Das Sommerloch neigt sich so langsam dem Ende und wie so oft haben es sich in der Zwischenzeit einige Platten bei mir gemütlich gemacht. Also nichts wie rauf auf den Plattenspieler und rein in die Tasten.
Den ersten Aufschwung macht dabei der neuste Langspieler von Dana Gavanski. Als ich das Artwork dieser Platte betrachtet habe, war mir nicht ganz klar, worauf ich mich hier einlasse. Dieser lebendige und zeitgleich bizarre Ausdruck in Gavanskis Augen gaben mir das Gefühl, in eine dunkle und geheimnisvolle Ausstellung einzutreten. Surreal und trotzdem interessant! Nachdem ich das Cover aber verkraftet habe, konnte ich mich in Ruhe mit einer Mischung aus Vorfreude und Angst dem Rest der Platte widmen, wobei Ruhe wohl kaum Bestandteil dieses Albums ist :).
In den Köpfen kreativer Menschen, so heißt es, geht es drunter und drüber – eine permanente, chaotische Party und ganz genau diese Art von Party ist es, zu der uns Dana Gavanski mit ihrem dritten Album “Late Slap” einlädt. Diese Platte ist kein einfacher Drink am Rande des Raumes, während man verstohlen den Ausgang sucht, sondern vielmehr ein wilder Tanz durch die Höhen und Tiefen unserer kollektiven Psyche. Gavanski lädt uns dazu ein, die sich ständig verändernde Landschaft ihrer Gedankenwelt zu erkunden, in der Freude und Schrecken aufeinandertreffen, als wären sie beste Freunde, die sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben.
Schon der Titel “Late Slap” lässt erahnen, was uns erwartet: ein plötzlicher Ruck, der uns aus der Fassung bringt und uns daran erinnert, dass wir noch lebendig sind. Und genau das macht dieses Album. Es ist wie eine unerwartete Ohrfeige, die dich aus der täglichen Trance reißt und dich zwingt, das Leben wieder zu spüren – in all seiner bizarren, schönen und manchmal verstörenden Realität.
Auch die Entstehung dieser Platte verlief alles andere als gewöhnlich. Statt auf dem klassischen Weg nur mit Gitarre und Gesang zu arbeiten, entschied sich Gavanski, den Schritt in die digitale Welt von Logic Pro zu wagen. Der Wechsel von analog zu digital ist für viele Musiker ein Sprung ins kalte Wasser – und genau diese Spannung spiegelt sich in den Tracks wider. Es ist, als würde Gavanski uns auf eine Reise mitnehmen, bei der sie alte Gewohnheiten über Bord wirft und dabei überrascht feststellt, dass das kalte Wasser eigentlich ziemlich erfrischend ist.
Ein Highlight der Platte ist der Track “Ears Were Growing”, der den Eifer der 80er Jahre wiederaufleben lässt und uns an die exzentrischen Klänge von Talking Heads und Klaus Nomi erinnert. Die Zeilen “Take me to the cinema/ I want to inhabit the actress!” sind ein perfektes Beispiel für Gavanskis verspielte und doch tiefgründige Art, mit ihren Texten zu experimentieren. Hier wird die Grenze zwischen Fantasie und Realität aufgelöst, und man fühlt sich fast so, als würde man in einen surrealen Film eintauchen, in dem die Hauptdarstellerin gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen anregt.
Aber nicht jeder Track auf “Late Slap” ist ein schrilles Fest der Theatralik. Mit “Ribbon”, einem Song, der über den Verlust eines Jugendfreundes handelt, nimmt uns Gavanski mit in die stille Trauer, in der die vertrauten Dinge plötzlich fremd erscheinen. Mit Zeilen wie: “To face the rays all saddled in silence/ How do I rearrange my room/ the walls are a shell/ That’s opened too soon/ I can’t manage it from here” zeichnet Gavanski das Bild einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Und während wir durch diesen Song schweben, spüren wir, wie sich die Schwere der Realität auf uns legt – und doch finden wir in der Musik eine seltsame Art von Trost.
Unter der Produktion von Mike Lindsay ist “Late Slap” letztlich ein geschickter Drahtseilakt zwischen Zynismus und Offenheit, welcher sich musikalisch durch ein reichhaltiges Klangbild aus einer Mischung von Indie-Rock, Kammerpop und sogar Elementen des Math-Rock darstellt. Gavanskis Lieder sind tiefgründig und introspektiv und behandeln Themen wie die moderne Isolation, romantische Höhen und Tiefen sowie persönliche Verluste. Aus der einleitend erwähnten Angst wurde im Hörverlauf große Freude, denn genau dieser Zwiespalt zwischen den widersprüchlichen Emotionen machen dieses Album zu etwas ganz besonderem. Veröffentlicht wurde die Platte über Full Time Hobby und wer jetzt ebenfalls an der chaotischen Party teilnehmen möchte, kann sein Exemplar direkt über Bandcamp oder JPC erwerben.
Viel Spaß beim Hören!
Jan