodie der Sprache gefällt uns in Verbindung mit unserer Musik einfach gut.
Wie groß war und ist Punkrock in Schweden? Könnt ihr schwedische Punk-Bands empfehlen?
Punkrock war in Schweden mal mehr, mal weniger populär aber es sind immer wirklich gute Bands daraus hervorgegangen. Es gibt hier sogar ein eigenes Subgenre von Punk, den “Trallpunk” (Übersetzung: melodiöser Punk). Wir glauben, dass die Punkszene hier gerade Aufwind bekommt, denn es gibt eine Reihe von neuen tollen Bands. Unbedingt hören solltet ihr Lastkaj14, Trubel, Gatans Lag und Stilett, nur um ein paar zu nennen.
Was bedeutet Punkrock für euch?
Punkrock bedeutet für uns, die Freiheit zu haben, uns auszudrücken und gegen den Strom zu schwimmen. Spielen, was du willst, so schluderig wie du willst. So lange du das Herz am richtigen Fleck hast. Darum spielen wir Punk.
Welche Punkbands hört ihr am liebsten?
Ich höre gern Lastkaj14, Mattias mag zum Beispiel Stage Bottles, Werkele, Stilett, Gatans Lag.
Ihr habt einen Song einer russischen Punkmusikerin gecovert. Warum?
Mattias und ich haben eine Dokumentation geguckt, die hieß “Spuren im Schnee” – das war vor ein paar Jahren. Darin ging es um die sibirische Punkszene in den Achtzigern. Wir waren beide begeistert von Yanka Dyagileva, die als eine der wenigen Frauen ein wichtiges Mitglied der sibirischen Punkszene war. Darum haben wir beschlossen, ihren Song “For a rainy day” zu interpretieren. Unsere Version ist trotzdem kein Cover, sondern eine Interpretation, weil wir es ins Schwedische übersetzt und das Arrangement geändert haben. Wir würden jedem empfehlen, ihr Album “To declassified elements” zu hören – es ist so schön.
Was denkt ihr, wenn Leute von “female fronted” Bands sprechen? Spielt das eine Rolle für dich, dass du eine Frau an der Gitarre und an der Spitze einer Punkrockband bist? Bekommst du darauf bestimmte Reaktionen?
Ich weiß nicht, ob ich so sehr darüber nachdenke, dass wir eine “female fronted” Band sind. Wir sind eine Punkband, spielen Punkrock-Musik und ich bin eben die Gitarristin und Sängerin. Ob es nun jemand mag oder nicht. Die Punkszene ist aber auf jeden Fall sehr männerdominiert, deshalb glaube ich, dass, von “female fronted” Bands zu sprechen zeigt, dass wir uns auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung im Genre befinden. Immer mehr Frauen finden gerade ihren Platz in der Szene, was ich sehr positiv finde. Zum Beispiel kann man mehrere Bands mit weiblicher Besetzung auf Second Class Kids Records finden, und auch bei anderen schwedischen Labels. Irgendwie finde ich schon, dass es wichtig ist, dass ich eine Frau an der Gitarre und als Frontperson bin. Naja, vielleicht trifft das nicht so sehr auf mich an der Gitarre zu, weil ich die nicht sehr gut spiele, haha. Aber als Sängerin… Viele Leute sind mehr an männliche Stimmen gewöhnt, wenn sie Punkrock hören. Außerdem habe ich keine typisch punkige Stimme. wie zum Beispiel Brody Dalle. Ich glaube das beides spielt für Leute, die uns gern hören eine Rolle. Sie merken, dass wir anders sind. Wir bekommen ausschließlich positive Reaktionen darauf, dass ich eine Frau in einer Punkband bin. Hoffentlich bleibt das auch so.
Welche Pläne habt ihr für die Zukunft? Kommt ihr nach Deutschland?
Wir wollen auf jeden Fall mehr Songs schreiben und wenn die Pandemie vorbei ist, geht´s auf Tour. Hoffentlich auch nach Deutschland, um euch alle zu treffen.
Vielen Dank und Alles Gute für euch.