In den späten Siebzigern waren wir alle – oder viele – zu mindestens einige – in eine Sängerin namens Debbie Harry verliebt. Mit ihrer Band Blondie, schlug sie damals die Brücke vom Punk zum Wave und später zu Rock und Pop für die Charts. Zeitgleich entwickelte sich Debbie Harry vom Szene-Girl der New Yorker Szene mit Andy Warhol, der sie porträtierte oder im Umfeld des legendären NY Clubs CBGB, wo sie auf Künstler wie David Bowie oder The Ramones traf. Noch größer als ihr Gesangstalent, war das Charisma von Debbie Harry, was sie schon damals erfolgreich einzusetzen wusste. Und zugegeben, wer jetzt mal die frühen Jahre der Dame googelt – ein Hingucker war sie schon. Aus dieser Gemengelage wurde dann später eine beachtliche Karriere, die man so nie vorher sehen hätte können.
Ja, es gibt auch andere vergleichbare Bandkonstellationen, die man hätte aufführen können. NENA mit ihrer Band oder die fantastische Bärchen und die Milchbubies. Aber irgendwie kam mir die Story von Blondie als erstes in den Sinn. Musikalisch sind die KLAUS K!NKS anders unterwegs als die aufgeführten Bands, aber mir ging es mehr um die Konstellation, das Line Up und ein paar andere kleine, wenige Gemeinsamkeiten.
Wie komme ich darauf? Eine Band, die ich seit dem ersten Instagram-Auftritt auf dem Radar habe, hat kürzlich ihr erstes Tape veröffentlicht. Der Titel trägt den Namen der Band KLAUS K!NKS und ja die Band kokettiert ein wenig mit der bad attitude des genialen deutschen Schauspielers Klaus Kinski (siehe “Du dumme Sau” als Download-Code – feiner Gag). Auch hier scharen sich die Boys um eine Sängerin: Beer K!NK (Bass), Nathalie K!NK (Gesang), King K!NK (Drums) und Toni K!NK (Gitarre und Vocals) und starten gerade ihre Karriere.
Auch hier scheint die Frontfrau einen Hang zum Färben der Haare zu haben und Charisma kann man Nathalie auch nicht abschreiben. Aber wie bei Blondie funktioniert man am besten als Band. Und genau diesen Spirit verbreiten KLAUS K!NKS mit jeder Note – den Spaß am gemeinsamen Musik machen der flotteren Gangart. Gegründet in Ludwigsburg im Jahr 2021 spielte man Punk in allen Variationen. “Aus Spaß an der Freude”, laut KLAUS K!NKS, begann die Band und spielte vor kurzem ihr zweites Konzert.
Endlich liegt also ein lang ersehntes Five-Track Tape der Band vor. Es ist nicht die erste Veröffentlichung der Band, denn man war bereits auf einem Sampler “VENCEREMOS – MUESTREADOR PARA LA AYUDA A CUBA” mit dem Song “Teenager on the Run” vertreten, der sich auf dem Tape als Opener wieder findet. “Teenager on the Run” fängt mit so vielen Details an, die ich liebe… Drums und Gitarren eröffnen zügig den Song, dann ein “Go”, gefolgt von einem Ramones-mässigen Shouter “1-2-3-4” – da haben mich die KLAUS K!NKS schon um die Finger gewickelt. Textlich geht es um das bekannte Konfliktfeld Eltern und Teenager – nothing more to say. Nach 1 Minute und elf Sekunden ist alles gesagt und wird mit einem “Und Aus” beendet. Der Track ist ein Song mit schöner Bass-Linie und mit ein wenig nervöser, typischer Rhythmusführung, die herrlich in den 90er-Jahren schwelgt. “Teenager on the Run” stammt bereits aus 2021 und ist glaube ich, einer der ersten Songs der Band.
“Wonderwall” startet ebenfalls mit der Erfolgsformel: Gitarre, Drums vom Start weg auf dem Gas und als Untermalung ein schöner schrammelnder Bass. Der Song erhält später noch eine zweite Gesangsstimme zu Nathalie dabei, was den Song in Summe interessanter macht und aufwertet. Auch das Ende als “Geistergeschrei” ist für mich ein Zeichen der Kreativität, Musikalität und Freude am Spielen.
An dritter Stelle:der Song “Little Birdy”, der mich irgendwie an die frühen The Cramps erinnert. Sowohl im Sound, als im Wechselgesang und der gesamten Souns-Atmosphäre. Der Bass schrubbelt sich herrlich durch den Song und neben den Drums werden als Percussion mal einfache handclaps benutzt – wirklich geiles Teil. Ein Gitarrensolo in der Songmitte verbreitet ein wenig Psychedelic. Am Ende ist “Little Birdy” Lieblings-Song geworden – die Message “And I Won’t let you down” hat so was tröstendes.
“Sleep Won’t let me Fall” handelt vom Nicht-Einschlafen-Können und entsprechenden negativen Gefühlen in der Nacht, wenn man alleine (Vater, Mutter, Bruder – alle nicht zugegen, aber so ist das wohl in Ludwigsburg!) im Bett liegt, aber man fühlt, dass man nicht alleine ist… Der Song wird sehr emotional umgesetzt. Die Gitarre sägt sich erbarmungslos durch den Alptraum, während die Stimme der Sängerin schon leicht Tendenzen zur Hysterie aufzeigt. Auch hier nutzen die KLAUS K!NKS kreativ die Wechselgesänge und ein Wolfsgeheul am Ende, was mich erneut an die The Cramps erinnert.
Blue Light Riot | The Klaus Kinks (bandcamp.com)
Der jüngste Song “Blue Light Riot” ist ein typischer Street-Punk-Song mit deutlicher Oi-Attitüde. Hier scheint sich die Band wirklich wohl zu fühlen, denn hier geben die KLAUS K!NKS noch mal richtig Gas und ziehen im Tempo und mit dem Gesang noch mal richtig an. Tempi-Wechsel und eingespielte Samples wie klirrendes Glas machen den Anti-Polizei-Song zu einem würdigem Abschluß-Song und als Hymne für die nächste Demo oder G20-Gipfel.
Das Tape ist optisch ein Eye-Catcher was Cover-Art und Farbe angeht. Hier haben sich die Band und Helfer wirklich ins Zeug gelegt. Wenn man den DIY-Punk der 90er liebt, und das tue ich, dann kann ich das Tape nur wärmstens empfehlen. Hier beim Label Running Out Of Tape Records kannst du es bestellen. Ein Besuch der Label-Seite lohnt sich zum stöbern …
Wer weiß, vielleicht gibt es die ein oder andere Parallele zu Blondie, aber ich bin mir sicher, dass die KLAUS K!NKS auch ohne diese Vergleiche ihren Weg machen werden.