Ich bin direkt ganz ehrlich, Chris Cubeta sagte mir bis vor ein paar Wochen noch nichts. Umso mehr hat es mich gefreut, durch Zufall auf diese Platte gestoßen zu sein. Mit seinem neusten Album „Apoe“ hat mich der langjährige New Yorker Session Musiker auf eine melancholische und zugleich sehr abwechslungsreiche Reise mitgenommen. Wer für eine experimentelle Mischung aus Folk, Rock, Indie, aber auch Pop bereit ist und sich gerne mal neuen Musikrichtungen widmet, könnte ebenso Gefallen an dieser Platte finden.
„Apoe“ startet mit Schwung. Der Track „Birthdays“ lässt gleich zu Beginn erahnen, was einen auf dieser Platte noch erwartet. Einige Synthies und ein klassischer 4-to-the-Floor Rhythmus erzeugen direkt diese 80er-Jahre Stimmung. Wer die Serie “Stranger Things” geguckt hat, weiß vielleicht, wie ich das meine. Für die passende Dynamik sorgt dann ein Umbruch ab etwa der Hälfte des ersten Tracks. Plötzlich ist auch ein akustisches Schlagzeug zu hören und der Song entwickelt sich in Richtung Indie Rock. Das Ganze hält an, bis sich die Instrumente eingeleitet durch die Zeile “as we go back to beginning” wieder an dem Anfang des Tracks orientieren, bis dann schließlich mit einem großartigen Gitarrensolo langsam das Ende eingeleitet wird. Und diese Energie bleibt zunächst erhalten. Mit „Architect“ liefert Chris Cubeta an zweiter Stelle eine rockigere Nummer. Vor allem das prägende Bassriff zu Beginn und der plötzliche Übergang, von vielen übereinanderliegenden, ja förmlich kreischenden Gitarren, in ein aufgeräumtes und sauber gespieltes Gitarrenriff gegen Ende des Songs, blieben mir in Erinnerung.
Aber „Apoe“ zeigt sich auch schnell von einer anderen Seite. Die bereits angedeutete Melancholie, welche diesem Album seinen übergreifenden Ausdruck verleiht, lässt nicht lange auf sich warten. Mit Songs wie „I’m Tired of This“, „Francis“ oder „Roses And Ants“ hört man auch die düsteren Seiten dieser Platte. Und das ist überhaupt nicht negativ gemeint, die Songs wirken einfach etwas ruhiger. Warme und sphärische Klänge rücken deutlich in den Vordergrund und erzeugen eine angenehme Umgebung, während sich die rhythmische Begleitung insgesamt etwas schlichter gestaltet.
Und das sind nur einige wenige musikalische Eigenschaften, die mir beim Hören aufgefallen sind. Die Liste ist lang und es lassen sich hier mit Sicherheit noch viele weitere Besonderheiten raushören. Insgesamt merkt man aber, dass Chris Cubeta sein Handwerk beherrscht und dabei durchaus experimentierfreudig ist und sich eben nicht ausschließlich an dem klassischen Pop Schema orientiert. Die Songs leben von der völlig freien Gestaltung, wodurch jeder Track wiederum seinen ganz eigenen Charakter bekommt.
Neben den ganzen musikalischen Facetten steht im Mittelpunkt dieses Albums aber vor allem die persönliche Geschichte von Chris Cubeta selbst. Der Titel des Albums “Apoe” ist eine direkte Anspielung auf die Alzheimer-Diagnose seiner Mutter im jungen Alter von 57 Jahren. Auch der eigene Kampf gegen Depressionen, immer wiederkehrende Zweifel, ob Cubeta sich als „echten“ Künstler wahrnimmt oder und vor allem die Leidenschaft zur Musik haben ihn laut eigener Aussage dazu gebracht, dieses Album aufzunehmen und zu veröffentlichen. Als langjähriger Studiobesitzer kennt Chris Cubeta die Funktion und Wirkung einzelner Töne und das hört man. Es gehört nun mal einiges dazu, Songs so zu gestalten, dass die Art und Weise wie die unterschiedlichsten Instrumente gespielt werden, auch die richtige Stimmung bei Zuhörenden hinterlassen. Viele der Songs sind laut Cubeta während seiner Therapie entstanden, wo er sich mit den Dingen seiner Kindheit auseinandergesetzt hat, welche ihn heute zu der Person gemacht haben, die er sein möchte. Das Frontcover der Platte zeigt einen verschwommenen Jungen unter Wasser. Dreht man die LP, so kann man das Gesicht des Jungen über Wasser erkennen. Eine schöne Veranschaulichung des ständigen Auf und Ab im Leben, was musikalisch zugleich der Melancholie dieses Albums entspricht.
Für wen ist dieses Album nun also? Solche Fragen sind natürlich unsinnig und keinesfalls objektiv zu beantworten, aber dennoch habe ich mir darüber Gedanken gemacht. Ich denke, im Endeffekt geht es bei dieser Platte um mehr als „nur“ die Tonkunst. Sobald man sich die Zeit für die Musik und die Geschichte dahinter nimmt, wird dieses Album zu etwas ganz Besonderem. Abschließend denke ich also, wer etwas für den Mix aus Indie-Rock und Folk übrig hat und sich beim Musik Hören gerne mal vom Alltag entschleunigt, bekommt hier eine unfassbar gelungene Platte geboten. Das Album wurde über Make My Day Records veröffentlicht und ist aktuell über JPC zu haben.
Viel Spaß beim Hören!