Bisher lediglich von der bloßen Existenz von Wovenhand aus Denver Kenntnis genommen, greife ich zum ersten – und voraussichtlich auch letzten – Mal zu unlauteren Mitteln, um mir einen Eindruck von der Band zu verschaffen. Mein unlauteres Treiben besteht darin, mal zu kucken, was denn andere so über das neueste Werk (dem ersten seit 2016) “Silver Sash” schreiben. Bereits am 04.02. erschienen, ist glücklicherweise schon das ein oder andere Review im Umlauf. Und so entnehme ich der Meinung eines großen deutschen Musikmagazins, spezialisiert auf die harte Gangart, dass “Silver Sash” nicht dazu geeignet sei, die Band um Mastermind und 16 Horsepower-Frontmann David Eugene Edwards kennen zu lernen. Scheiße, mein Plan geht nicht auf! Plan B muss her. Machen wir aus der Not eine Tugend und versuchen wir, das Hörerlebnis unvoreingenommen und neutral zu beschreiben, in der Hoffnung, dass nicht nur die von den Kolleg*Innen angesprochenen “Spezialisten” etwas damit anfangen können.
Neben dem schon erwähnten Edwards, trägt der von Planes Mistaken For Stars bekannte Chuck French einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung von “Silver Sash”. Beide zusammen sind für das Songwriting gleichermaßen verantwortlich. Dabei herausgekommen sind neun Songs, die der strengen Qualitätskontrolle der beiden Protagonisten gleichermaßen bestehen mussten. Mein persönliches Gütesiegel wiederum erhält vor allem die Nummer “Dead Dead Beat”. Beginnend mit einem waschechten Stooges-Riff nebst an deren Sänger Iggy Pop erinnernden Gesang voller Energie, mündet der Song mit zunehmender Spieldauer in diesem düsteren, klaustrophobischen Industrialsound, der dem kompletten Album als Leitmotiv innewohnt. Krasse Kombination zweier Stilmittel, von denen ich bisher nicht geglaubt hätte, dass sie neben- und miteinander funktionieren würden.
Wäre aber auch nie auf die Idee gekommen, den Versuch überhaupt zu wagen. Trent Reznor hat meines Wissens auch nie bei Wayne Kramer angefragt. Wovenhand dagegen überschreiten derlei Grenzen. Und erweitern dadurch unseren musikalischen Horizont. Ha, dazu fällt mir gerade das von Rob Halford ins Leben gerufene, und nach einer Platte (“Voyeurs”) bereits wieder aus dem Leben genommene Bandprojekt Two, bzw. 2wo, ein, welches seinerzeit immerhin von Reznor produziert wurde. In der Kombination der Hauptakteure zwar tendenziell etwas nachvollziehbarer als oben genanntes fiktives Beispiel, traf damals klassischer Metal auf Industrial.
Hart und metallisch klingen wiederum, das können Wovenhand auf ihre Weise auch. Hier kommt vieles zusammen, was Musik hart klingen lässt, ohne den Gain-Regler dafür zwangsweise auf 10 drehen zu müssen. Härte wird auf “Silver Sash” durch Atmosphäre erzeugt. Und Denver liegt doch auch ganz grob betrachtet in der Wüste, richtig? Auch das hört man raus. Dazu dieser meist mit leichtem Vibrato vorgetragene und mit ordentlich Hall unterlegte Gesang Edwards‘. Habe irgendwie ständig Bilder aus Umberto Ecos, von Jean-Jacques Annaud verfilmten, finsteren Mittelalterthriller “Der Name der Rose” vor Augen. Schaurig, aber schön könnte eine Umschreibung sein. Prädikat: künstlerisch wertvoll und schade, dass die Platte (angeblich) nicht als Blaupause für das Schaffen von Wovenhand genutzt werden kann. Sonst würde ich bedenkenlos zu jeder weiteren Scheibe der Band greifen wollen. So hab ich eher bisschen Bammel vor Enttäuschungen.
Gute Musik will auch gut verpackt sein. Deshalb stecken Glitterhouse Records das 180 Gramm schwere Teil in ein schickes Gatefold. Für 1000 Auserwählte sogar in Silber. Das Gatefold ist deshalb schick, weil gemäß dem oben angesprochenen mittelalterlichen Touch der Platte eine passende, jedoch einfache Bildsprache gesprochen wird. Manchmal braucht es eben auch nicht mehr. Sämtliche Texte sind im Innenbereich abgedruckt, die Infos auf der Rückseite geben Auskunft über die Beteiligten. Kuckt am besten mal direkt bei Glitterhouse.