Debatten zu diskriminierendem Verhalten gegenüber Frauen* in der Musikszene sollten öffentlich und mit gegenseitigem Respekt geführt werden. Betroffene sollen vor allem selbst zu Wort kommen und nicht nur auf Metaebene in den Diskussionen von Magazinen oder Facebook-Posts auftauchen. Aus diesem Anlass haben wir uns entschieden heute ein Interview mit Fini von der Band Black Square zu veröffentlichen, in dem sie uns an ihren Gedanken und Erfahrungen teilhaben lässt. Es ist viel Text geworden, doch haltet durch, denn es lohnt sich wirklich für alle!
Hallo Fini, schön, dass du so kurzfristig für uns Zeit hast und wir dieses Interview zu einem sehr wichtigen Thema machen können. Wir haben uns bewusst dazu entschieden dich nicht im Rahmen der “Frauen im Musikbusiness”-Reihe zu interviewen, denn die Sichtbarmachung von Frauen*, Sexismus in der Musikindustrie und den damit verbundenen Problemen sollten in einem viel weiter gefassten Rahmen öffentlich ausdiskutiert werden als es derzeit passiert. Doch erst einmal zu dir, was machst du alles, wie kamst du zur Musik und was sind deine Beweggründe dort aktiv zu sein?
Was für eine angenehm ungewöhnliche erste Frage! Auch wenn sie etwas schwer im Einstieg ist, also: Ich lohnarbeite in einer Uni und begleite dort Wissenschaftler*innen, die eine Innovation entwickelt haben, dabei, dass die nicht in der Uni versauern, sondern irgendwie in der Welt da draußen umgesetzt werden. Das ist tatsächlich meine erste Festanstellung, vorher war ich immer selbstständig und hab u.a. eine Organisation für geflüchtete Akademiker*innen gegründet. Daneben promoviere ich noch in Philosophie und untersuche, wie die Zeugenschaft von Menschenvernichtung funktioniert. Zum Musikmachen bin ich tatsächlich erst dieses Jahr wieder zurückgekehrt. In den letzten Jahren habe ich hauptsächlich Konzerte veranstaltet und Freiraumdinge getan. Aber als ich noch eine kleine Punkerin war, habe ich in verschiedenen Punkbands Gitarre und Bass gespielt – bei einer gab es mal ein etwas traumatisches Ereignis, wo die Schlagzeugerin und ich das erste Mal etwas alleine singen sollten. Da haben dann alle anwesenden Männer (irgendwer hängt ja immer mit im Proberaum) auf uns eingebrabbelt, WIE und WAS wir WANN machen sollen. Ich bin irgendwann einfach aus dieser Probe abgehauen und hab mich geweigert noch mal irgendwas zu singen. Davon hatte ich Bonny Anfang 2020 erzählt und auch davon, dass mich das eigentlich ärgert, weil ich es wichtig finde, dass Frauen ihre Stimme kennen und sich auch laut artikulieren können. Als dann der erste Lockdown war, hat er angefangen, sich mit Homerecording zu beschäftigen und hat einen Instrumental-Song für mich aufgenommen. Ich war zu der Zeit krass verzweifelt wegen der politischen Situation an den Außengrenzen und hatte aber nicht mehr so richtig was, wo ich meine Wut rauslassen konnte. Nachdem wir dann das erste Mal im Proberaum waren und ich meine Stimme ausprobiert (und ziemlich überstrapaziert) habe, wollte ich das weitermachen, weil es mir so guttat und riesig Spaß gemacht hat! Es ist halt eine ganze andere Art der politischen Artikulation als ich das ansonsten praktiziere – ich muss bei meinen Texten nicht argumentieren oder sowas wie Quellen angeben, letztendlich versteht eh keiner, was ich da schreie und es ist auch eine Form, Gewalt auszuüben. Eins kam zum anderen und dann war relativ schnell die erste EP fertig 😀
Erst kürzlich ist bei taz.blogs dein Artikel “Wie ich aus Versehen meine Identität verlor – Schon lange tot aber niemals schweigend: Ox-Redakteure und Festival-Veranstalter in trauter Männlichkeit” erschienen, in dem du Stellung zu einem Ox-Artikel beziehst, in dem man dich im eigenen Bandprojekt als “Freundin von…” vorgestellt hat. Ein mutiger und wichtiger Schritt, hier nicht den Mund zu halten, sondern sich und seinem Unbehagen mit dieser oft gängigen Handhabe von Musiker*innen Luft zu machen. Welche Reaktionen hast du bis jetzt bekommen? Hat es dich Überwindung gekostet das anzuprangern und was denkst du wie sich derartiger Umgang mit Musiker*innen in Zukunft ändern könnte?
Es hat mich tatsächlich große Überwindung gekostet, weil ich eigentlich nichts davon halte, jemandem direkt vor den Kopf zu stoßen, wenn er*sie einen Fehler gemacht hat. Ich hab deswegen erst Mal das Gespräch zu dem Redakteur gesucht und versucht zu vermitteln, was so eine „Kleinigkeit“ bewirken kann. Erst, als dann in der nächsten Ausgabe immer noch kein brauchbarer Umgang zu sehen war – sondern auch noch Alex Schwers in seiner Titelstory absolut dummes Zeug propagieren durfte –, dachte ich mir: Ihr seid einfach nur Scheiße, wenn er da völlig unkritisch herumblubbern darf, kann ich mich auch über eine „Kleinigkeit“ auslassen. Ich hatte auch in meinem Kopf die kleinen Stimmchen, die jedem weiblich sozialisierten Mensch sagen: „Was stellst Du Dich eigentlich so an? Ist das wirklich so schlimm? Deswegen kannst Du doch jetzt nicht so eine Welle machen! Was sollen denn die Leute denken!“ Dass das wirklich keine Kleinigkeit ist, sondern sowas wie die Spitze des Eisbergs, habe ich dann durch die Reaktionen bestätigt bekommen: Uns haben unfassbar viele Frauen ihre Erfahrungen zu Mackertum in der Musikszene geschickt und da sind wirklich heftige Sachen dabei! Denn das passiert ja leider bei einer Szene, die aufhört über sowas zu reden oder grundsätzlich keinen Platz für diesen Diskurs macht, denn „wir sind ja alle DIY-Punks, die natürlich anders sind als der Rest der patriarchalen Gesellschaft“: Dinge verselbstständigen sich, für Opfer gibt es keine Räume und für Täter*innen keine Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Dabei haben wir ja eigentlich relativ gute Grundlagen, tatsächlich emanzipatorischer zu sein, als der Rest der Gesellschaft: Wir wissen, dass die Welt scheiße ist, dass der Kapitalismus uns die Lebensgrundlagen raubt, dass Nazis aufs Maul gehört, dass Depressionen zum Leben dazugehören, dass Tiere essen ungeil ist usw. Der Schritt dahin, festzustellen, dass Frauen auch Menschen sind, dürfte also eigentlich kein besonders großer sein. Ich glaube, wir müssen das auch deswegen hinkriegen, weil die Szene sonst einfach ausstirbt. Für die jungen, politischen Frauen in meiner Umgebung ist Punk nicht sonderlich attraktiv, weil sie in anderen Szenen inzwischen deutlich weniger mit Unterdrückung und Mackertum konfrontiert sind als hier. Ich würde sagen, wir brauchen einen Generationenwechsel: Super cool, dass Leute wie die Ox oder Alex Schwers die Szene mit aufgebaut haben, das heißt ja aber trotzdem nicht, dass die jetzt für immer so bleiben muss wie in den 1980ern oder 1990ern. Feminismus könnte gerade im Punkrock Standard sein und der Umgang mit Musikerinnen wohlwollend, wertschätzend und anerkennend. Letztendlich genauso wie andersherum oder welcher Punker würde den Männlichkeitsidealen der restlichen Gesellschaft genügen?!
Zuletzt gab es auch von der Band LÜGEN (hier gehts zum Interview mit Sängerin Sabrina) einen längeren und kritischen Blog-Eintrag zum “boys club” um Alex Schwers, das Ruhrpott Rodeo Festival und den Umgang mit Frauen und Frauenbands innerhalb der Szene. Die Ox räumte Schwers Raum zum Sprechen ÜBER Frauen* ein, der beteuerte, sich bei zwei zur Auswahl stehenden Bands immer für die Band mit Frauenbeteiligung zu entscheiden. Rehabilitierungsversuche? Tatenleere Lippenbekenntnisse? Was denkst du darüber?
Ich fand’s wirklich heftig, dass die Ox das so gemacht hat. Insbesondere dieser Kommentar über die zwei zur Auswahl stehenden Bands geht halt völlig am Problem vorbei! Dass Diskriminierung natürlich in erster Linie dazu führt, dass es erst mal weniger Sichtbarkeit auf Seiten der Diskriminierten gibt und deswegen so Dinge wie positive Diskriminierung durchaus sinnvoll sind, ist ja nun wirklich kein neuer Gedanke. Deswegen ist es eben nicht damit getan, dass der gnädige Herr Schwers im Zweifel für die Frau* entscheidet.
Gerade „Institutionen“ wie die Ox, das Ruhrpott-Rodeo oder auch die Bekanntheit von Bands/Einzelpersonen haben einen großen Einfluss darauf, wie der Umgang mit Frauen auch im Kleinen ist (Stichwort: Rolemodels wie das bei Antidiskriminierungskampagnen so schön heißt). Alex Schwers beschwert sich, dass es ja keine großen Bands mit Frauenanteil gäbe und das daran liege, dass niemand die hört, weswegen solche Bands keine großen Plattenverträge kriegen. Außerdem würden ihm die großen Bands abspringen, wenn er ihnen die Headline-Slots wegnehmen und kleinen Punkbands mit weiblicher Besetzung geben würde. Aber genau das liegt eben in der Macht solcher Institutionen und auch Einzelpersonen wie Alex Schwers: Quoten einführen, für mehr Sichtbarkeit sorgen, Mansplaining und andere Sexismen nicht dulden, Awarenesskonzepte einführen, sich nicht breitbeinig auf einem Zeitschriften-Cover räkeln usw. Also nicht einfach mehr „Feigenblatt-Bands“ ins Lineup setzen, sondern sich grundlegend mit Feminismus beschäftigen und Diskriminierung an allen Stellen abbauen. Das hat dann auch einen direkten Einfluss darauf, ob PunkerPaul im AZ Dingenskirchen der Sängerin sagt, sie solle ihre Titten zeigen oder nicht.
In unserer Interview-Reihe zu “Frauen im Musikbusiness” fragen wir immer nach, welche Erlebnisse Frauen* im Musikbereich mit Gleichberechtigung machen und die Geschichten sind oft haarsträubend. Erlebst du es öfter, nicht ernst genommen oder nur auf dein Geschlecht reduziert zu werden? Oder kannst du vielleicht auch von positiven Erfahrungen sprechen, in denen Gleichberechtigung wirklich gelebt wurde?
Ja… also das ist so dieses Phänomen der vielen „Kleinigkeiten“, die zusammen einen großen Haufen Scheiße ergeben: Mich fragt jemand danach, wie ich eigentlich Texte schreibe, ich fange an zu antworten, ein Mann fällt mir mehrfach ins Wort und erzählt, wie es bei ihm ist. Ich veranstalte ein Konzert, jemand von den Bands fragt im Backstage: „Wer ist denn eigentlich Veranstalter?“ – ich winke und werde erst mal von oben bis unten gemustert, bevor das Gespräch weitergeht. Ich habe neben Konzerten auch Technopartys veranstaltet (gelegentlich auch im Anschluss an Konzerte, weil wir mit den Einnahmen der Partys dann die Bands bezahlen konnten) und trage da dann auch sehr gern neonpinke, superkurze Röcke oder Glitzer-BHs. Wenn ich mich dann also zum Konzertbeginn umgezogen habe, hat mir danach erst mal kein Mann mehr in die Augen geschaut, sondern war scheinbar irgendwo zwischen „Is dat noch Punk?“ und „TITTEN!!!“ hängengeblieben.
An vielen Stellen habe ich zusätzlich auch noch meine eigene Sozialisation gemerkt: Ich komme eher schüchtern in den Backstage und piepse „Schuldigung, wenn wer Hunger hat – Essen wäre fertig…?“, wenn ich bei anderen Veranstalter*innen mithelfe, kümmere ich mich um die Awarenessarbeit oder ich habe Hemmungen, mich zwischen den Bands auf die Bühne zu stellen und irgendwelche Ansagen zu machen. Da kommt mensch eben auch nicht mal so eben raus, sondern braucht ein anerkennendes und unterstützendes Umfeld, das eher ermutigt als noch weiter zu demütigen.
Positive Beispiele sind auf der anderen Seite die Boys – meiner Erfahrung nach eher Polit-Boys als klassische Punker –, die ganz selbstverständlich und ohne Aufforderung nach der Show aufräumen, die Klos putzen oder die Bierflaschen einsammeln während die Frauen* die Abrechnung machen. Das habe ich häufig in gut strukturierten Freiräumen erlebt und eigentlich bei allen Technopartys bei denen ich involviert war!
Deine ganz persönliche Erklärung dafür, warum Frauen* im Musikbereich und vor allem im Punkrock auf den Festival-Bühnen meistens unterrepräsentiert sind – Gibt es wirklich zu wenig Frauen*-Bands/Bands mit Frauenbeteiligung oder liegen die Gründe woanders?
Auf mich wirkte es bisher jedenfalls nicht besonders einladend, mich als Musikerin aktiv im Musikbereich einzubringen. Da muss frau* durchaus Bock auf Konfrontation oder schon vorher ein dickes Fell entwickelt haben. Besagte weibliche Sozialisation ist ja grundlegend eher zurückhaltend angelegt, wenn eine Frau* jemand fragt: „Kannst Du das?“ Sagt sie erstmal: „Hm… ich hab das zwar ein paar Jahre gemacht, aber ich bin mir da nicht so sicher.“ und der Typ daneben sagt: „Klar, kein Ding. Hab ich zwar noch nie gemacht, aber wird schon nicht so schwierig sein!“ Das ist völlig absurd, ich erlebe das ständig in Bewerbungsgesprächen oder auch in Plena. Ich habe mir deswegen irgendwann gesagt, dass ich in Zukunft auf solche Fragen immer erst mal mit „Ja!“ antworte und all den abschwächenden Unsinn, der mir im Kopf herumspukt ignoriere. Ich würde deswegen weiterhin behaupten, dass für Boys die persönlichen Einstiegshürden in die Musikwelt schon mal niedriger sind. Und auf der anderen Seite sind dann all die hässlichen Details von verdecktem bis offenen Sexismus, die auch nicht gerade einladend wirken. Das fängt bei Zeitschriftencovern an, auf denen primär weiße, alte Männer abgebildet sind und geht bis zu klaren Übergriffen innerhalb von Bands, die nicht als solche gelten dürfen. Genauso spielt die Frage hier eine Rolle, ob mensch jetzt wirklich noch eine Reunion einer 20 Jahre alten Männer-Band forcieren muss. Denn auch das ist Ausdruck eines Rockstar-Games, das Punkrock eigentlich immer abgelehnt hat, weil es zur Verfestigung von impliziten Hierarchien beiträgt. Das mit Wizo hätte man(n) bspw. einfach lassen können, das hätte dem Andenken besser getan und hätte vielleicht einen Raum offen gelassen für eine neue Band der Größe mit Frauenanteil. Zugespitzt formuliert: Krallen sich die alten, weißen Männer solange an ihren Mikrofonständern fest, bis sie daran verrecken oder geben sie die Plätze in Anerkennung neuer Musiker*innen schon früher frei. Es ist klar, dass ich in der sonstigen Gesellschaft ständig damit konfrontiert werde, dass ich eine Frau und insofern weniger wert bin und mir deswegen alles hart erkämpfen muss, aber der Vibe in der Musikwelt könnte durchaus ein anderer sein. Auch für Boys ist Musik ein Fluchtpunkt aus den alltäglichen Kämpfen, für uns aber immer noch nicht, es sei denn wir bauen auch darin wieder unsere eigenen Nischen.
Wie würdest du die Art von Feminismus beschreiben, die du im Alltag lebst?
Ich würde mich dem radikal-feministischen Ansatz zuordnen. Ich verstehe das Patriarchat als Grundlage von sprachlicher Dominanz, sexueller und häuslicher Gewalt, der Ausbeutung und Fremdbestimmung weiblicher Körper, Sexismus bzw. Heteronormativität und normativen Genderzuschreibungen. Ich glaube deswegen auch nicht, dass sich das Patriarchat gesamtgesellschaftlich ausschließlich mit gegenseitiger Achtsamkeit überwinden lässt. Wir haben hier einen Kampf zu führen, weil wir Männern ihre Privilegien streitig machen müssen und das vollzieht sich weder außerhalb noch in uns selbst ganz ohne Aggressivität – wie man an dem Konflikt mit der Ox recht eindrucksvoll sieht. Jüngst ist ein Essay von Pauline Hermange herausgekommen, der „Ich hasse Männer“ heißt und das für mich noch mal ganz gut auf den Punkt gebracht hat: Ich bin neben der ganzen Auseinandersetzung, die mich mein Geschlecht schon kostet, nicht auch noch dafür zuständig, Männer zur feministischen Erleuchtung zu führen. Ich begegne Männern deswegen auch im Alltag eher misstrauisch, verteidige meine Grenzen, wenn sie jemand übertritt und bin solidarisch mit allen Opfern des Patriarchats.
Das Problem der Darstellung von Frauen* und Männern unterliegt auch in subkulturellen Szenen oft den klassischen Rollenbildern, sei es auf Magazin-Covern oder bei Werbung für Merch (Frauen* als Blickfang, Sexobjekt, Bewundererinnen – Männer als coole, harte Macher oder Aktivisten). Was denkst du läuft hier falsch?
Alles 😀 Das fängt schon damit an, dass sich Frauen* oft zum tiefgründigen, komplizierten Musiker hingezogen fühlen, anstatt sich selbst ins Rampenlicht zu stellen. Meine Mutter ist 68erin und hat eine klassische Mädchenerziehung hinter sich, ihre Erzieherinnen sagten wohl immer: „Sei wie das Veilchen im Grase, sittsam, bescheiden und rein – nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.“ Das wird heute nicht mehr offen kommuniziert, aber präsente Frauen sind auch im Musikbereich immer noch von einem Hauch Verruchtheit und Exotismus umgeben. Das führt zwangsläufig dazu, dass die Identifikation damit, ein Rockstar zu sein, für Frauen schwieriger und das Bewundern eine naheliegendere Rolle ist. Abgesehen davon, dass sich auch hier irgendwann wieder die Frage nach der Fortpflanzung stellt (Vereinbarkeit Rockstarlife und Kinder, wie geht das eigentlich?) und insofern auch, wie viel frau* für diesen Traum bereit ist zu investieren. Auf der anderen Seite gibt es auf jeden Fall genug Musiker*innen, Aktivist*innen und krasse Macher*innen, die mensch auch auf Covern und in der Werbung zeigen könnte. Schwers würde jetzt wieder mit der Zielgruppe argumentieren – dass eben die Boys die Zeitschriften und Platten kaufen – aber damit wären wir auch wieder nur bei der Frage: Is‘ dat noch Punk sich an kapitalistischer Marktlogik zu orientieren?
Ich habe schon öfter erlebt, dass Headliner-Bands sich Frauen*-Bands/Bands mit Frauenbeteiligung ins Vorprogramm holen, um zu zeigen, wie loyal und “feministisch” sie sind – leider dient dies manchmal nur der eigenen Imagepflege und ist nicht ehrlich gemeint. Wie sollte die aktive Unterstützung zur Veränderung der Geschlechterverhältnisse im Musikbusiness deiner Meinung nach aussehen? Wie kann man supporten ohne Frauen* dabei herabzusetzen und nur “mitmachen zu lassen”? Was ist deiner Meinung nach “echte Sichtbarmachung”?
Sehr schwierige Frage, weil mensch anderen Menschen schwer in den Kopf gucken kann. Ich würde sagen, es kommt auf das Gesamtkonzept der Veranstaltung an: Gibt es zwar eine Vorband mit weiblicher Besetzung, aber trotzdem kein Awarenesskonzept? Sind Frauen* in den Türschichten? Wie viel Gage bekommt die Vorband im Verhältnis zum Headliner? Wie wird der „Frauenanteil“ kommuniziert? Ich würde sagen, es geht grundsätzlich darum, Bands mit weiblicher Besetzung das exotische Image zu nehmen oder wenn das noch nicht geht, mit positiver Diskriminierung weibliches Engagement in der Musikwelt zu „überhöhen“. Ich hatte in meinem Artikel eine Beziehung zum Rassismus gezogen, denn da fällt es von Hause aus linken Musikern häufig einfacher zu verstehen, was angemessenes Verhalten ist und was nicht. Eine Übung wäre insofern: Wenn es jetzt nicht um Frauen* sondern um PoC ginge – wie würden wir uns da verhalten? Das heißt: Kein Feigenblattverhalten, kein Mansplaining, sondern grundsätzlich die Haltung, sich als weißer Mann einfach und jederzeit mal ein bisschen weniger wichtig und stattdessen zurückzunehmen.
Danke dir für die vielen klaren Worte, die Anregungen und deine Gedanken. Gibt es denn sonst noch etwas, was du gern loswerden möchtest?
Ich bin mit dem Rodeo tatsächlich groß geworden und es war auch zu Force Attack Zeiten immer mein Lieblingsfestival. Das lag unter anderem daran, dass es liebevoll und freundlich war, dass ich keine Sorge haben musste, dass jemand mein Zelt abfackelt oder mich auf dem Weg zu den Dixis anspringt. Ich war 2016 und 2017 dann nach einer Pause mal wieder da und war echt erschüttert, wie alt und wie männlich das Festival geworden ist! Ich glaube, wenn Punk irgendeine Form von Relevanz behalten möchte, muss die Szene sich weiterentwickeln und nicht in den Kämpfen von vor 20 und 30 Jahren steckenbleiben. Wir haben auch in dieser Szene einen Generationenkonflikt, der durch das Matthäus-Prinzip („Wer hat, dem wird gegeben.“) verschärft wird. Diejenigen, die haben, müssen also etwas aufgeben. Ansonsten werden sie einfach irgendwann als altgewordene Witzfiguren die Manege verlassen und das, wofür sie mal angetreten sind, fällt einfach hinter ihnen zusammen. Das fände ich persönlich sehr schade, denn für mich war/ist Punkrock die Spielweise einer Utopie dessen, wie ich mir eine Gesellschaft wünschen würde: Albern, arbeitsfaul, antikapitalistisch, bunt und solidarisch.
Danke für das Interview, Fini. Bleib gesund und mach weiter!
Ich habe in den letzten 25 Jahren immer mal wieder in Bands gespielt, wo dann auch eine Frau mit dabei war. Eine Band mit gemischten Geschlechtern fand ich gut, also habe ich mich die letzten Jahre immer wieder bei meinen Projekten darum bemüht. Problem; die meisten Frauen in meinem Bekanntenkreis scheinen absolut kein Bedürfnis zu haben in einer Band zu spielen und wollten hart überredet werden, während irgendwelche Typen sich erstmal ausprobieren um dann vielleicht feszutstellen, das es nicht passt.
Was ist das?-Mangelndes Selbstbewusstsein oder einfach keinen Bock auf musikalischen Ausdruck? Bei uns gibt es zudem ein harten Proberaummangel in der Stadt, ausser im Bereich “Proberäume für Frauenbands und Musikerinnen”-da stehen Räume ungenutzt leer, weil sich keine Frauen dafür finden lassen bzw. es ein Überangebot in dieser Richtung bei uns gibt( eine befreundete Betreuerin ebensolcher Räume, wie auch die wenigen Musikerinnen in meinem Bekanntenkreis bestätigten das).
Irgendwie erinnert mich diese Diskussion um “mangelndes Selbstbewusststein” , oder “mich hat keiner gefragt ob ich in einer Band sein möchte” an “wasch mich, aber mach mich nicht nass”. Ja, vielleicht klatscht keiner höflich Applaus, wenn es dem Publikum nicht reinläuft und vielleicht kommt auch irgendein dummer Spruch aus dem Publikum, was sicherlich niht ignoriert werden muss.
Sagt mal, wie war das nochmal mit den Punkbands der ersten Stunde, denen der Strom abgedreht wurde usw? Ein bischen Mut gehört halt dazu, ohne geht es nicht
@nico ich habe mir das Line-Up der letzten 10 Jahre vom back to future an die Wand gehangen, zeig mir ein Jahr wo die Hälfte Frauenbands fahren. Spoiler: es gibt kein einziges.
@Mandy: Lese noch mal was ich geschrieben habe. Ich schrieb “im aktuellen Line-Up zirka die Hälfte”! Zirka heißt nicht gleich… aber schön das du dir da so viel Mühe gibst und auf all möglichen Plattformen so vehement gegen die Argumente unsererseits polterst. Kann das zwar nicht nachvollziehen, aber das Thema scheint ja dir irgendwie ein Dorn im Auge zu sein.
Danke für einen weitern Schritt in die richtige Richtung!
( @schwurbelköppe ^^: jaja, genau! )
Aua. Aua. Aua. First world problems.
Nur Mal so am Rande liebe Mandy, es gibt durchaus Festivals, die eine deutlich höhere Frauenquote haben und ähnliche Zahlen aufweisen… etwas kleiner macht es aktuell das Back to Future zum Beispiel vor, wo von etwa 30 bestätigten Bands zirka die Hälfte mit Frauenanteil sind! Es geht übrigens auch nicht um ein Bashing oder Finger Zeig, es geht darum zu verstehen, wie sich Frauen in der Punkszene fühlen und warum Sexismus ein grundsätzliches Problem innerhalb der Musikszene im allgemeinen ist! Egal ob das jetzt ein Festival, ne Club Show, eine Werbeanzeige für ein neues Album der Band XY, ein Titelblatt eines Magazines oder sonst was ist. Dieses Thema wurde vom Ox / Alex Schwers vor ein paar Tagen groß aufgegriffen und das ist lediglich eine Antwort darauf… und dass nicht nur wir das Scheiße finden, beweist ja auch der Beitrag in der gestrigen TAZ!
Den Beitrag in der Taz hat die Protagonistin selbst verfasst, von daher ist es kein wirklicher Beweis.
“Nur Mal so am Rande liebe Mandy, …” könnte man aber durchaus als Mansplaining bezeichnen. Du siehst also die Fettnäpfchen sind reichlich vorhanden.
Es steht jeder Person frei, ein ähnlich geiles Festival wie Alex Schwers auf die Beine zu stellen.
Anstatt sich über ihn aus zu lassen würde ich mal sagen: anpacken um es besser zu machen.
Aber da kommt irgendwie nicht. Womöglich, liegt es da dran, dass es eben doch nicht genug geile Frauenbands gibt, die dafür sorgen würden das 8.000 Leute aufs Festival kommen. Oder genug Frauenbands, um abwechselnd Männer und Frauen auf die Bühne zu kriegen. Das Verhältnis gibt es einfach nicht, es würde auch nicht funktionieren.