Kurz vor Weihnachten haben wir in unserer Interview-Reihe ein Jubiläum zu feiern! Mit Katja von den BERLIN BLACKOUTS geht inzwischen das 50. Interview der Reihe “Frauen im Musikbusiness” online und wir freuen uns wahnsinnig, dass immer noch so viele Frauen* Interesse bekunden, sich hier zu zeigen. Letzte Woche beispielsweise haben die legendären Ramonas ein Interview gegeben und wir legen euch an dieser Stelle auch noch einmal ein Interview außerhalb der Reihe mit Fini von Black Square zu Punk und Sexismus ans Herz. In diesem Sinne: Bleibt gesund und ein frohes Fest für alle!
Hallo Katja, erzähl doch mal, was machst du so im Musikbereich und wie bist du dazu gekommen?
Erstmal ein fettes Dankeschön, dass ihr mich in eure tolle Reihe einbezieht! Ich spiele Bass in der Punkrock-Band Berlin Blackouts. Als Berlinerin nicht mit der Musikszene in Kontakt zu kommen ist an sich betrachtet eine Kunst. Musik hat mir schon als Kind die Gelegenheit gegeben, die wunderschöne hohenschönhausener Neubaublock-Realität auszublenden und mir meine eigene Welt zurecht zu spinnen.
Wie und wann irgend möglich nahm ich die Stunde Fahrradfahren auf mich und fand Zuflucht in meinen damaligen zweiten Wohnzimmern namens Potse und Wild at Heart. Dort kam ich auch mit meinen ersten Punk-Konzerten in Berührung, die irgendwann in mir die Lust weckten, selbst am geilsten Instrument der Welt zu rocken. Lektüre: „E-Bass für Dummies“, los ging’s.
So kam es, dass ich mich eines Tages mit einem Kumpel für ein, zwei Sessions in den Hallen der Noisy Rooms einfand, um ein Projekt zu starten (liebe Grüße an Klaus an dieser Stelle!). Irgendwie wurde nix Richtiges draus, doch ich hatte Blut geleckt! Kurz darauf gründeten sich im Anschluss einer legendären Menace-Show (natürlich im Wild at Heart) die Twitchblades. Wir waren alle keine Meister unseres Fachs, doch hatten eine Menge Spaß.
Es ist wahrscheinlich kein Geheimnis, dass der Sänger meiner jetzigen Band auch mein Freund ist und mit den Berlin Blackouts der romantische Traum eines jeden Punkrock-Pärchens in Erfüllung gegangen ist, haha. Teil dieser Band zu sein kam mir vor wie in der Mitte einer Explosion zu stehen. Wir haben von Anfang an ein zackiges Tempo vorgelegt, weshalb ich bei den Twitchblades auch ausgestiegen bin. Lieber eine Sache richtig machen, als zwei halb…. you know the deal.
So sind wir seit mittlerweile fünf Jahren unterwegs und schreiben momentan an unserem vierten Album. Seit letztem Jahr verunstalte ich außerdem unsere Videos und Plattencover.
Wie ist es bei euch innerhalb der Band mit Gleichberechtigung und den Entscheidungsfindungen? Wirst du voll akzeptiert oder hast du auch hier und da das Gefühl, es könnte besser sein?
Wir wollen ja alle das Gleiche, von daher gibt es wenig Anlass, unterschiedliche Standpunkte oder Geschmäcker ausdiskutieren zu müssen. Prinzipiell hat jeder von uns irgendwo seine Finger drin. Seien es neue Songs, Videoclips oder die Organisation von Shows, jeder hat da sein Steckenpferd und macht wo er Lust drauf hat. Wunderschön ist, dass wir alle mit Bock und Spaß dabei sind. Es ist wie überall: die Person, die eine Idee z.B. bezüglich eines Songs, Videos oder sonst was hat, macht erstmal und zeigt dann den anderen, was ausgesponnen wurde. Die musikalischen und ästhetischen Vorlieben gehen bei uns nicht so extrem weit auseinander, dass wir mit Kompromissen leben müssten. So kann man sagen, dass alles, was wir machen, eine Gemeinschaftsproduktion ist, hinter der alle zu 100 Prozent stehen. Was ich sehr, sehr toll finde.
Bev und ich als Gründungsmitglieder geben wahrscheinlich den Takt vor, sowohl was Songideen aber auch planerische Aspekte wie Albumaufnahmen, Videoschnickschnack oder (hoffentlich 2021 wieder) Tourenplanung betrifft. Das liegt allerdings auch daran, dass wir zusammen wohnen und Einfälle direkter in konkrete Ideen verwandeln können. Aber ich denke, dass es cool für alle ist, wenn’s regelmäßig was Neues gibt.
Wie ist es allgemein in Berlin mit der Akzeptanz von Frauen in der Musik- und Punkrock-Szene? Ich bekomme da immer wieder mit, dass es nach außen alles cool wäre, aber innerhalb der Szene oft noch Mackertum herrscht.
Ich habe allermeistens nicht das Gefühl, anders oder besser sein zu müssen, um mich innerhalb der Musikgemeinschaft behaupten und zugehörig fühlen zu können. Die Atmosphäre und die Leute sind mega wertschätzend und motivierend. Doch die Menge und Art der Aufmerksamkeit mit der man als Frau in einem doch noch eher männlich dominierten Feld konfrontiert wird, ist in vielen Situation eine andere, als die, die den Jungs zuteil wird. So ist die Erwartungshaltung viel breiter gestreut. Es ist vom „Minderheitenbonus“ (á la „Die muss nix können, hauptsache Frau, das ist schon geil genug.“) bis „Erstmal gucken was die Kleine kann.“ und man erstmal ordentlich abliefern muss, um überhaupt wahrgenommen und respektiert zu werden, alles abgedeckt.
Natürlich gibt es auch in der subkulturellen Szene den 3%-Satz an Leuten, welche sich durch ihre Dummheit gern selbst zum Clown machen (regionale Schwankungen inbegriffen). Es kommt beispielsweise relativ häufig vor, dass man nicht begrüßt wird, bis sich aufgeklärt hat, dass du nicht Mercherin oder Freundin, sondern Bandmitglied bist. Soundmänner meinen es auch das ein oder andere Mal gut mit einem und erklären dir vor’m Soundcheck nochmal schnell wie dein Instrument oder das Mikrofon funktioniert.
Allgemein kann ich feststellen, dass beim Publikum die Feedbackskala in beide Richtungen länger ist als bei den Jungs; die extrem positiven oder extrem negativen Positionen werden dabei häufiger vertreten als irgendwas dazwischen.
Krasser finde ich es allerdings, wenn „Sängerin“ als eigenständiges Genre wahrgenommen wird. Wie kann es sonst sein, dass eine Ska- mit einer Rock-/Grunge-Band verglichen wird (Interrupters und Distillers)? Auf diese Idee würde bei den Mighty Mighty Bosstones und Nirvana doch niemand kommen.
Auch werden Bands in der Regel ganz gern gebucht, wenn ‘ne Frau mitspielt. Selbstverständlich größtenteils, um Frauen als Musikerinnen in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen. Andererseits habe ich das ein oder andere Mal Erfahrungen mit Bookern gemacht, die Bands buchen, um eine Frau kennenzulernen. Booking als Kontaktbörse quasi. Frauen in der Punkszene untereinander sind meiner Erfahrung nach übrigens total cool und diese berüchtigte „Stutenbissigkeit“ ist mir als Phänomen noch nicht auf’m Radar erschienen. Diesen Begriff nominiere ich hiermit by the way für die Wahl zum Unwort des Jahrtausends.
Spezialitäten weißer mittelalter Männer mit Social-Distortion-Shirt, die auf jedem zweiten Gig genossen werden dürfen: Tipps verteilen und die wertvolle persönliche Meinung ungefragt zum Besten geben. Diese Art distanzlosen Verhaltens gipfelt gern in Schwitzkastenkuschelversuchen für Fotos. Oftmals versteckt sich dahinter ein ungelenker Flirtversuch. Man merkt halt, dass dieser Art der – nett gemeinten – Zuwendung eine Einstellung zu Grunde liegt, welche nicht auf Respekt beruht, sondern auf dem Wunsch nach Selbstbestätigung. Das wäre nur nervig, aber noch okay, wenn die Performance oder Musik Hauptgegenstand wären. Sind sie aber viel zu oft nicht. Kurioserweise bekomme ich öfter den Hinweis, dass Linkshänderbass spielen nicht richtig sei, haha. Oder es werden Äußerlichkeiten kommentiert.
Ich bin nicht gleich auf 180 wenn jemandes Sicht auf die Welt nicht in Gänze meiner eigenen entspricht oder schreie dem, der mir nicht passt „Fuck you!“ ins Gesicht. Diese Art von Dauerkampfzustand zermürbt einen nicht nur, er verhärtet in der Regel die Fronten und zieht keinen auf deine Seite. Auch wenn ich nicht der rosarot-verklärte Optimismustyp bin, versuche aber trotzdem mit ‘ner gewissen positiven Grundeinstellung durch’s Leben zu wandeln.
Stelle dir vor, du wärst Oberbürgermeisterin von Berlin. Welche drei Dinge würdest du sofort ändern wollen und warum?
Wie realistisch darf’s denn sein?
Als erstes würde ich mich für ein Stadtverbot für Polizisten stark machen. Da es verboten ist, Straftaten zu begehen, braucht man auch keine Polizei, die nach Verstößen sucht. Jedenfalls gelangt man zu dieser Schlussfolgerung, wenn man der Argumentation unseres Heimatministers zum Thema Racial Profiling folgt. Ihm zufolge gebe es keinen Bedarf an Studien, weil Racial Profiling ja nicht erlaubt sei.
Beim Stichwort „Straftaten“ komm ich gleich zum Dekret Nummer 2: die Legalisierung von Cannabis sowie die generelle Entkriminalisierung von Drogen. Es wird dem Bürger gern weißgemacht, dass Cannabis eine unkontrollierbare Einstiegsdroge durch’s Tor zur Drogenhölle ist. Dieses Märchen wird ja gern von den Eckkneipensäufern der CSU verkündet. Vom der Partei, die es immer wieder auf’s Neue schafft, eine unfähige, zahnlose und desinteressierte Tante nach der Anderen zur Drogenbeauftragten zu küren. Dieses Tor wird doch aber bereits mit der hier praktiziertes Bildung- und Sozialpolitik aufgerissen, deren Konsequenz ja der Konsum in vielen Fällen lediglich ist. Man kann es also auf den Slogan „Häuser, Bildung und Gras für alle!“ runterbrechen.
Ich bin der Meinung, dass solche Parteien, wie sie derzeit herumspuken, viel weniger mächtig wären, wenn Menschen jenseits der 70 nicht den Großteil ihrer Wahlklientel stellen würden.
Ich find es witzig, dass Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Mails zu checken oder geradeaus Auto zu fahren, Entscheidungen über die Zukunft junger Menschen treffen sollten. Diese Menschen dürfen ihre Stimme für Rentnerparteien verschwenden, die nichts Zukunftsrelevantes vorzuweisen brauchen, da ein großer Teil ihres Stammpublikums die nächste Wahl eh nicht mehr erleben wird. Was legitimiert einen Tattergreis, im Gegensatz zu einer 16-Jährigen, wählen zu dürfen? Wir befinden uns nicht mehr in den 50er Jahren, in denen jungen Menschen als alleinige Informationsquelle die Zeitung vom Papi zur Verfügung stand. Das Internet hat den Turbo angeworfen, dem Jugendliche seit ihrer Kindheit lernen umzugehen. Natürlich wird argumentiert, dass junge Menschen beeinflussbar und noch nicht gefestigt zu sein scheinen. Diese Argumente stammen allerdings meist von top informierten Bild-Abonnenten und sind somit hinfällig. Kurzum: das erste Mal an die Urne geht’s mit 16 das vorletzte Mal mit 67.
Wie gehst du eigentlich mit dem ganzen Berlin-Hype um? Berlin erlebt ja momentan eine extreme Gentrifizierung und das wirkt sich ja auch auf die Szene aus. In wieweit hat sich die Szene in den , sagen wir mal, 5-10 Jahren verändert und fühlst du dich da noch wohl?
Klar ist die Gentrifizierung auch in Berlin wie ein Geschwür durch alle Teile der Kulturlandschaft gedrungen. Viele Bars und Clubs konnten sich schon bevor Corona das Licht der Welt erblickte, ohne die vielen Touristen und Menschen, welche für sich für eine Handvoll Jahre die Stadt mal angucke wollten, nur schwer halten. Vor allem kleinere Läden sind jeher durch beispielsweise Lärmschutzbestimmungen oder gestiegene Mietspiegel von Schließung bedroht und viel zu zahlreich auch betroffen.
Allgemein meine ich, dass mir die Punkszene heute, im Vergleich zu meinen Jugendjahren, diverser oder untereinander abgesteckter erscheint.
In England ist es beispielsweise so, dass die Mitglieder der lokalen Musik- und Punkrock-Szene sich gegenseitig stark supporten. Genauso wie sie ihren Fußballverein unterstützen. Dort wird über alle Alters- und Geschmacksgrenzen hinweg zusammen der Abend miteinander verbracht. Das ist eine ganz andere Sache als beispielsweise in Berlin mit seinem ständigen und satten Angebot. Ich denke, man könnte es aber auch damit begründen, dass das, was Punk ausmacht, für viele Menschen eine individuellere Frage geworden ist. Auch ein Großstadtphänomen. Gerade, weil es so einfach ist, an jede erdenkliche Art von Musik zu kommen. Man muss nicht mal den Fuß vor die Tür setzen, um eine andere Welt zu betreten. Vor fünfzehn, zwanzig Jahren hatte das Entdecken und Erleben von Musik ein große soziale Komponente. Man war auf viele Ohren angewiesen um auf unbekannte Bands zu stoßen, in Form von Mixtapes oder gebrannten CDs, hehe. Und natürlich hat ein halbwegs zentrales Musikfernsehen auch dazu beigetragen, dass die Leute ein gewisses gemeinsames Grundrepertoir an Musik besaßen, das alle teilten. Im Vergleich zu vergangenen Jahren ist das heute schon eine schnelllebigere Nummer, die auch mit einer höheren Diversität und Individualisierung einher geht. Das macht sich natürlich auch in Berlin bemerkbar. Es geht in der Punkszene zum Einen viel internationaler zu. Was ich großartig finde, weil somit frische Leute, interessante neue Bands nach Berlin gespült werden oder sich hier gründen. Denn der harte Punkrock-Kern ist in Berlin schon stark angealtert. Klar gibt’s auch viel Partyfolk, Punk steht und stand nunmal auch für Hedonismus und Zügellosigkeit.
Doch leider ist Vieles, was als Abgrenzung an die Gesellschaft wahrgenommen werden soll, eigentlich nichts Geringeres als rein destruktives Verhalten, welches ich über den „Destroy-Punk“-Kamm scheren würde. Partyvolk, das sich ohne Drogen oder Job langweilt, eigentlich nix Substanzielles zu bieten hat außer Rausch und Eitelkeit. Als wäre Punk ein Konsumartikel. Klar, die halten auch die Clubs am Leben, indem sie ihr Taschengeld dort verballern und versaufen. Das ist ja auch alles mal ganz nett und daran ist im Grunde nix auszusetzen. Wenn’s allerdings mit Party und Durchmachen schon getan ist, könnte man den Ballermann als deutsche Punk-Hochburg Spaniens bezeichnen. „Punk ist das, was du draus machst!“, wie’s Supershirt so schön formuliert haben. Ich bin seit vier, fünf, sechs Jahren nicht mehr ganz so weggehfreudig und nehm im Vergleich zu früher relativ wenige Partys mit. Das hat auch damit zu tun, dass ich mein Leben mehr oder weniger um die Band herum gebaut und andere Sachen aus dem Fokus genommen habe. Nebenbei geh ich ja auch arbeiten, dort findet des Öfteren auch das ein oder andere soziale Happening statt. BB gehören nicht zu den No-Future-Punks. Wir sind zwar nicht besonders optimistisch, aber zählen uns zu denen, die an eine Zukunft glauben, auch wenn diese gerade echt düster aussieht.
Du bekommst die Möglichkeit, dir eine Band zusammenzustellen und ein Konzert mit deinen Wahlmusiker*innen zu spielen. Welche Musiker*innen sollten dabei sein und welcher Song sollte unbedingt gespielt werden?
Wenn ich mir eine Wunschband zusammenstellen dürfte, wären da auf jeden Fall der Schlagzeuger von Kotzreiz dabei. „Never change a winning horse.“ und so. Fabio Buemi wäre für die Gitarre mein Topfavorit. Er hat als Produzent für den Sound unserer letzten Platte gesorgt und ist ein durch und durch flotter Musiker. Wir hatten außerdem letztes Jahr mit ihm eine spaßige 3-Tage-Tour durch Tschechien. Dies sollten wir auf jeden Fall wiederholen, deshalb die Rekrutierung in meine Fantasie-Super-Group. Eros Razorblade wäre als Wunderwaffe mit am Start, weil ich es unfassbar finde, dass er nicht nur jedes Instrument, das mir gerade einfällt, spielt, sondern auch auf der Bühne richtig abliefert. „Keine Airbags für die CSU“ ist einer meiner absoluten Lieblings-Deutschpunk-Songs, den ich mit dieser Kombo unbedingt spielen wollen würde. Wir haben einmal auf ‘nem Festival die Bühne mit der Terrorgruppe teilen dürfen, seitdem ist er Teil meiner imaginären Band.
Am Ende möchte ich dir die Möglichkeit geben, los zu werden, was dir auf dem Herzern liegt oder du unserer Leserschaft mit auf den Weg geben möchtest.
Nochmals vielen Dank dafür, dass ich einen Platz in eurer interessanten Interviewreihe bekommen durfte.
Was ich sonst noch zu sagen hätte, ließe sich mit „What’s so funny ’bout Peace, Love and Understanding“ zusammenfassen. Eine peacige Grundeinstellung wird oftmals mit ‘ner Waschlappen-Hippie-Attitüde oder Zweckoptimismus gleichgesetzt. Von beidem bin ich keine große Freundin. Vielmehr geht es mir darum, dass man mit einer Ich-gegen-den-Rest-der-Welt- und Haudrauf-Einstellung persönlich nicht weiterkommt und auch nichts erschafft, was irgendwie von Wert wäre.
Danke dir für das Interview, Katja!