Um den Einfluss, den wir Menschen auf den Planeten Erde haben, geht es auf Variola Vera, dem neuen Album der norwegischen Band Himmellegeme. Wer bei diesem Konzept ein schwer verdauliches Sludge- oder Grindcore-Album erwartet, wie es dieser Tage eigentlich angebracht wäre, wird entweder bitter enttäuscht oder positiv überrascht sein, denn es geht hier eher proggy zur Sache. Und außerdem ist das Konzept gar kein Konzept, wie die Band in der Pressemitteilung betont, sondern das übergeordnete „Gesamtthema“, das über dem zweiten Album der Norweger schwebt. Herausgebracht wurde das ganze übrigens von Karisma Records.
Irgendwie schade, denn anders als bei Klassikern einschlägiger Prog-Rock-Größen, welche Himmellegeme subtil beeinflussen, wird man bei Himmellegeme nicht sofort in hermetisch in sich abgeschlossene Klangwelten mitgerissen. Nein, es braucht etwas Anlauf. Und dafür ist das dritte Lied des Albums „Blowing Raspberries“ verantwortlich, das ich mal völlig wertungsfrei als radiotauglich bezeichnen würde. Es klingt ein bisschen, als würden die Black Angels beim Eurovision Song Contest mitmachen – kann man gut finden, dürfte aber unter Prog-Puristen für graue Haare sorgen.
Erst nach diesem leicht polarisierenden „A-ha“-Erlebnis schaffen es Himmellegeme, einen latent psychedelischen Spannungsbogen aufzubauen, der sich erfreulicher Weise über den Rest der 38:55-minütigen Laufzeit hinzieht und durchaus zu unterhalten weiß. Die komplette B-Seite ist nämlich ein sich dynamisch aufbauender Climax: Die Stimmung wechselt zwischen bodenständig zu verträumt, irgendwie poppig, aber auch immer wieder mit gezielt eingesetzter druckvoller Härte, die dem Album durchaus Dynamik verleiht und die Reise mit Himmellegme bis zum Ende interessant macht.
Gesungen wird auf Englisch und auf Norwegisch, was ganz hervorragend zu dem atmosphärischen Prog-Pop der fünf Herren von Himmellegeme passt. Den Abschluss bildet das instrumentale und fast schon kinematografisch daherkommende Titellied, das das Gesamtthema des Albums stimmungsvoll repräsentiert und für ein rundes Ende sorgt. Und es macht neugierig darauf, wie der Flug mit Himmellegeme weitergeht: Variola Vera ist nicht ihr Opus Magnum, der sie in den Prog-Olymp (oder eher Valhalla…?) aufsteigen lässt – da fehlt es noch an Tiefe. Ihre Stützräder haben sie aber definitiv damit abgeschlagen. Jetzt müssen sich die Jungs aus Bergen nur noch trauen abzuheben, das Potenzial hätten sie.
Stichwort Bergen: Bergen scheint sich zu einer kleinen Hochburg skandinavischen Progs und Neo-Psych zu mausern. Kaum verwunderlich, dass Variola Vera genau wie das 2017 veröffentlichte Debüt der Band auf Karisma Records erschienen ist – definitiv ein Kleinod für Freunde dieser Genres (siehe Kosmodome- Review).
Sehr gelungen ist das liebevoll gestaltete Gatefold-Cover des Albums – ein wahrer Hingucker sozusagen. Das trippig-okkult wirkende Artwork stammt von der transmedialen Künstlerin und Fotografin Samantha Muljat, die ein paar Jahre als Art Director bei Southern Lord tätig war und unter vielen anderen schon Cover für Bl’ast!, Earth und Grave Pleasures gestaltet hat. Im Inneren des Gatefolds springt einem ein orange-verfinsterter Mond entgegen, um den die melancholischen Songtexte abgedruckt sind. Passend zur Farbe der Treppe auf dem Frontcover kommt das dicke Vinyl in wirklich wunderschöner türkis-schwarz marmorierter Optik daher. Man ist ja mittlerweile etwas abgestumpft, was buntes Vinyl angeht (man denke an die nicht ganz ernst gemeinten „limited on black vinyl“-Aufkleber), aber dieses Exemplar sticht wirklich aus der Masse raus und rauscht auch nicht – Kompliment! Die LP ist auf 500 Kopien limitiert und über die Bandcamp-Seite von Himmellegeme direkt zu beziehen oder z.B. via JPC.
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