Juhuu, es ist Frühling. Für mich die schlimmste Zeit des Jahres, denn ich seh’ plötzlich nichts mehr. (Pollen, don’t hesitate – hate!). Aber hilft ja alles nix. Also, ‘ne halbe Flasche Augentropfen in die Glotzböbbel und ab an die Tasten. Schließlich ist heute topaktuell das neue Video und die erste Single des mir vorliegenden, veganen Sahnestückles erschienen. Und ich sag euch, uiuiui, da werdet auch ihr die Äugle zusammenkneifen, ob der maximal anmutenden Darbietung des Club Déjá-Vu Aerobic-Kurses für Fortgeschrittene, stilecht in himmelblauen Anzügen nebst Wurstpellen-Leggins.
Für alle, die jetzt schockverliebt sind, gibt es glänzende Nachrichten: Ein verstörend geiles (hihi) Poster der Band in eben diesen schlumpfigen Turn-Outfits liegt der Platte bei.
Seit 2004 dümpeln die vier Sportfreunde Ferdinand Führer (Gesang/Bass), Roland von Oystern (Gitarre/Gesang), Angry Stef (Schlagzeug) und Gregor Endhardt (Gitarre/Gesang) in der Stuttgarter “Isch-des-noch-Punk” – Pfütze. Bei den fulminanten Intervallen zwischen den Releases wächst die Spannung nahezu ins Unermessliche, geile Marketingstrategie. Nach der letzten Veröffentlichung “Die Farben der Saison” 2015 hat es nun ganze 8 Jahre gedauert, um das 4. Album auf den Markt zu brezeln. Während die letzte Platte noch über Elfenart Records erschienen ist, hat das schwäbische Quartett dieses mal (fast) alles selbst in die Hand genommen: Aufgenommen und gemischt wurde in Flo’s Tonstudio Fieser Schwan Recordings, veröffentlicht über Roland & Flo’s Platten Label Nebula Fünf Enterprises Int. und das Cover Design in Zusammenarbeit mit der coolen (der Coolsten!) Lisbert gestaltet. Lediglich das Mastering wurde Ralv Milberg überlassen.
Heut mach ich mal was Verrücktes: Ich les’ erst die Texte und leg dann die Platte auf, uh, was bin ich crazy…
Schnell stelle ich fest: Wie schon bei der letzten Platte bleibt hier das zentrale Thema das menschliche Ableben. (“Schwarz”, Gefängnis oder Grab”) und die Dunkelheit, die diesem vorangeht (“Die große Traurigkeit”). Irgendwo zwischen Rilke und Sven Regener wird in bittersüßer Morbidität düsterer Stoff wie Einsamkeit (“Alleine mit meiner Zärtlichkeit”), Leistungsdruck (“Habt Erbarmen”), Scheitern (“Das große Werk”) und Trennung (“Kaffe und Schnee”) abgehandelt.
Diese tiefgründigen, finsteren Zeilen werden aber halt einfach auf komplett konträre Art und Weise vorgetragen: Übertrieben locker flockig, abgrundtief lässig, mal hier ein Gitarrensölchen, mal da ein tricky Break, die zart-süßliche Stimme, von der Rhythmusgitarre angepeitscht.
Ich find’s geil. Also echt, ich find’s richtig geil. Ich mag Flo’s Stimmfarbe, die sich irgendwo zwischen Farin Urlaub und Dirk von Lowtzow bewegt, so entspannt unangestrengt, einfach erfrischend ehrlich. Die von Gregor geschrieben und gesungenen Songs (“Die große Traurigkeit”, “Falls jemand fragt”) sind textlich bildhafter und von schaurig-schöner Tragik. Ich mag die Melodieführungen der Stücke und die Art, wie sie gespielt werden, ich mag die einfachen, unverkrampften Drums, den zuverlässigen Bass. Musikalisch und inhaltlich erinnern mich die Lieder auch an das Solozeug von Bela B. (Liebe <3), hier und auch da mal blitzen für mich ein bisschen Goldene Zitronen durch.
Dunkle Gestalten kommen und gehen nie und in mondlosen Nächten flüstern sie
Und was sie Dir erzählen, ist nichts Gutes
Ach ja, und wenn ihr mal nix zu tun habt, könnt ihr -statt stundenlang netflixen und Chips in euch reinstopfen- eure Energie mal in eine Suchmaschinen-eurer-Wahl-Suche über Führer und van Oystern stecken. Ich schwör, ihr seid danach ahnungsloser und verwirrter als vorher, denn die Wege der beiden ähneln einem Labyrinth aus Genialität und Einfallsreichtum.
Ach so ja, natürlich könnt ihr die Platte auch kaufen, und zwar zum Beispiel hier.