Auch diese Woche versorge ich euch bei “Frauen im Musikbusiness” wieder mit ausreichend spannendem Lesestoff und einem Interview mit viel Tiefgang: Ich freue mich euch heute Jani von den Punk-Bands WRACKSPURTS und MiGRRRäne F. vorstellen zu können. Eins vorweg: Hier gehts mehr um DIY als Business und ich freue mich, dass wir mit diesen vielen unterschiedlichen Geschichten ein breites Spektrum der Frauen abdecken können, die sich im Musikbereich engagieren. Schaut auch noch einmal beim Interview mit Anne Clark von letzter Woche rein und stay tuned!
Hallo Jani, vielen Dank, dass du bei unserer Interview-Reihe mitmachst. Gefunden habe ich dich über einen Freund, der für einen Sampler verschiedene Bands aufnimmt. Mit deiner Band WRACKSPURTS bist auch du mit dabei. Wie kommst du zur Band, welche anderen musikalischen Aktivitäten oder Bands hast du sonst noch und was war deiner Meinung nach der Anstoß sich überhaupt auf eine Bühne zu stellen?
Hey Chrissi, zuerst danke ich dir vielmals, dass ich bei eurer Interview-Reihe mit dabei sein kann. Ich find‘s super cool, dass du das machst und glaube, dass es ein sehr wichtiger Beitrag ist, um FLINT-Leute in der Musik sichtbarer zu machen, aber auch um Leute untereinander zu vernetzen. Ich bin durch die Reihe schon auf das ein oder andere spannende Projekt gestoßen, das ich vorher noch nicht kannte oder habe andererseits Freund:innen darin porträtiert gesehen, die an coolen Projekten arbeiten, die – wie ich finde – dringend auch von anderen Personen gehört/gesehen werden müssen.
Kurz zu mir: Ich mach grad bei zwei Bands mit. Bei MiGRRRäne F. spiele ich Bass. Wir sind insgesamt fünf Leute. Noch mit im Boot sind: Franny (Gesang), Andrea (Gesang, Gitarre), Cäto (Gitarre), Dani (Schlagzeug). Wir machen so politischen in-die-Fresse-Punk. Mit meiner anderen Band, Wrackspurts, die du schon erwähnt hast, spielen wir ein bisschen langsameren Depri-Punk, der auf eine gesund resignierte Art und Weise auch gesellschaftliche Zustände kritisiert. Dort bin ich mit Lisa alleine. Lisa spielt Schlagzeug und ich singe und spiele Gitarre.
Wir haben auch ein kleines Kollektiv mit befreundeten Bands gestartet, das heißt Platypus Platten und setzt sich für mehr Cuteness und gegen Mackerei in der Musik-Szene ein. Und ich nehme auch manchmal Bands auf und mische und master so ein bisschen stümperhaft. Und Tonträger-&Plakat-Layout mach ich auch immer wieder mal.
Das alles hat sich mehr oder weniger so ergeben und hat eher was mit schamloser Unnachgiebigkeit und so gut wie nichts mit Können zu tun. Also was ich sagen will: Ich denke, das kann eigentlich jede – aus dem Stehgreif. Das ist ja Punk. Schwierig sind eher die äußeren Umstände und die gesellschaftlichen Erwartungen.
Bei mir lief das mit einer Vielzahl von Rückschlägen und Zusammentreffen mit übelst netten Leuten ab: Ich hab mit sechs Jahren auf dem Dorf angefangen Gitarre zu lernen. Nach zwei Jahren konnte ich neun Akkorde. Da hab aufgehört. Ich fand das langweilig. Dann war ich im Dorf-Schulchor, aber dort bin ich schon nach kurzer Zeit zusammen mit meiner Freundin Tille rausgeflogen, weil wir falsche Texte gesungen haben. „Kein schöner Schmand in unsrer Zeit…“ und so was.
Mit dreizehn hab ich später einen „musikalischen Neustart“ gewagt und die Akustik-Gitarre von meiner Tante entstaubt. Nach einer Weile Alleine-Rumprobieren hab ich dann nach Leuten auf Schüler.cc Ausschau gehalten, die Gitarre spielen können. Ich hab da Polff, der zwei Klassen über mir war, ziemlich unverhohlen angehauen, obwohl ich ihn überhaupt nicht kannte. Zum Geburtstag meiner Mama hat er mir dann die erste von unzähligen, super guten, kostenlosen Gitarrenstunden gegeben. Die waren echt Gold wert. Die waren lässig und anspruchsvoll zugleich. Ich hab nie geübt und bin trotzdem besser geworden. Polff hat mich beim Lieder schreiben bestärkt, hat mich zu Jam-Sessions und Konzerten mitgenommen. Und das hat mir alles so viel Mut gemacht, dass ich nach wenigen Wochen meine erste Band mit einem Freund aus dem Töpferkurs gestartet hab, Powl. Naja und schwubbdiwubbs war ich mit vierzehn, fünfzehn (und mit der E-Gitarre, die mir mein Papa geschenkt hat) in einem ganzen Kreis von kleinen Lokalbands und DIY-Konzerten.
Nach zwei Jahren oder so ist das dann immer loser geworden. Viele Leute haben angefangen sich mehr für Elektro und so was zu interessieren und ich selbst habe mich immer mehr politisch engagiert/interessiert. Ich glaube, irgendwie waren die meisten von uns nicht mehr so richtig beeindruckt von der ganzen Punk-&Rockmusik(macker)schiene wie vielleicht noch ein paar Jahre davor.
Ich bin dann nach Leipzig gegangen und wollte eigentlich 24/7-Aktivistin werden. Ich hab meine Gitarren bestimmt ein Jahr nicht mehr angeschaut. Eher durch Zufall und weil sich bei mir dann eine gewisse Resignation gegenüber den politischen Verhältnissen und ihrer Veränderbarkeit einstellte, schrieb ich intuitiv irgendwelche Lieder darüber. Und da hab ich dann auch durch Zufall Lisa kennengelernt und dann ging das Stück für Stück alles los und geht nun seit so acht Jahren stetig und ganz unterschiedlich weiter. Seit dem spiel ich mit Lisa zusammen Konzerte, seit anderthalb Jahren nun auch mit miGRRRäne F. und wir lernen übelst viele, übelst coole Leute kennen, die Musik machen, Veranstaltungen auf die Beine stellen oder auf andere Art Musiker:innen supporten.
Wow, ein beeindruckender Werdegang, danke für die ausführlichen Einblicke! Kommen wir nun gleich zum Kern der Interview-Reihe: Wie siehst du die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Musikbusiness?
Ok. Zuerst muss ich ehrlich sagen, dass ich vom Musik-Business eher keine Ahnung habe. Business betrifft für mich alles, was eben auch profit-orientiert und mit Lohnarbeit verbunden ist. Mit meinen beiden Bands und auch als Einzelperson bewege ich mich, glaub ich, eher – und das ganz bewusst – außerhalb davon. Wir haben zwei, drei Mal mit größeren Bands und umsäumt von so Business-Attitüde gespielt, aber das waren auch eher „Versehen“. Meine Aussagen betreffen also eher diese Dorf-Kleinstadt-Kreise, in denen ich mich früher als Teenagerin bewegt habe, sowie die DIY-Szene, in welcher wir heute unterwegs sind.
Konzerte, bei welchen einen Abend lang nur Cis-Typen auf der Bühne stehen, sind für mich als Zuhörerin glücklicherweise in den letzten Jahren seltener geworden. Das war früher in der Kleinstadt ganz anders. Da war das (ohne dass es mir damals wirklich bewusst war) trauriger Standard. Beim Touren heute aber merken wir auch immer wieder, um so weiter wir uns aus den urbanen Zentren hinausbewegen, desto „normaler“ wird jenes Phänomen der Cis-Typen-Only-Abende. Da gibt es also nicht nur zeitliche Brüche.
Jenseits aller geografischen Unterschiede würde ich sagen: Das mir das immer noch verhältnismäßig zu viele Cis-Männer sind, die Ton, Orga oder Licht machen oder Typen, die vor oder auf der Bühne stehen.
Aber das sind ja erst einmal nur die stumpfen Zahlen-Verhältnisse. Es gibt ja auch immer wieder die Situationen, in welchen ein, zwei vereinzelte Cis-Typen, die umgeben von coolen, klugen FLINT-Leuten sind, trotzdem am lautesten und am meisten reden. Typen, die sich selbst zum Ober-Organisator und gleichzeitigen Technik-Menschen erklären, während die anderen für’s Konzert schön kochen und Bar machen sollen. Und das ist ja fast ein noch viel schlimmeres Anzeichen von Un-Gleichberechtigung (als die bloßen Zahlen). Das macht mich übelst wütend.
Fühlst du dich da manchmal aufgrund deines Geschlechts benachteiligt oder nicht ernst genommen?
Zuerst möchte ich hier sagen, dass ich mich die meiste Zeit übelst super beim Musikmachen und Sachenplanen mit anderen Leuten fühle. Die ganze DIY-Szene ist ja irgendwie auch eine Schutzzone, in der man häufig eine Vielzahl von Problemen aus der Mitte der Gesellschaft ausblenden kann. Und es gibt super viele starke Leute, die sich tagtäglich genau dafür einsetzen.
Aber natürlich gab es auch Momente, in denen ich mich ausgeschlossen, benachteiligt oder einfach nur unwohl gefühlt habe. Das waren meistens Situationen bei Konzerten, wo wir auf Typen gestoßen sind, bei denen anstelle von Sozialkompetenz einfach ein brunnentiefes Loch klaffte, ohne dass es sie irgendwie wirklich zu bekümmern schien. Mal war es ein Technik-Typ, der mir, als ich mein Distortion-Pedal grade ausgepackt hatte, erklärte, was so ein Distortion-Pedal eigentlich ist und dass man da drauf treten muss. Ein anderes mal war es ein Veranstalter, der uns bereits vorm Konzert nicht in den Club lassen wollte, weil er nicht glauben konnte, dass wir eine Band sind. Der uns nach dem Konzert mit dem Kommentar „hier, kauft euch was schönes “ gönnerhaft Geld in die Hand drückte, das hinten und vorne nicht mal für’s Benzin reichte. Oder es kam auch schon vor, dass Leute beim Konzert sexistischen Müll gerufen haben und dann nicht rausgeschmissen wurden. Und der Club-Besitzer, als wir ihn zur Rede stellten, meinte, wir dürften das nicht zu eng sehen. Und so weiter und so fort.
Du musst hier aber auch sehen, dass wir das schon eine Weile machen. Im Jahr sind wir vielleicht mit zwei, drei solcher Vorkommnisse konfrontiert. Und während wir früher vor allem verärgert waren und manchmal gar nicht wussten, was wir dazu sagen sollen, haben wir mittlerweile ganz gut gelernt damit umzugehen: Konfrontation – die Dinge nicht so stehen lassen, zeigen, dass das ganz und gar nicht normal ist. Und ehrlich gesagt kann sogar das ziemlich erfüllend sein. Dann sitzen wir auf der Nachhausefahrt im Auto und sagen uns: gut, dass wir dort waren. Da konnte der Dingsbums mal ne Frau mit nem Pedal-Board in einem Bildausschnitt sehen.
Doch wie gesagt, wir haben meistens super viel Glück und treffen auf die knuffigsten und liebsten Leute, die es gibt. Da schöpfen wir auch die Kraft, um dann in blöden Situationen trotzdem noch den Kopf oben zu halten und gleichzeitig konstruktiv zu bleiben.
Und was denkst du sind die Gründe dafür, dass immer noch weniger Frauen als Männer auf den Bühnen zu sehen sind?
Die Gründe lassen sich wahrscheinlich gut dort oben ausmachen. (: Also bei den UgaUga-Boys, die Gate-Keeper-mäßig bei allen möglichen öffentlichen Zusammenkünften weiblich gelesene Personen versuchen klein zu halten, damit sie sich selber nicht länger so klein und kümmrig fühlen müssen.
Außerdem spielen wahrscheinlich Erziehung und gesellschaftliche Erwartungen eine große Rolle. Kinder, Jugendliche wachsen ja immer noch umgeben von stereotypen Rollenbildern auf. Und das selbst wenn die Eltern und andere Leute aus dem sozialen Umfeld einigermaßen aufgeklärte Personen sind und auf diese Blau-Rosa-Unterscheidung verzichten. Meine Eltern hat so was zum Beispiel gar nicht interessiert. Ich glaube, meine Mama hat auch sehr darauf geachtet, welche Bücher wir lesen und dass da eben auch starke weiblich gelesene Personen mit dabei sind. Und trotzdem glaube ich, dass ich immer stereotypen Rollenbildern und den damit verbundenen Erwartungen ausgesetzt war. Dass von mir zum Beispiel eine gewisse Zurückhaltung und Passivität erwartet wurde, weil es sich eben als Mädchen nicht schickt rumzuprotzen und auf die Kacke zu hauen. Mein Bruder dagegen, der eher ein sehr ruhiger und zurückhaltender Typ ist, haben diese gesellschaftlichen Erwartungen aus der ganz anderen Richtung getroffen und ihn eben auch unter Druck gesetzt.
Wenn heute FLINT-Leute dennoch den Weg einschlagen und sich auf Bühnen stellen und gehört werden wollen, dann verdienen sie zurecht immer Respekt. Denn das fällt keiner dieser Personen einfach zu. Das steht entgegen aller gesellschaftlicher Erwartungen und da steckt eine Menge Mut und Unnachgiebigkeit dahinter.
Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, wie setzt du das in deinem täglichen Leben um?
Ich würde mich auf jeden Fall als feministisch engagierte Person bezeichnen. Feministische Inhalte und Kleinkämpfe gehören für mich zum tagtäglichen Leben. Und das konnte ich mir gewissermaßen nicht einmal richtig aussuchen.
Ich war immer schon sehr ehrgeizig und hab mich nur schwer mit Grenzen abgefunden. Ich bin mit dem Selbstverständnis aufgewachsen, dass ich ungefähr alles im Leben schaffen kann. Und es war ein ganz schöner Hammer, als mir die Pubertät dieses Brett vor den Kopf knallte, auf dem all diese Erwartungen versammelt waren, die mit dem Frausein einhergehen. Ich konnte mich gar nicht damit identifizieren. Ich hab da schon acht Jahre Leistungssport gemacht und ich hatte in meinem Leben noch nie so was gedacht wie: Wenn ich groß bin, möchte ich mal die schnellste Frau der Welt beim Rückenschwimmen sein, sondern ich habe ganz selbstverständlich wie die Jungs auch gedacht: Wenn ich groß bin, werde ich der schnellste Mensch der Welt beim Rückenschwimmen sein. Und ich glaube dieser Moment, in welchem ich so mit 13, 14 realisiert habe, dass das eigentlich nur noch mein Film ist, dass mein ganzes Umfeld schon zu wissen glaubt, dass ich im Leben niemals so schnell wie „die Männer“ sein werde, da wurde ich Feministin.
Seitdem muss ich täglich Feministin sein, weil ich mit dieser Meinung mit den Erwartungen aus meinem Umfeld, aus der Gesellschaft, ganz und gar nicht übereinstimme. Das mit dem Rückenschwimmen ist heute nicht mehr so wichtig, aber im übertragenen Sinne stimmt es immer noch. Und ich sehe es auch als wichtigen Teil feministischer Praxis, dass Leute dieses Gedankenspiel in Sachen Leistungserwartungen auch umgekehrt kritisieren können. Ich habe ja schon kurz von meinem Bruder erzählt und ich finde da zeigt sich das ganz gut, was ich meine: mein Bruder war nie so sporty wie ich unterwegs und trotzdem: spätestens nach Einsetzen der Pubertät haben sich die gesellschaftlichen Erwartungen so gedreht, dass er eigentlich viel schneller als ich beim Rückenschwimmen sein musste. Weißt du was ich meine? Anhand des Beispiels wird eigentlich super leicht deutlich, was das für einen riesen Druck und Stress für uns beide bedeutet hat. Die Erwartungen der Gesellschaft haben das, was uns als Personen ausgemacht hat, völlig negiert – nur weil er random zu Gruppe A und ich random zu Gruppe B zugeordnet wurde.
Bei all dem, was dich so umtreibt – gibt es ein besonders schönes, schlimmes oder einfach sehr großen Eindruck hinterlassendes Schlüsselerlebnis im Konzertbereich, das du hier mit unseren Leser*innen teilen willst?
Ja, auf jeden Fall. Und zwar gab es irgendwann so etwas wie einen Turning Point für mich beim Rumfahren und Konzerte spielen. Da hab ich gemerkt, dass es mir dabei gar nicht um meine Band oder den Auftritt geht, sondern mehr um die Gesamtheit, um das Netzwerk, das sich immer weiter aufspinnt. Dass ich Freud:innen überall in verschiedenen Städten habe, die ich ohne finanzielle Hürden besuchen kann, dass ich an einen fremden Ort fahren kann, der mir einen Tag später viel vertrauter ist… Ich hab da realisiert, dass ich regelmäßig Erfahrungen mache, die so super super einzigartig in einer durchkapitalisierten Welt sind. Ich komme irgendwohin, ich kenne da niemand oder nur ein, zwei Leute und trotzdem bin ich willkommen und trotzdem kann ich einfach so mit essen und bei ihnen schlafen und das geht immer weiter so.
Seit ich das für mich verstanden habe, passiert es mir an manchen Abenden sogar, dass ich fast vergesse, dass ich selber noch Konzert spielen muss, dass ich nicht nur zum Platten- und T-Shirtstauschen und Freund:innentreffen gekommen bin. Ich bin so mega dankbar, dass ich diese Erfahrung machen kann, dass ich als Mensch mit fünf Euro in der Hosentasche mehrere tausend Kilometer zurücklegen, so viele Bands sehen, so leckeres Essen essen, so schöne Orte sehen und mit so lieben Leuten reden, Musik machen und feiern kann. Diese Art zu Leben gibt mir übelst viel Kraft und macht mir Mut für die Hoffnung auf eine bessere Welt.
Wie findest du die Idee Jam-Sessions für “Girls Only” zu veranstalten? Grund zu einer größeren Diskussion
Ich finde die Idee super gut und nachvollziehbar. Ich hab ein paar Jamsessions miterlebt und bei einer ganzen Reihe davon gab es eigentlich immer so einen Klischee-Jämmer-Boy. Also der Typ, der so eine Tonleiter nach der anderen im Blues-Style auf seiner Gitarre runterleiert und sich einfach nur peinlich krass dabei selbst feiert ohne Rücksicht auf alle anderen Beteiligten zu nehmen. Das ist auch der Typ, der dann zur einzigen FLINT-Person (die sich traut dieser ganzen Wucht aus Ego-Obsession beizuwohnen) sagt: “Ey, lass mal lieber den Tony wieder spielen (der die letzten drei Stunden schon Schlagzeug gespielt hat).” Möp.
Damit dieser Klischee-Jämmer-Boy nicht mit am Start ist und rumnervt, macht das übelst Sinn Cis-Typen generell rauszuhalten und sich so einen Schutzraum vor Mackerei zu schaffen. Und ich freu‘ mich, dass es hier in Leipzig im November auch bald die erste FLINT-Jam-Session gibt* und bin gespannt, wie sich das dann in so einem offiziellen Rahmen anfühlt.
*(Anmerkung: Die Veranstaltung wurde coronabedingt verschoben. Weitere Informationen dazu gibt es hier.)
Ich fände aber auch cool, wenn da Platz für eine Vielzahl von Formaten ist und wenn alle ein bisschen rumprobieren. Ich hab ja schon erzählt, dass ich mein Leben lang hautnah immer mitverfolgen konnte, wie das Patriarchat auch meinem Bruder eine Rolle abverlangt, die mit seiner Persönlichkeit in vielen Punkten nicht vereinbar ist. Kurz: ich persönlich träume von einer Jam-Session, wo toxische Männlichkeit keinen Platz hat und trotzdem auch mein Bruder mit dabei sein kann, der sich, glaub ich, noch nie getraut hat bei einer Jam-Session mitzumachen, obwohl er super gut Bass spielen und verdammt gut singen kann. <3
Kommen wir zu einem heiklen Thema: Was hat Corona für dich als Musikerin verändert?
Ich spiele seit dem Aufkommen von Corona viel weniger Konzerte. Letztes Jahr hab‘ ich mit beiden Bands zusammen 90 Konzerte gespielt. Das sieht dieses Jahr völlig anders aus. Ich denke es werden so irgendwas zwischen 25 und 30. Das ist höchstens ein Drittel. Das hat eigentlich mein ganzes Leben verändert.
Ist die “Zwangspause” Fluch und Segen zugleich?
Die ist natürlich Fluch – ganz ohne Segen. Ich habe ja vorher schon mal geschildert, was das Rumfahren und Musikmachen für mich bedeutet. Dieser schöne Teil meines Lebens ist jetzt völlig auf Sparstrom gestellt – das macht mich nicht nur traurig, sondern es tut irgendwie richtig weh, denn für mich ist das eigentlich nichts Entbehrliches.
Gleichzeitig ist mir auch bewusst, dass das Jammern auf hohen Niveau ist. Andere Leute haben Freund:innen oder Familienangehörige verloren oder sie hatten selbst Corona und leiden unter den Folgen. Andere Leute erleiden finanzielle Notlagen, haben Angst vor der Zukunft. Und wieder andere hängen in Massenlagern fest, in welchen sie unmittelbar dem Risiko einer Erkrankung ausgesetzt sind und dennoch werden sie dort festgehalten.
Was denkst du, wie es danach weitergeht?
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass zunächst einmal die Lager an den europäischen Außengrenzen evakuiert werden, dass das endlich passiert. Ich hoffe aber auch, dass Corona und die damit verbundenen Risiken als Denkanstoß über die Unterbringungen für geflüchtete Menschen hier im Inland fungieren. Dass Massenunterkünfte auch hier aufgelöst und dezentrale Unterbringungen endlich flächendeckend bereitgestellt werden.
Und natürlich hoffe ich auch, dass wir mit all unseren Bands irgendwann wieder rumfahren können und dass es die ganzen schönen Projekte überall noch gibt, die uns in den letzten Jahren ans Herz gewachsen sind. Und ich hoffe auf die befreite Gesellschaft und ich hoffe und hoffe und wünsch mir so viel von der Zukunft.
Aber ich sehe auch die politischen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Und die sind keinesfalls frohlockender als vor Corona – im Gegenteil.
Gibt es noch andere Projekte speziell für Frauen im Musikbusiness, die du unseren Leser*innen ans Herz legen möchtest?
Übelst gern. Voll oft stehen ja Bands im Fokus. Ich finde es aber gerade als Musikmensch auch super wichtig, dass ich mit coolen Technik-Leuten aufnehmen und Konzerte spielen kann. Deshalb lege ich euch Tekchix ans Herz – ein feministisches Veranstaltungs-Kollektiv aus Potsdam. Die sind super. Da macht eine Freundin von uns mit und sie haben auch schon Technik für unsere Konzerte gemacht. FLINT-Leute aus Potsdam und Umgebung, die Bock auf Technik-Machen haben, können sich hier melden: tcx-crew@riseup.net. (:
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Tut euch zusammen, helft anderen Bands und Leuten und Läden. Macht Musik zum Freund:innen-finden. Niedlichsein ist tausend Mal cooler als Business-Etikette & Rockstar-Härte. Küsschen an alle Platypusse! <3 & natürlich tausend Dank, dass ich in deiner Interview-Reihe mit am Start sein kann, Chrissi!
Alles Liebe, Jani
Danke dir für das offene und tolle Interview und bis bald, liebe Jani! <3