Mit Ilona aus dem Ruhrpott möchte ich euch heute eine weitere Frau vorstellen, die dem Musikbusiness voll und ganz verfallen ist! Neben einer ziemlich tollen kleinen Booking Agentur im Indie- und Punk-Bereich arbeitet Ilona auch als Mercherin für diverse große und kleine Bands und fährt auch gerne mal mit Bands ganze Touren, um dort auch noch als Tour-Managerin aktiv zu sein. Aufgrund ihrer vielen Aktivitäten hat uns Ilona sicher einiges zu berichten und so möchte ich euch nicht länger auf die Folter spannen. Hier nun das Interview für euch:
Hallo Ilona,
schön, dass wir nun auch in Form eines Interviews die gemeinsame Ehre haben und sich so oft unsere Wege kreuzen 🙂
Erzähl doch erst einmal, was du denn so alles treibst und was deine Motivation war, all das so zu machen, wie du es inzwischen machst. Gibt es Dinge, die du besonders gerne machst oder eher meidest? Was zum Beispiel und warum?
Hey Nico,
erst einmal vielen Dank für das Interview. Und eins vorweg: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ Ich liebe und ich lebe es.
Angefangen hat mein ganzer Punkrock-Zirkus 1998 im Ex-Haus in Trier. Dort gab es damals die Moselpunks, die (un-)regelmäßig Konzerte veranstaltet haben, aber jährlich das Osterpogo am Ostersonntag und das war immer legendär. Irgendwann stand ich auf einem der Konzerte hinter der Theke und alles nahm seinen Lauf…
Unter anderem haben wir auf diversen Hütten im Wald der umliegenden Ortschaften kleine Festivals veranstaltet oder die Konzerte, die wir im Club Monopol in Leiwen veranstaltet haben. Da gibt es heute noch manchmal lustige Gespräche drüber und das von Leuten, die damals schon hier im Pott gewohnt haben und zu unseren Konzerten extra an die Mosel kamen. Ganz vorne mit dabei waren immer die Jungs von Bierschinken.net
Das Ganze machte damals schon Spaß, da wir echt viele Leute waren, die richtig Bock hatten Konzerte zu veranstalten und man durchgehend das Gefühl hatte, dass wir alle am selben und richtigen Strang ziehen und es war immer ein Heidenspaß gewesen. Aber wie das Leben ist, werden im Laufe der Zeit, Prioritäten anders gesetzt, was völlig richtig so ist, aber dadurch wurden wir eben immer weniger Leute und irgendwann waren wir am Ende nur noch zu dritt. Meine letzte Show im Exhaus war im Juli 2012 auf der Sommerbühne, das war mit Slime, Fahnenflucht, Popperklopper und Bildungslücke.
Bis 2010 habe ich an der Mosel gelebt, irgendwie hatte ich aber immer das Gefühl, das mir was fehlt, wusste aber nie so richtig was. Das findet man ja auch schlecht raus, wenn man immer weitermacht wie bisher, also musste eine Veränderung her. Im Oktober 2010 bin ich dann nach Duisburg gezogen (Ja, freiwillig nach Duisburg 🙂 ) Ich mag die Stadt für ihr chaotisches Dasein und Duisburg hat wirklich tolle Ecken und viele Möglichkeiten am Wasser zu sein, das ist mir z.B. besonders wichtig. Wasser beruhigt mich einfach.
Im Ruhrpott habe ich dann angefangen im Djäzz-Jazzkeller Duisburg und Druckluft Oberhausen Konzerte zu veranstalten und mache das aktuell auch noch, aber nicht mehr so viele wie vor ein paar Jahren. Dass das Veranstalten weniger geworden ist, liegt zum einen an meiner fehlenden Zeit dafür und zum anderendaran, dass Clubs und nicht nur das Djäzz, schon weit mit ihren Terminen vollgebucht sind und man dann noch schwer an einen freien Termin kommt, wenn man ihn gerade will. Und jetzt schon Termine fürs Jahresende klar machen, das möchte ich einfach nicht mehr. Für den Club ist das super, aber wenn einer Band kurzfristig ein Slot wegbricht, kann man eben nicht spontan sagen: „Alles klar, ich veranstalte euch da oder da“.
Mein Traum ist es schon immer einen Bauernhof zu besitzen. Mit paar Leuten dort zu wohnen und in den alten Stallungen Konzerträume in den unterschiedlichsten Größen zu machen. Dass man Räume hat für eine kleine Band, wo Platz für ca. 80 Personen ist, dann ein Raum bis zu einer 300er Größe und einen, wo 600 Leute reingehen und im Nebenhaus gibt’s dann die Bandwohnung 🙂 Dann könnte jeder weggebrochene Slot bei mir stattfinden, das wär toll.
Aber wie du schon in deiner Einleitung geschrieben hast, ist Konzerte veranstalten nicht das einzige, was ich im Bereich der Musik mache. Durch das jahrelange Konzerte veranstalten, kennt man natürlich die ein oder andere Band und wie das dann so ist, man wird angerufen und gefragt, ob man irgendwie helfen könne, den einen blöden Off-Day in der Tour zu füllen oder ob man sonst eine Idee hat, wo man nachfragen könne. Das Ganze nahm aber irgendwann überhand, so dass das schon ein fast allabendliches Ritual war, irgendwo für irgendeine Band nachzufragen, ob Person X Bock hat, sie in seinem Club in Stadt X zu veranstalten. Das ist eine Sache, die zu mir gehört, dass ich gerne organisiere und plane und das auch irgendwie nicht sein lassen kann und das wussten die Leute und riefen an und das war auch völlig ok, ich hatte ja Spaß daran. Im November 2016 habe ich dann meine eigene kleine Booking-Agentur gegründet, die auf den Namen BUNTE WELT BOOKING hört. Nach dem Warum haben mich viele gefragt, da es wirklich stressig sein kann, „Überleg dir das gut“ „Bist du dir sicher“ und all das kam mir entgegen, du kennst das ja selbst und ich mache das ja völlig alleine, das weiss nur kaum einer und ich muss immer schmunzeln, wenn ich Anfragen bekomme: „Hallo liebes Team von Bunte Welt Booking“.
Da ich ja eh all die Jahre Bands geholfen habe irgendwo unterzukommen, wenn sie Hilfe benötigt haben, war es eigentlich vorgegeben, dass ich diesen Schritt irgendwann gehen werde. Klar ist es was anderes, wenn du dich plötzlich kümmern musst und nicht einfach dein Handy ausmachen kannst oder mal ein paar Tage keine Mails checken, ein gewisser Druck ist da schon dahinter und manche schlaflose Nacht ist auch dabei. Ich arbeite ja auch noch Vollzeit in einer Werkstatt für Behinderte und da kollidiert schon mal einiges und ich habe da auch eine gewisse Zeit gebraucht, mich reinzufinden, also zwischen Hauptjob und Agentur die gesunde Distanz zu haben, so dass keiner der Jobs darunter leidet. Das gelingt mir sogar manchmal 🙂 Ich habe über das Booking auch unglaublich tolle liebe Menschen kennen gelernt, wo ich viele einfach nicht mehr missen möchte, weil daraus Freundschaften entstanden sind und ich mich immer wahnsinnig freue, wenn wir uns mal wiedersehen. Dafür fahre ich selbst dann auch gut und gerne mal paar Kilometer mehr zum Veranstaltungsort 🙂
Und ja, richtig, ich bin auch noch mit Bands auf Tour und mache den Merch, bei großen wie bei kleinen Bands. Namen werde ich jetzt keine nennen, das tut ja auch nichts zur Sache, eins ist halt sicher, ich freue mich immer wieder auf die Wochenenden mit ihnen und die manchmal langen Fahrten sind alles andere als langweilig.
Merch machen ist einfach das, was mich als Mensch ausmacht. Es beinhaltet all das, was ich liebe. 1. bin ich unglaublich gerne unterwegs bzw. reise sehr gerne, 2. bin ich gerne unter Menschen, auf Konzerten oder anderen Veranstaltungen und 3. wie schon erwähnt, organisiere und plane ich gerne und beim Merch machen hab ich eben alles auf einmal und das ist nahezu perfekt 🙂 Und wenn die Tour bevor steht, ist es immer noch die Euphorie, die mich nicht müde werden lässt, all das weiter zu machen. Es hilft mir ja auch fürs Booking, da man immer wieder neue Kontakte knüpfen kann und am Ende schließt sich der Kreis wieder.
Wo die Reise mit der Agentur allerdings hingeht, kann niemand sagen, das Musik-Business ist zu schnelllebig, um da zu spekulieren, aber es gibt einen Plan, aber den behalte ich für mich 🙂 Sehr dankbar bin ich auf alle Fälle jeder einzelnen Band, die sich bei mir beworben hat, was ich unglaublich finde, das sich sogar Bands aus Südamerika und Nordeuropa beworben haben. Auch wenn sich in den letzten beiden Jahren die Wege bei manchen der Bands und mir trennen mussten, haben wir ganz sicherlich voneinander gelernt, was man zukünftig nutzen kann.
Ich versuche ja auch immer zu einer Show von einer meiner Agentur-Bands zu fahren, um die Jungs und Mädels auch immer mal wieder persönlich zu treffen. Wir haben, so denke ich, weitestgehend das gleiche Ziel, daher ist es ganz gut, wenn man das dann auch alles mal im vis-a-vis besprechen kann. Verdammt wichtig ist einfach, dass Booker und Band gut zusammen arbeiten, dann läuft das.
Es wäre auf jeden Fall toll, wenn man den ein oder anderen motivieren könnte, selbst aktiv zu werden und Konzerte zu veranstalten. Besucht die Shows der Bands und unterstützt sie dahingehend.
Geld ist ja immer so eine Sache und wenn man es nicht irgendwo auf der Seite liegen hat, um auch mal eine Investition zu tätigen, so kommt man ja auch gerne mal in die Klemme. Aber auch wenn man gerade kleine Shows macht und nicht sicher ist, ob ausreichend Leute kommen, damit die Unkosten gedeckt sind, kann das schon mal für den eigenen Geldbeutel böse enden. Hast du da über einen Verein oder eine andere Gruppe einen gewissen finanziellen Background oder geht das, wie bei mir damals, alles aus eigener Tasche dann drauf? Kannst du mit deiner Arbeit im Musikgeschäft zumindest in Teilen davon leben oder ist es nach wie vor eher schwierig, über das Musikgeschäft zu leben?
Das passiert alles aus eigener Tasche, daher mache ich fast ausschließlich nur noch Door-Deals bei meinen Veranstaltungen, damit niemand ein böses Erwachen hat, aber auch die Erfahrung musste ich erst einmal machen, denn bei einer Show wäre es wirklich mal fast böse geendet, aber nur fast. Da habe ich meine Reise vor meinem geistigen Auge schon dahin ziehen sehen, aber kurz vor knapp hat sich alles zum Positiven gewandelt. Zumindest denke ich, dass das allen Beteiligten gegenüber fair ist, wenn man einen ordentlichen Door-Deal macht oder eben eine kleine Fix-Gage, dass zumindest die Spritkosten für die Band wieder drin ist und dann eben weiter eine Prozentverhandlung macht. Man wird sich meist ganz unkompliziert und schnell einig.
Vom Musikgeschäft zu leben wäre mein Traum aber zur Zeit einfach nicht möglich, dafür muss noch einiges passieren aber wer weiss, vielleicht passiert es ja irgendwann. Das Jahr hat ja erst angefangen 🙂
Du bist ja schon länger in dem ganzen Musikzirkus dabei und kannst ja auf einiges an Erfahrungswerten zurückgreifen! Wie siehst du die Veränderungen in der Musikszene der letzten, sagen wir mal 10 Jahre? Was hat sich zum Positiven und was zum Negativen gewendet und warum?
Zum Positiven hat sich in meinen Augen verändert, dass es wieder neue junge Bands gibt, eine Zeit lang hatte ich den Eindruck, dass nichts nachkommt. Aber es gibt gerade so viele tolle neue Bands, die es maximal zwei Jahre gibt, die mich aber wirklich vom Hocker reißen und die es von Anfang an direkt wissen wollen und die sich selbst sehr professionell engagieren. Mit dem Punkt des Negativen, da hadere ich schon etwas länger mit mir selbst, da ich nicht sicher bin, ob es wirklich so ist oder ob einfach das Angebot zu groß ist und man den Eindruck bekommt, dass die jungen Leute sich keine Bands mehr anschauen gehen, die sie nicht kennen oder noch nie gehört haben oder nur noch zu Bands gehen, die Rang und Namen haben.
Negativ finde ich immer noch, das einige Gäste bei 3 Bands und 8€ Eintritt entweder billiger rein wollen oder sich erst einmal 10 Minuten Luft machen, wie unverschämt man wäre, für 3 unbekannte Bands !! 8 Euro !! zu nehmen. Ich bin nicht ganz sicher, ob diese Leute es immer noch nicht verstanden haben, dass eine Band auch so ihre Kosten hat…. Proberaummiete, Sprit um zur Show zu kommen, ggf. erste EP oder LP selbst in die VÖ gebracht, Merch bestellt etc… das legen die ja auch alles erstmal aus ihrer eigenen Tasche vor. Aber klar, umsonst ist alles immer noch am schönsten *Ironie aus* Ich bin schon lange Fan davon, dass man pro Band 3-5 Euro zahlen sollte. Und für 3 Bands irgendwas zwischen 10€ – 15€ zahlen ist absolut gerechtfertigt. Der Veranstalter hat ja schließlich auch Kosten, die gedeckelt werden müssen. Aber da erklärt man sich tot, manche wollen es einfach nicht sehen, dass es so ist, ist am Ende ja auch nicht ihr Geld.
Unsere Interview-Reihe dreht sich ja um Frauen im Musikbusiness. Wie verhält es sich bei dir gegenüber Männern? Gibt es Dinge, die sich aus deiner Sicht in Bezug auf Gleichberechtigung verbessern sollten und gibt es Bereiche, die inzwischen in Bezug auf Gleichberechtigung im Musik-Bereich funktionieren? Was denkst du, woran es liegt, dass vergleichsweise wenig Frauen in der Szene aktiv sind?
Um ehrlich zu sein finde ich nicht, dass wenig Frauen in der Szene aktiv sind. Es gibt vielleicht nicht so viele Bands, die ausschließlich aus Frauen bestehen oder wo zumindest eine Frau in der Band aktiv ist, sondern da eher der Männeranteil hoch ist, aber das ist ja nicht der einzige Punkt im Musikbereich, der abgedeckt werden muss. Der Musik- und Veranstaltungsbereich besteht ja nicht ausschließlich aus einer Band, die auf der Bühne steht, es geht da ja weitaus um mehr. Überwiegend übernehmen Frauen auch den Merchverkauf der Bands, schreiben in Fanzines, machen Interviews, fotografieren bei Konzerten, übernehmen die grafische Abteilung für Flyer, Plakate oder gestalten den neuen Merch oder das Cover der nächsten LP, kümmern sich um den ganzen Social Media Trubel oder das Booking für den Club, das muss ja auch alles jemand übernehmen. Ich glaube, dass Frauen einfach mehr die Hintergrundarbeit machen und da denke ich sogar, das ist selbst so gewollt. Oder sie haben eine Booking-Agentur 😉
Wir haben hier ja ein sehr tiefgreifendes Interview hinter uns. Möchtest du unseren Leser*innen noch etwas sagen oder auf den Weg mitgeben?
Ja will ich 🙂 Besucht Konzerte, auch wenn ihr die Bands nicht kennt, es gibt immer wieder Super-Bands zu entdecken, selbst wenn sie keine 80 Instagram Storys am Tag posten. Supportet die Clubs in eurem Dorf oder eurer Stadt, jeder benötigt Unterstützung. Wenn ihr Interesse habt auch mal ein Konzert zu veranstalten, aber nicht wisst wie, geht einfach in den Club und bringt euer Anliegen an. Niemand wird euch allein lassen, genau so gut könnt ihr euch auch Konzertgruppen anschließen, fragt einfach, ob ihr mal helfen dürft. Alles ist ganz einfach 🙂
Ach ja und ein dickes FUCK AFD!!!
Egal was ihr tut, passt auf euch auf.
Bunte Welt Booking -> https://www.bunteweltbooking.de/
Hier haben ein paar Bands ihren Song “gespendet” und nun dürft ihr zugreifen und Ilona ein paar Penunzen zukommen lassen!
“Die Einnahmen dieses Coronavirus Soli-Samplers gehen zu 100% an die Bunte Welt Booking Bands, die durch die Pandemie etliche Shows Abgesagt bekommen haben. Das Geld soll dazu dienen, damit sie ihre Proberaummiete, Strom, Versicherungen zahlen können, da durch die entfallenen Shows es nun an der Gage und den Einnahmen des Merchandise fehlt und die Kosten dennoch weiter laufen.
#Supportyourlocalscene ist jetzt mehr gefragt denn je.
Ihr bekommt hier 32 Songs und das für 5€ und wer gerne mehr geben möchte, kann dies selbstverständlich tun.
Ich wünsche euch Viel Spaß mit dem Sampler”