Im Interview von letzter Woche bei „Frauen im Musikbusiness“ hörte ich von Sapphire von der Band CUFFED UP echt schräge Geschichten über YouTube-Videos von Typen, die offensichtlich ihre Erklärungsvideos nur für männliche Zuschauer produzieren. Umso schöner heute im Interview Franka mit ihrem YouTube-Kanal „Mädels an die Bässe“ vorstellen zu dürfen. Sie macht dort nämlich nicht nur ausgezeichnete Videos, sondern ist ab sofort auch neues Redaktionsmitglied beim Vinylkeks: Herzlich willkommen!
Hallo Franka, schön dich in unserer Interview-Reihe begrüßen zu dürfen. Du betreibst einen YouTube-Kanal mit dem Namen „Mädels an die Bässe”, auf dem du Spieltechniken erklärst und zeigst, wie man Songs spielt. Wie kamst du zu der Idee und warum einen Kanal speziell für Mädels?
Hallo! Ich freue mich sehr, dabei zu sein und mich hier vorstellen zu dürfen. Meinen YouTube-Kanal betreibe ich inzwischen seit drei Jahren. Wie es dazu kam? Das war irgendwie so eine Eingebung und eine spontane Idee. Es spielten da verschiedene Faktoren mit. Einen YouTube-Bezug hatte ich damals gar nicht so sehr. Aber mich hin und wieder vor der Kamera zu zeigen und Leuten verschiedene Dinge möglichst einfach und verständlich zu erklären, das kannte ich von meinem Job als Fernsehjournalistin. Deshalb war bei mir die Schwelle nicht so hoch, mich der Öffentlichkeit auszusetzen, wie es vielleicht bei anderen der Fall ist. Was den Inhalt betrifft – Ich selbst spiele Bass seit ich 14 bin, vorher habe ich im Grundschulalter erstmal Blockflöte und später Schlagzeug gespielt. Bassunterricht hatte ich damals ungefähr 1,5 Jahre lang bei einem Lehrer an der Musikschule in meiner Heimatstadt. Ich hatte dann schnell begonnen in einer Band zu spielen, weil mein Schlagzeuglehrer mir erzählte, dass die Band eines Schülers von ihm noch einen Bassisten suchte. Ich habe mich da damals gleich wohl gefühlt (wobei ich damals noch sehr ruhig war 🙂 und habe eine Weile dort gespielt. So ging es dann über die Jahre mit wechselnden Bands weiter, und von Band zu Band lernte ich durch die Praxis und das Jammen immer mehr dazu und wurde selbstbewusster. Was mir aber immer aufgefallen war: Nur ein einziges Mal hatte ich eine weibliche Kollegin in einer Band – das war die Sängerin. Aber an Instrumenten traf ich, auch wenn wir aufgetreten sind oder im Proberaum Zeit verbrachten, immer nur Männer als Mitmusiker. Das hat mich immer gewundert und ich fand es schade. Mit meinem Kanal möchte ich zeigen: Schaut mal, ich bin eine Frau, mich gibt es am Bass und das könnt ihr auch, denn auch ich kann längst nicht alles perfekt, habe aber Spaß und lerne dazu. Und ich interviewe auch andere Bassistinnen, um dazu beizutragen, die Sichtbarkeit von Frauen in (Rock)bands zu erhöhen und weibliche Vorbilder in den Fokus zu rücken. Männer sind auf meinem Kanal übrigens natürlich auch herzlich willkommen. Ich fand den Slogan „Mädels an die Bässe“ aber so schön kämpferisch im positiven Sinne und einprägsam. Und wenn ich dazu beitrage oder es schon habe, dass nur eins, zwei, drei Frauen oder Mädchen lernen, Bass zu spielen, dann freut mich das total.
Einen Punkt gibt es noch: Ich wollte die YouTube-Bass-Tutorial-Welt auch ein bisschen schöner machen, denn wenn da ein bärtiger Mann mit Bierbauch vor einem unaufgeräumten Hintergrund sitzt (nichts für ungut :D), glaube ich, dass man das optisch ansprechender machen kann, oder zumindest anders. Auch wenn es in erster Line auf den Inhalt ankommt.
Wow, klasse Engagement! Du hast ja selbst auch schon in Bands gespielt, in welchen und wie kannst du deine Erfahrungen und Eindrücke auf der Bühne beschreiben?
Ich habe schon in einigen Bands gespielt. Dennoch hatte ich noch nicht so super viele Auftritte, weil, das kennen wahrscheinlich viele, dann doch oft ewig ein Sänger gesucht wurde oder ein zweiter Gitarrist oder jemand aussteigt, weil er wegzieht oder sowas. Am meisten Auftritte hatte ich aber damals mit einer Hardcore-Band, in der ich mal spielte. Locust Reign hießen die. Eigentlich gar nicht meine Musik muss ich heute sagen und ich wähle heute auch viel genauer aus, mit wem ich was spiele, denn es hilft natürlich, wenn man sich mit der Musik, die man macht, identifizieren kann und sie auch selbst hört. Aber mit denen hatte ich ein paar Auftritte. Wenn du als Frau auf einer Bühne stehst, vor der Metal- und Hardcore-Fans mit ihrem Bier in der Hand rumhängen, natürlich auch mit wenig Frauen im Publikum – dann hast du auf jeden Fall Aufmerksamkeit sicher. Das war dann nicht so leicht, weil ich eigentlich noch nicht so recht wusste, wie oder ob ich mich beim Spielen bewegen oder wie ich gucken soll. Der Sänger hat eine krasse Show abgezogen, bei der ich damals nicht so mithalten konnte oder auch wollte. Aber wir Bassisten sind ja auch nicht dafür bekannt, die Rampensäue zu sein. Was richtig Negatives habe ich da aber nicht erlebt. Ich wurde allerdings mehrfach gefragt, wie ich als Frau denn drauf komme, in einer Hardcore Band zu spielen. Was ja nur gezeigt hat, was offensichtlich war: Wie ungleich es in dem Business zugeht, was die Geschlechter-Verteilung angeht.
Allgemein will ich aber sehr gern wieder mehr auftreten – mit meinen aktuellen zwei Bands. Denn es ist doch ein super schönes Gefühl, die Früchte der eigenen Arbeit zu präsentieren und zu zeigen, wofür das eigene Herz schlägt. Darauf freue ich mich. Sobald da was spruchreif ist (und die Bedingungen es zulassen) werde ich das auf meinem Kanal verkünden und meine Bands da auch mal vorstellen.
Wir sind auf jeden Fall gespannt! Du planst außerdem einen zweiten Kanal für Band-Interviews oder ist das inzwischen schon geschehen? Wie kamst du auf die Idee und was ist deine Vision dahinter? Willst du ein spezielles Publikum erreichen oder einer bestimmten Art von Bands eine Plattform bieten?
Den Interview-Kanal gibt es noch nicht. Da ist meine Vision, dass ich Bands anfrage, die hier in Leipzig oder Berlin, oder auch in anderen Städten auftreten oder auch auf Festivals spielen und ich sie vor Ort interviewe. Das geht natürlich gerade gar nicht und deswegen liegt das auf Eis. Den Wunsch, musikjournalistisch zu arbeiten habe ich schon ganz lange – da gab es immer so Momente, wenn ich eine Band live gesehen hatte, dass ich dachte: hach, da jetzt backstage gehen und mit ihnen quatschen, das wäre schön. Und ich finde es großartig, dass man ja durch sowas wie YouTube und andere Social Media-Plattformen nicht mehr darauf angewiesen ist, dass ein Fernsehsender oder eine Zeitschrift einen Job ausschreibt. Ich schnappe mir da einfach jemanden für die Kamera und leihe Equipment und dann geht es los. Meiner Erfahrung nach sind viele Bands eigentlich recht offen für Anfragen. Das Thema oder eine bestimmte Herangehensweise suche ich noch, aber ich denke da kommt noch eine Eingebung. Ich finde, es ist ein gutes Beispiel dafür, dass, wenn man einmal etwas macht, daraus auch Ideen für weitere Vorhaben entstehen können und kann deshalb nur dazu ermutigen, nicht immer nur zu sagen: man müsste mal, sondern es wirklich anzugehen. Sicher hat sich diese Denkweise bei mir durch meine Krebserkrankung verstärkt. Ich hatte Brustkrebs. Ich bin durch die Therapie seit einem dreiviertel Jahr durch und sehr dankbar, es erstmal geschafft zu haben. Und ich denke, man sollte das Leben genießen und dazu gehört vor allem, zu tun, was einen glücklich macht und sich zu trauen.
Was denkst du sind die Gründe dafür, dass auf den Bühnen immer noch mehr Männer als Frauen zu sehen sind?
Diese Frage ist sehr interessant und ich habe sie auch schon einige Male den Bassistinnen gestellt, die ich interviewt habe. Es gibt darauf nicht die eine Antwort, aber viele Faktoren, die zusammenspielen. Einerseits denken Frauen wohl mehr als Männer, dass sie (noch) nicht gut genug sind, um in einer Band zu spielen oder auf einer Bühne zu stehen, wir sind also oft zu perfektionistisch. Dabei kann man wirklich gut mit wenig Skills anfangen und sich dann mit der Zeit verbessern, gerade am Bass. Das schafft man aber nur, indem man regelmäßig sein Instrument in die Hand nimmt und Erfahrungen sammelt. Und ein großer Faktor sind fehlende Vorbilder. Denn wenn Mädchen vor allem Männer auf den Bühnen sehen, dann denken sie zwar, ach das ist toll, aber sie bringen es nicht mit sich in Verbindung und denken dann nicht, dass sie da auch stehen könnten. Darum diskutiert man ja über Frauenquoten auch in der Wirtschaft – wenn erstmal ein ordentlicher Anteil an Frauen öffentlich sichtbar sind, dann kann sich auch die Denkweise verändern. Das kann sich aber nur langsam ändern. Außerdem halten sich Frauen oft eher im Hintergrund und überlassen Männern das Alpha-Verhalten. So sind wir wohl erzogen. Um erfolgreich zu sein, auch in der Musik, muss man auch neue Wege beschreiten und Regeln brechen, statt immer nur bestehende Regeln zu befolgen. Abschreckend kann es auch wirken, wenn Frauen eben merken, dass Rockmusik ein Männerbusiness ist und man sich da als Frau nicht immer automatisch willkommen und wohl fühlt.
Hast du persönliche Vorbilder in Sachen Frauen-(Punk)Rock? Wen und warum?
Cool finde ich Melissa auf der Maur. Ich kenne sie ursprünglich, weil sie damals bei den Smashing Pumpkins Bass gespielt hat. Sie hat auch bei Hole gespielt und danach hat sie Soloalben veröffentlicht. Sie hat eine coole Attitüde auf der Bühne, von der man sich was abgucken kann. Und sie zeigt, dass man mit dem Bass auch in vorderster Front stehen kann. Brody Dalle habe ich mal auf einen Festival gesehen. Sie spielt Gitarre und singt und macht punkige Musik, die ich gern höre und ich mag ihre Stimme. Sehr cool am Bass ist auch Ida Nielsen. Sie hat mal in einer Band von Prince gespielt und macht coole und anspruchsvolle Funk-Musik auf dem Bass.
Hast du als Frau im Musikbereich schonmal negative Erfahrungen mit Sexismus oder Benachteiligung gemacht?
In den Bands, in denen ich gespielt habe, war es eigentlich nie Thema, dass ich eine Frau bin, weil die Sympathie stimmte und wir musikalisch auf einer Wellenlänge waren beziehungsweise ich gezeigt habe, dass ich den Männern das Wasser reichen kann. Ich kann mir vorstellen, dass ich auch schon mehr Sexismus erlebt hätte, wenn ich noch mehr aufgetreten wäre, denn sehr viele Frauen an Instrumenten berichten das ja. Aber ich war ja bisher vor allem in Proberäumen unterwegs. Ich hoffe, ich muss solche Erfahrungen nicht noch sammeln. Allerdings hätte ich mittlerweile den Schneid, dagegen den Mund auf zu machen.
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Hast du bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Ich glaube, was enorm hilft ist, dass gerade in den letzten 2, 3 Jahren immer mehr über Gleichberechtigung im Musikbusiness gesprochen wird. Da hat sich insofern viel verändert. Allein schon sprachlich. Wenn ich zum Beispiel Gesuche lese, heißt es da jetzt fast immer „suchen Gitarrist/in“ oder „Bassist/in“. Das macht viel aus – wir Frauen fühlen uns wirklich gemeint und willkommen. Und es gibt Erhebungen, die belegen, auf wie wenigen Festival-Lineups zum Beispiel Bands mit weiblichen Mitgliedern zu finden sind. Das macht dann erstmal traurig und könnte entmutigend wirken. Aber dass es dafür jetzt Gehör gibt und Leute, die sich damit wirklich beschäftigen, das macht eben doch Mut. Erst muss sich das Bewusstsein ändern, dann kann die Realität folgen. Daran glaube ich.
Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Seit ich mich immer mehr mit dem Thema Frauensichtbarkeit und -stärkung befasse, würde ich mich als Feministin bezeichnen, ja. Denn mir ist klar geworden, dass es nötig ist, konkret darüber zu sprechen, wie wir für Mädchen und Frauen bestimmte Wege ebnen können. Das ist ein Bewusstsein, dass sich erstmal aus eigenen Erfahrungen und der Beschäftigung damit entwickeln muss. Und immer mehr bringe ich mit dem Begriff Feminismus auch die Solidarität unter Frauen in Verbindung. Wenn wir uns gegenseitig unterstützen und den Mund aufmachen, wenn uns Ungerechtigkeiten und Missstände begegnen, dann können wir wirklich etwas bewegen. Das müssen wir auch immer wieder im Gespräch mit Männern in unserem Umfeld vertreten und ihnen unsere Perspektive bewusst machen. Männer leben in ihrer eigenen Welt und denken immer, alle haben die gleichen Chancen. Das meinen sie oft nicht böse, sondern es ist eine gewisse Naivität. Aber erst, wenn auch sie verstehen, dass das vielfach noch nicht so ist, kann sich etwas ändern. Darum lade ich auch Männer dazu ein, Feminist zu sein.
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Keine falsche Bescheidenheit, nicht zögern, geht raus und zeigt, was ihr könnt! Das hilft euch selbst und allen anderen Frauen.
Vielen Dank für deine Worte, Franka!