Eigentlich wäre dieses Review schon am 5.8. fällig gewesen. Da haben Concrete Lipstick nämlich dieses wunderbare Band mit Plastik drumherum veröffentlicht. ABER: Ich war definitiv urlaubsreif – auf dem Tape klebt ein Post-It, auf das ich in müder Schrift “VÖ 5.9.” gekritzelt hab’. Jetzt also mit Verspätung, zwei Wochen Sonne und Meer im Herzen und einem Cyanide Pills (also die Band!) Konzert später wird mir klar, das war kein Zufall…
Bei Concrete Lipstick aus Dresden handelt es sich um 3/4 der Band Deep Shining High. Letztere haben bereits im Februar ihr neues Album “Guided By The Blues” veröffentlicht (Ein Review dazu von den Kollegen von Away From Life gibt’s hier). Auch geil, ich muss aber sagen, dass ich sehr erquickt darüber bin, dass diese feinen Menschen wohl Langeweile in der Pandemiezeit hatten und noch ein bisschen mehr Bock weg vom hardcoresken, hin zum schnoddrig hingerotzten ’77er Punk. Das Tape klingt, wie die Band aussieht, Fred Perry Shirt meets Sid Vicous Frise meets Vokuhila mit Schnorres. Musikalisch durfte da jeder auch hörbar mitmischen, vor allem der Bass, ganz hinreißend. Und ey, das klingt alles authentisch as hell, man könnte fast den Eindruck gewinnen, diese Herren haben sich mit der Zeitmaschine nach 2022 ins Hip Gun Studio, wo das Album aufgenommen wurde, verflogen. Die Armen. (Also wegen der miesen Zeit heute, nicht wegen des Studios).
Nach einem instrumentalen Intro, das Lust auf mehr macht, folgt mit “Crazy Nights” direkt ein Song mit Hitpotential (womit sich der Kreis zum Cyanide Pills Konzert schließt…). “Plants” geht nicht weniger catchy weiter, was für ein geiles Ende! Und jahahaaaaa, jetzt kommt der Bass, grandiosest! Nicht weniger als der Songtitel “Kalsarikännit”. Für dieses Wort muss man die Finnen einfach lieben. Denn es handelt sich dabei um eine Entspannungstechnik und bedeutet übersetzt so viel wie “sich in Unterhosen daheim alleine betrinken” (wer kennt es nicht…). Das letzte Lied “Conspiracy” auf der A-Seite ist einen 1A* Ohrwurm, bei dem die Abscheu über die ganzen Verschwörungskackbratzen und Covididioten in der angewiderten Stimme des Sängers herauszuhören ist und der mit den Worten “I recommend: Suicide” endet. Ok, ich bin verliebt…
Was mag da noch kommen auf Seite B? Noch mehr Hits natürlich!
In “No Salvation” tanzt der Bass mit bedeutungsschwangerem Textinhalt Hand in Hand, “Guys Like This” smootht sich lässig hinterher und “Prisoner Of My Brain” ist auf der B-Seite mein klarer Favorit. Es grenzt geradezu an Frechheit, wie ungeniert hier musikalische Coolness an den Tag gelegt wird, ohne dabei auch nur einen Hauch von Arroganz zu versprühen. “Camp David” und “What’s The Problem” laden zu den letzten 4 Minuten Beinwippen ein und schon ist’s vorbei. Trotz dem ein oder anderen Gitarrensolo bleibt die Spielzeit auf beiden Seiten zusammen knapp unter 20 min., eigentlich Schade. Aber der nächste Lockdown kommt bestimmt. Also Zeit für Nachschub, die Herren!
Die handgestempelten (Credits to Bernd!) Tapes gibt’s über die Bandcampseite von Concrete Lipstick oder im Shop von Running Out Of Tape Records zu kaufen und das solltet ihr auch tun, denn von diesen Bois wird man bestimmt auch in Zukunft noch was hören.