In unserer Interview-Reihe zu Frauen im Musikbusiness beantwortete uns letzte Woche Finna im Interview ein paar spannende Fragen. Heute sprechen wir mit Emmi aus Halle, die für eine Leipziger Band den Merch schmeißt. Was sie dabei erlebt, hat sie uns hier erzählt:
Hallo Emmi,
danke, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein paar Fragen zu dir und der Mercherei zu beantworten. Fangen wir an:
Du bist als Mercherin von 100 Kilo Herz unterwegs, seit wann machst du das und wie kam es dazu? Kannst du dich an das erste Konzert erinnern, bei dem du das erste Shirt verkauft hast?
Man klingt das krass! Ich hab das ehrlich gesagt noch nie so gesehen… Mercherin. 😉
Wann das so richtig angefangen hat, kann ich gar nicht so wirklich sagen. Der Prozess war sehr schleichend. Anfangs bin ich mitgefahren, um den Jungs zuzuhören und ein cooles Wochenende zu haben. Ich kenne ein paar von ihnen schon lange privat, mag die Musik und durfte immer wieder mitfahren. Um ihnen dafür, dass sie mich ertragen, etwas zurück zu geben, habe ich mich dann am Merchstand nützlich gemacht. Das erste Mal so richtig abgefahren war es im Waschhaus, als Vorband von Dritte Wahl. Da habe ich keine Minute des Konzertes gesehen, aber dafür hatte ich viel Spaß am Merch! Das ist alles eher zufällig passiert und irgendwann hat die Band gemerkt, dass ich den ganzen Merch recht gut im Griff habe.
Kannst du uns einen kurzen Einblick geben, wo man dich in den letzten Jahren antreffen konnte?
Klar! Ich war mit 100 Kilo Herz in sämtlichen Kleinstädten und Dörfern unterwegs. Geil, dass es da Menschen gibt, die so etwas aufrecht erhalten! Vom Café Taktlos in Glauchau über den Speicher in Husum, bis zum zakk in Düsseldorf – da hängen viele tolle Erinnerungen dran. Natürlich war die Festivalsaison auch echt abgefahren. Gerne erinnere ich mich an das Frierock Festival und natürlich das Rock am Kuhteich oder an die Tour durch die Schweiz zurück!
Du arbeitest Vollzeit und merchst am Wochenende, ist das nicht anstrengend? Wie lässt sich das unter einen Hut bringen? Und wer übernimmt deinen Job, wenn du doch mal nicht mitfahren kannst?
Ja, das ist grundlegend richtig! Allerdings ist es für mich kein “Job”. Vielmehr ist es eine Herzenssache, es ist irgendwie cool dabei sein zu können, bei allem was gerade passiert. Früher, während der Studienzeit, habe ich auf Festivals und Konzerten Zigaretten verkauft und konnte so meinem Hobby, Musik zu feiern, nachgehen. Jetzt erlebe ich das mit den Jungs und die höre ich immer wieder gerne – das macht mir einfach Spaß.
Wenn ich doch mal nicht mitfahren kann, übernehmen sie das meistens selbst. Die sind auch so nach den meisten Konzerten noch am Merch zu treffen, aber so ist es einfach eine große Hilfe, da vor und nach den Konzerten immer noch Auf- und Abbau passieren muss und wenn ich nicht dabei bin, fehlen dann immer zwei bis vier Hände. Im letzten Jahr gab es aber kaum Konzerte, die ich verpasst habe.
Gibt es ein besonders ergreifendes, tolles oder sogar mieses Erlebnis in deiner Zeit als Mercherin, das du mit Sicherheit nie vergessen wirst?
Puh! Ergreifend: Es sind die kleinen Dinge! Wenn die Jungs nach dem Konzert völlig nassgeschwitzt vorbeikommen und schnattern, abklatschen, Danke sagen. Das ist echt cool!
Letztes Jahr haben sie ein Festival gespielt, kurz bevor wir in die Schweiz gefahren sind. Für die Schweiz muss man allerdings ziemlich viel Papierkram bereithalten, so dass wir davon ausgegangen sind, dass nicht übermäßig viel gehen würde. Als ich während des letzten Liedes am Merch ankam bin ich fast umgefallen, da stand gefühlt das halbe Publikum. In solchen Momenten gilt es nur Ruhe zu bewahren und alle nacheinander zu bedienen. Schade ist, dass nicht so viel Zeit zum Schwatzen bleibt. Etwas Gutes gab es – nach 30 Minuten war alles verkauft.
Toll: Da gab es zwei Konzerte. Bei einem war ich allerdings gar nicht dabei und wurde währenddessen mit Videos auf dem Laufenden gehalten. Das war zum Sterni Fanfest. Das andere war das Konzert im Dachstock in Bern. Da waren echt viele coole Menschen und die konnten die Songs mitsingen – unfassbar! Einmal habe ich auch ein Shirt verkauft, das ich in dem Moment getragen habe – abgefahren.
Mies: Schwierig sind die Diskussionen mit Menschen, denen man nur unter bestimmten Bedingungen ein Shirt verkauft. Wir (damit meine ich die Band und mich) machen das dann nicht, wenn jemand z.B. ein Freiwild-Shirt trägt. Wir machen das dann nur im direkten Tausch. Gib dein Shirt ab und zieh unseres an! Gerne zitiere ich da die Textzeile aus Kleinstadtdisco:
“Das erste Mal zu Frei.Wild tanzen,
Völlig unbeschwert
Weil du es gar nicht anders kennst
Findest du es nicht verkehrt”
Ich würde die Auswahl gerne noch um “peinlich” erweitern: Es könnte durchaus sein, dass ich einmal eine Gurke im Merchcase liegen gelassen habe. Leider war die Pause zum nächsten Konzert etwas länger und von der Gurke nicht mehr allzu viel übrig. Das war echt doof. Aber: Einmal blamieren am Tag festigt den Charakter! Und den Klamotten ist zum Glück nichts passiert!
Was denkst du, wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 20 Jahren verändert hat? Kannst du einen “Turning Point” ausmachen, ab dem etwas anders wurde?
Das Problem der Sichtbarkeit zieht sich durch die Geschichte. Obwohl es Komponistinnen und Musikerinnen gab, wird bis heute kaum über sie geredet. Wenn man an klassische Komponisten denkt, denkt man eher an Händel oder Mozart.
Vor zwanzig Jahren hat die Popmusik dann Frauen für sich entdeckt und Girlgroups auf den Plan gebracht. Da ging es vor allem um Vermarktung und Frauen wurden auf das Optische reduziert. Das spürt man auch noch heute.
Gerade in den Subkulturen gibt es wenige Frauen. Vor allem auf Festivals ist das oft krass. Da schaut man sich um und sieht manchmal bei 20 bis 40 Bands – also etwa 80 bis 160 Menschen auf der Bühne – keine einzige Frau. Hin und wieder mal eine Bassistin oder Gitarristin, aber oft weniger als zehn Prozent.
Wie sehr die Frauen hier von Machokulturen oder der Frage nach Akzeptanz bzw. Know-how betroffen sind, kann ich nicht sagen, da ich es nicht mitbekomme.
Am Merch teilt man sich öfter mal den Tisch mit anderen Mercher*innen von anderen Bands. Triffst du dort eher auf Frauen oder auch manchmal auf Männer, die den Shop schmeißen? Kannst du da Unterschiede wahrnehmen?
Gefühlt würde ich sagen, dass es total ausgeglichen ist. Viele Bands in unseren Kreisen haben gar keine/n extra Mercher/in. Die meisten machen das selbst. Der Ablauf ist bei allen Bands ähnlich und die meisten greifen sich auch gegenseitig unter die Arme, so dass es kein Problem ist, zur eigenen Band feiern zu gehen oder so. Das gehört einfach wie selbstverständlich dazu. Einen Unterschied kann man dabei auf jeden Fall nicht ausmachen – die sind alle irgendwie etwas bekloppt. 🙂
Auf welche in der Zukunft liegenden Ereignisse freust du dich besonders? Gibt es etwas, was du am Merchstand unbedingt noch erleben möchtest?
Ohhhhh ja! Im ersten Halbjahr freue ich mich tierisch auf das Konzert in Jena. Endlich klappt das auch! Außerdem auf die Festivalsaison mit z.B. Rock am Beckenrand und Open Flair. Bei letzterem hab ich früher schon gearbeitet. Mehr kann ich nicht erzählen, da würde ich zu sehr aus dem Nähkästchen plaudern.
Es ist natürlich schon passiert, dass Musiker*innen von anderen Bands bei mir eingekauft haben. Leider erkenne ich die dann immer erst hinterher. Meistens kenne ich nämlich nur die Musik und nicht die Menschen, die dahinter stecken. Außer Brian Fallon, den würde ich erkennen.
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Respekt und Toleranz sind die Türöffner für alles. Erbringe es deinem Gegenüber und du wirst es zurückbekommen. Hinterfrage dein Handeln und sei immer auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen. Das zieht auch in meinem Job und ich glaube, das funktioniert ganz gut.
Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten!
*Copyright des Titelbildes: Sophia Vogel