Ach menno, das Leben ist nicht gerecht. Nachdem ich die Platte „Das Privileg der Misanthropie“ von Zymt zugeschickt bekommen habe, hatte ich ich mich schon auf einen ordentlichen Verriss gefreut.
Warum? Nun ja, erstens kommt die Band aus Dortmund und das ist schon immer ein triftiger Grund gewesen etwas scheiße zu finden, schließlich ist das die Stadt mit dem schlimmsten Fußballverein in ganz Deutschland. (Okay, München, Sinsheim, Essen und Dresden blenden wir für die Einleitung zu dieser Review einfach mal aus. Jeder klar denkende Mensch weiß, dass diese Städte fußballerisch verlorene Gebiete sind. Einfach nur lost.)
Zweitens der Name. Was ist Zymt? „Witzig“ geschriebene Variante des Wortes Zimt? Hahaha. Ich schmeiß mich weg. Zimt schmeckt aber eh meistens nicht. Vor allem nicht im Sommer. Typisches Winter Gewürz. Außer auf Milchreis. Das geht klar. Aber nicht als Bandname. Judge a Band by its name. Also scheiß Name, scheiß Musik.
Drittens das Cover Artwork. Furchtbar. Ich hasse Smileys. Erinnert mich an 1990er Drogen Techno. Jaja, auf’m Backcover gehrt das Grinseding in Flammen auf, aber trotzdem. Und dann diese Farbenkombination. Schlimm. Auch hier gilt. Judge an album by its cover. Also scheiß Cover, scheiß Musik.
Viertens das Anschreiben des Label: „Hey, du findest alle Infos online! (…)“. Okay, kann man machen. Hab aber keinen Bock selbst zu recherchieren. Ich kann ja wohl verlangen, wenn ich ein Album kostenlos zugesendet bekomme, dass dort ein Waschzettel dabei ist, auf dem schon alle Infos draufstehen, so dass ich das alles nur noch umformulieren muss. Da soll drauf stehen, wie die Band klingt oder klingen will, die Einflüsse, die politische Haltung, generell die Einstellung zu allen gesellschaftlichen Themen. Warum ist das Album der heiße Scheiß, in welchen ebenso hippen Bands hat der Gitarrist schon gespielt, warum darf der hässliche Bassist (no offense, nur ein Beispiel) trotzdem mit aufs Bandfoto, wieviel Punkte haben der Metal Hammer und das OX vergeben? Das will ich wissen! Aber nix von dem krieg ich geliefert, totale Verweigerung der üblichen Marketingstrategien. Ist das noch Punkrock? Muss ich mir den Scheiß also wirklich anhören?
Ja, so sieht es aus. Ich musste mir die Platte tatsächlich anhören. Und deshalb ist die Welt ungerecht! Weil ich jetzt natürlich trotz der oben aufgeführten guten Gründe keinen Verriss mehr schreiben kann.
Denn Zymt treffen bei mir voll ins Schwarze. Ich mag die hektischen Gitarren, die fast ganz ohne Verzerrung auskommen, ich stehe total auf die Synthies, die so herrlich nach 80er Jahre Neue Deutsche Welle klingen, ich feiere den schroffen Gesang, der das ganze Ding hier den nötigen Asi-Touch verleiht. Ich mag auch den Humor, den diese Band bei jedem ihrer Lieder offenbart, hier trifft Tacheles auf Kokolores, soll heißen auch vermeintlich ernste Themen werden mit derben Sarkasmus und schneidender Ironie durch die Gewürzmühle gedreht.
Nichts ist sicher davor von den fünf Herren nicht mit einem kurzen Lied bedacht zu werden. Betonung liegt hier auf kurz, denn die 13 Songs auf der Platte knacken gerade so die 20 Minuten Spiellaufzeit, deshalb läuft das Ding auch mit 45 Umdrehungen. Auf Seite Eins sind die Lieder die sofort hängenbleiben „Die Magie der Pharmazie“, „Kaum passt du nicht auf, bist du reich“ und „Die Pampaboys vom Kamener Kreuz“.
Auf Seite Zwei stechen besonders „Was kannst du für Armin Laschet tun“ (als NRWler hab ich da natürlich ein fast schon persönliches Interesse dran) „Kasse Vier“ und „Mallorca ohne Andi ohne Stefan ohne Dirk“ hervor.
Zymt sind vom Sound her eigentlich weniger punkig eher schon poppig. Aber diese energiereiche Hektik die sie verbreiten, erinnert doch immer auch ihre Labelkollegen von Reiz und auch The Shocks winden sich in meinem Hippocampus hervor.
Natürlich denkt man bei den humorvollen Texten zwangsläufig auch an Team Scheisse, aber an die Bremer kommen die Dortmunder (noch?) nicht dran, dafür sind die Lieder nicht ohrwurmlastig genug. Und so tolle Memes hab ich auch nicht entdeckt. Ansonsten schon sehr gut gelungen das Ding. Macht Spaß.
Die Dortmunder Labels My Ruin und Spastic Fantastic teilen sich dieses Release, das wahlweise in schickem roten oder gelben Vinyl in kleiner Auflage (500 Stück) erscheint. Den Scheiben liegt noch unnützer Killefit dabei, Aufkleber kann man gebrauchen, die unterschriebene Autogrammkarte dagegen wohl eher weniger.
Als abschließendes Fazit: Also wenn schon Zimt, dann Zymt. Wenn schon Dortmund, dann Zymt. Wenn schon Fußball, dann Schalke.