Letzte Woche haben wir in unserer Interview-Reihe zu Frauen im Musikbusiness mit Claudia aus dem Hanseat Salzwedel über ihre verschiedenen Arbeitsfelder in der Veranstaltungsorganisation gesprochen. Heute steht uns Melle aus Leipzig-Connewitz über ihr Engagement in der Organisation von DIY-Konzerten Rede und Antwort. Viel Spaß damit!
Hallo Melle,
schön, dass du dir die Zeit genommen hast, um mit uns zu sprechen. Fangen wir an:
Du veranstaltest Punkkonzerte in Leipzig-Connewitz, seit wann machst du das und gab es ein spezielles Ereignis, das für dich der Auslöser war damit anzufangen?
Genau, ich veranstalte Punk-, Metal-, Crust- und Grind-Konzerte. Das wechselt immer mal, mit Punkkonzerten ging es aber los. Die ersten Konzerte habe ich in Görlitz veranstaltet, damals über einen deutsch-polnischen Jugendkulturverein und ein Jugendkulturzentrum. Das allererste davon war ein Geburtstagskonzert, danach kam eine deutsch-polnische Veranstaltungsreihe, da Görlitz Grenzstadt ist. Dort haben wir drei Konzerte organisiert: Punk, Metal und ein Akustikkonzert. Das war der Ursprung von allem.
Und dann hast du damit in Leipzig weitergemacht?
Die DIY-Szene ist gerade gut für Bands, die noch keiner kennt und die Auftritte suchen. Gerade in einer Stadt wie Leipzig braucht es dazu einzelne Personen, die letztendlich dann die Konzerte organisieren und veranstalten. Es gibt schon Orte, wo man das machen kann und diese Orte helfen auch, aber trotzdem muss sich eine Person für das Konzert verantwortlich fühlen, damit es funktioniert. Und es werden immer weniger Konzerte, gerade in Görlitz hat man das gemerkt. Der Studierendenclub hat dann beispielsweise auf Konzerte verzichtet und nur noch DJ-Veranstaltungen gemacht. Das hat man dann auch an den Besucherzahlen gesehen. Ich mag auch DJ-Veranstaltungen, aber Konzerte müssen unbedingt erhalten bleiben.
Kannst du dich an das erste Konzert erinnern, das du hier in Leipzig veranstaltet hast?
Das war zweigeteilt. Ich habe erst ein ganz kleines für den Anfang gemacht. Das war mit Schnurrbart Kumpels aus Neubrandenburg und Contärgan aus Leipzig. Dann habe ich noch einmal einen Start gemacht mit Kackschlacht, Frontex und Kabelbrand Ostkreuz und das war tatsächlich ein richtig cooler Abend, den ich auch nicht vergessen werde.
Kannst du uns einen kurzen Einblick geben, was du in den letzten Jahren für Veranstaltungen in Leipzig-Connewitz organisiert hast?
In Leipzig bin ich tatsächlich eher bei kleineren Shows geblieben, also einzelne Konzerte und keine Konzertreihen. Ich helfe aber auch beim Paranoia-Festival und mache dort Tresen. Ansonsten habe ich auf größere Sachen auch gar keine Lust. Festivals sind Festivals. Da gehe ich vor allem gern selbst hin. Hier mache ich beispielsweise noch den Punkrocktresen oder Einlassdienst bei kleineren Konzerten, die unkommerziell stattfinden.
Wo würdest du deine Arbeit einordnen, eher privat als “Hobby” und was machst du, wenn du nicht gerade Konzerte organisierst?
Das passiert wirklich alles in meiner Freizeit. Im „echten Leben“ bin ich Heilpädagogin, das habe ich auch in Görlitz studiert.
Gibt es ein besonders ergreifendes, tolles oder sogar mieses Erlebnis in deiner Zeit als Veranstalterin, das du mit Sicherheit nie vergessen wirst?
Ich veranstalte jetzt seit 2013 Konzerte und das auch mal in anderen Städten. Da lernt man viele Menschen kennen und bekommt dann Nachrichten aus der ganzen Welt. Ich hatte auch schon chinesische, japanische und russische Bands da. Es gab da auch einmal ein Treffen mit englischen Bands, die auch noch öfter wiedergekommen sind. Da war ich dann auch zweimal in England zu Besuch. Einmal auf einem Festival und dann privat zum Geburtstag. Wenn so etwas entsteht, gibt das einem schon sehr viel zurück und ist besonders toll.
Mies ist tatsächlich, dass die ganze Orga für sehr selbstverständlich hingenommen wird. Es kommt wirklich auf die Richtung der Musik an und auf die Konzerte. Wir wollen nie Eintritt, das ist immer ein Spendenbeitrag. Und manche Leute möchten selbst das nicht zahlen. Am besten soll immer alles kostenfrei stattfinden und am besten namenhafte Bands, die auf den großen Festivals spielen – das ist eben etwas, was hier nicht läuft. Mitunter hat man da wirklich Diskussionen, gerade wenn man so etwas ehrenamtlich macht und das empfinde ich manchmal als sehr respektlos.
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness – speziell bei den Veranstaltenden – in den letzten 10 Jahren verändert hat?
Oft wird gerade in meinen Kreisen hier viel darüber nachgedacht, wie man mit Gleichberechtigung umgeht. Letztendlich kann ich das aber gar nicht so genau sagen. Ich hatte immer den Eindruck, dass gerade hinter den Kulissen viele Frauen mitarbeiten. Sei es hinter dem Tresen, oder generell die Veranstaltungsorganisation. Ich persönlich empfand das nie als schwer und in den Kreisen, in denen ich aktiv war und bin, ist das wirklich weniger ein Thema, ob man als Frau oder Mann nach einer Veranstaltung fragt. Dort geht es tatsächlich immer mehr um den Inhalt. Oft ist auch entscheidend, ob man als Person bereits bekannt ist. Obwohl ich mich auch frage, wie der Umgang mit den Veranstaltungen ist. Es gibt tatsächlich noch vieles, wobei der Männeranteil sehr hoch ist und wo wenig darauf geachtet wird. Ich schaue meist, dass bei meinen Konzerten an der Tür und auch am Tresen eine Frau steht und meistens ergibt sich das auch, weil viele Frauen bei uns engagiert sind. Aber selbst das klappt nicht immer.
Versuchst du auch bei den Konzerten darauf zu achten, dass der Frauenanteil bei den Bands ausgeglichen ist?
Das ist immer gerade das Ding. Das wäre natürlich schön, aber es klappt tatsächlich nicht so oft. Es gibt Abende, da funktioniert es, aber manchmal haben wir auch reine „Bockwurstpartys“. Ich muss auch sagen, ich suche nicht immer gezielt danach und es kommt auch oft darauf an, wie man angeschrieben wird. Die letzten zwei Jahre war es wirklich so, dass ich fast nur noch angeschrieben wurde und danach dann die Abende zusammengestellt habe und das will ich jetzt auch wieder etwas ändern. Wenn ich so daran denke, was zuletzt stattgefunden hat, war wirklich kein großer Frauenanteil dabei.
Und in der Leipziger Szene – wird man da mal darauf angesprochen, wenn beispielsweise ein Konzertabend stattfindet, an dem nur Männer auf der Bühne waren?
Das kommt ganz darauf an. Es fällt tatsächlich wenigen auf. Gerade in Connewitz ist das nicht viel Thema. In Plagwitz dagegen habe ich schon Gespräche geführt, auch bei Abenden, an denen dann Leute, die zu den Orten gehören, gesagt haben: „Es ist schön, dass jetzt auch gemischte Gruppen oder reine Frauengruppen zum Publikum dazu gekommen sind.“ Da habe ich ehrlich gesagt gar nicht so drüber nachgedacht, weil ich auch für das Publikum nichts kann, also wer sich da angesprochen fühlt. Allerdings ist das schon so, denn es kommt ja auch darauf an, welche Bands eingeladen werden und das beeinflusst ja wiederum welche Gäste kommen.
Wie empfindest du den Umgang mit Frauen in der Szene? Gibt es Vorfälle, zu denen du vielleicht etwas loswerden möchtest?
Es kommt schon auf die Art an, wie mit Frauen umgegangen wird, auch bei manchen Bands ist das komisch. Wie die beispielsweise dann auch mit mir reden. Ich mache das selten, dass ich den Bands vorgebe, in welcher Reihenfolge sie spielen sollen. Manchmal mache ich es aber doch, wenn ich denke, das hat irgendeinen Sinn. Und dann wird das manchmal auch abgelehnt oder einfach nicht gemacht und dann frage ich mich schon, ob das auch passieren würde, wenn die Anweisung oder Bitte von einem Mann kommen würde. Ich habe dazu aber auch noch niemanden gefragt, also wie es den Männern bei diesem Thema geht. Aber das sind so Punkte. Manchmal fühle ich mich da schon auch nicht ernst genommen. Es gibt zum Beispiel immer die Bitte an die Bands, ihr Geschirr selbst aufzuwaschen. Und da stand dann mal ein Teller im Backstage mit einem Zettel, auf dem stand: „Mel, wasch den Teller ab.“ Das waren auch Bands und ich dachte mir: „Was ist denn hier los?“ Es gibt also tatsächlich Vorfälle, aber die gehen meist von Einzelpersonen aus. Dem wird sich auch gestellt. Es wird nicht alles hingenommen. Aber dennoch ist es eine schwierige Auseinandersetzung. Es gibt keinen Mittelweg. Es gibt Orte, denen wird nachgesagt, sie kümmern sich gar nicht, obwohl sie sich Gedanken machen, aber nicht alles regulieren können und es gibt Orte, an denen läuft alles sehr überreguliert und es ist gar kein Gespräch mehr möglich. Oft werden nur online Posts gemacht und direkter Austausch findet leider weniger statt.
Wie nimmst du die Arbeit deiner männlichen Kollegen wahr und gibt es Bereiche, in denen du dich benachteiligt fühlst? Was denkst du, sind die Gründe dafür?
Die Orga mache ich selber und ich kann mich auch durchsetzen. Gleichzeitig wird mir aber genau deswegen auch nachgesagt, dass ich schwierig bin. Da muss man schon selber was mitbringen. Es gibt immer so viel drumherum. Manchmal sind Bands komisch und nehmen einen nicht ernst und man muss sich durchsetzen, manchmal sind es Leute in den Locations oder auch Gäste. Sich durchsetzen kann man auf unterschiedliche Arten machen, aber das muss dann zumindest irgendwie stattfinden. Und als Frau ist das definitiv schwieriger. Prinzipiell fällt es aber selten auf. Das sind Strukturen, bei denen ich merke, dass ich manche Probleme nicht hätte, wenn ich ein Typ wäre. Das gibt es definitiv. Und es sind auch oft altgewachsene Strukturen. In neueren Strukturen oder welchen, die öfter mal wechseln, passiert das weniger.
Auf welche in der Zukunft liegenden Ereignisse freust du dich besonders? Gibt es etwas, was du unbedingt noch erleben möchtest, vielleicht eine Band, oder ein Festival, das du gern mal veranstalten würdest?
Ich will es jetzt ein bisschen umstellen. In letzter Zeit kam es mir so vor, als ob ich nur noch Wünsche erfülle, weil ganz viele Anfragen kamen. Gerade wenn die Bands auf Tour sind, da will man dann helfen. Oder es wird von jemandem vermittelt, mit dem man eine coole Verbindung hat und man will was beisteuern. Und jetzt will ich wieder mehr danach gehen, was ich will und wieder mehr in die Konzerte hineinstecken. Gerade in Leipzig: Früher konnten hier sechs Konzerte gleichzeitig sein und die waren alle gut besucht – und das ist von Jahr zu Jahr weniger geworden. Es kommt auch gar nicht darauf an, wie man Werbung macht oder machen kann, es ist einfach ein großes Angebot da und es kommen weniger Leute. Ich habe gerade erst mit einem Freund geredet und wir haben überlegt, wieder etwas mehr Konzept reinzubringen, wieder was besonderes zu machen, Specials, um das alles zu beleben und wieder ansprechender zu gestalten. Also vielleicht wieder weniger, aber origineller. Wirklich selber mal wieder Bands anschreiben, die beispielsweise nur in kleinen Orten spielen, damit das alles auch eine DIY-Kultur bleibt. Was dieses Jahr alles ansteht, sieht zumindest ganz gut aus. In der Gruppe, in der ich auch aktiv bin, organisieren wir uns gerade neu und um und das verändert viel und es geht vorwärts. Es gibt einen neuen Ausblick in die Zukunft. Denn zeitweise hat man sich schon gefragt, ob es das noch wert ist, so viel Arbeit hineinzustecken. Es ist eben viel zu tun. Man muss sich kümmern, dass Leute da sind, die helfen, an der Tür, an der Bar, es muss aufgeräumt werden, es geht um Essen und Getränke besorgen – das ist viel. Und wenn eine Band beispielsweise aus Japan oder Kanada spielt und es kommt niemand, nur weil die Leute die Band nicht kennen, das ist eben schwierig und schade. Im letzten Mai habe ich zwei Bands hier gehabt, tanzbar und etwas, was eigentlich jeder hören kann. Die kamen aus Finnland und es war kaum Besuch da. Das ist dann wirklich schade. Man musss ja nur mal reinhören. Es gibt ja dieses Internet. Und früher war das nicht so, da sind die Leute trotzdem gekommen. Da war das egal, da hat man nur nach der Musikrichtung geschaut und sich dann darauf eingelassen.
Ich weiß auch nicht, ob das an der Veränderung des Stadtteils liegt, dass nach und nach einige wegziehen und wegziehen mussten, weil es teurer geworden ist oder dadurch mehr arbeiten müssen und weniger Freizeit haben. Da ist es auch schwer, dann noch viel auf Konzerten unterwegs zu sein. Deshalb geht es jetzt auch in eine andere Richtung und macht aber auch Hoffnung, dass es wieder was werden kann. Ich verbringe damit schon viel Zeit und will es auch nicht aufgeben. Es muss eben aber auch Spaß machen.
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Mir geht es vor allem um den Support der Local Scene, auch wenn das fast schon wieder nur wie eine Floskel klingt. Aber wenn die Leute nicht mehr viel zu den Konzerten kommen und die Orga für so selbstverständlich genommen wird, obwohl alles DIY und ehrenamtlich ist, ist es kompliziert, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Wenn man sich auch die Politik anschaut in den Ländern und auf den Straßen, in den Medien – zum Beispiel die Debatte um Silvester am Connewitzer Kreuz und auf der anderen Seite die fehlende Berichterstattung oder die ausgebliebenen Verurteilungen vom 11.1. – was eine ganz andere Qualität hatte, als die Nazis die Wolfgang-Heinze-Straße in Connewitz angegriffen haben – eine Eskalation, die von linker Seite so nicht stattgefunden hat. Dass Politiker sich Waffen besorgen, weil sie Angst haben von Rechten angegriffen zu werden und es wird die Soko LinX gegründet…
Die Orte, an denen wir sind, die sind nicht sicher und sie werden aber auch nicht unterstützt und als sicher empfunden. Das ist eben etwas, wovon ich nicht weiß, ob das noch ewig so weiter geht und es wäre schön, wenn mehr Leute wieder ihre Szene supporten und sehen, was alles läuft und sich informieren. Ich denke nicht, dass alle Leute, die in der Szene etwas ehrenamtlich machen auf Dankbarkeit aus sind, darum geht es nicht. Aber man will, dass Orte erhalten bleiben und wenn man sieht, wie das mit der Stadt hier gerade läuft und auch wenn man auf andere Städte schaut wie Hamburg und Berlin: Das ist alles bedroht. Und deswegen müssen auch wieder mehr zusammenstehen und erkennen, was wir für ein Glück haben. Andere Länder haben diese Möglichkeit nicht. Wenn zum Beispiel Engländer kommen, die schauen immer nicht schlecht, was wir noch für Möglichkeiten haben und kennen solche Orte gar nicht mehr.
Vielen Dank für das Interview, Melle!